(openPR) In der Ausgabe der Ärztezeitung v. 04.05.11 können wir nachlesen, dass der kommende Deutsche Ärztetag in Kiel sich mit dem Thema befassen soll
(>>> http://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/berufspolitik/article/652534/diskussion-sterbebegleitung-spitzt.html).
Die „Aufregung“ in manchen Ärztekammern über die geänderten Grundsätze der BÄK zur Sterbebegleitung ist weder nachvollziehbar noch rational begründbar. Ob der erst unlängst in der F.A.Z. erschiene Beitrag von der Philosophin Petra Gehring gleichsam „Wasser auf die Mühlen gegossen hat“, in dem diese die Frage aufgeworfen hat, ob es künftig noch ein ärztliches Ethos geben solle, steht insofern nachhaltig zu bezweifeln an, weil gerade auf höchster Funktionärsebene sich frühzeitig Widerstand gegen die beabsichtigte, wenngleich zwingend notwendige Liberalisierung sowohl des Standes- als auch ärztlichen Berufsrechts geregt hat, mal ganz davon abgesehen, dass die von Gehring vorgetragene Argumente nicht neu sind und im Übrigen auch nicht durch die ständige Wiederholung an Überzeugungskraft gewinnen.
Die Debatte ist nach wie vor von höchst mittelmäßiger Natur, leugnen doch die Gegner einer Liberalisierung beharrlich, letztlich „nur“ für ihre individuelle Gewissensentscheidung im öffentlichen Diskurs zu werben, die wir zwar zu respektieren haben, aber letztlich weit davon entfernt sind, das damit verbundene neopaternalistische Gedankengut für allgemeinverbindlich anzuerkennen.
Es zeigt sich angesichts der aufkommenden Debatte, dass der Gesetzgeber aufgefordert ist, hier den Ärztekammern deutliche Grenzen aufzuzeigen. Es wird zunehmend unerträglich, wenn einige namhafte Ärztefunktionäre (und im Übrigen Ethiker) meinen, uns von der Werthaltigkeit ihrer Ethik überzeugen zu müssen, in dem in unzulässigerweise nicht nur das Selbstbestimmungsrecht der Patienten, sondern auch das Recht der freien Gewissensentscheidung der freien Ärzteschaft verkürzt wird.
Dem Gesetzgeber sei angeraten, sich an den Beschlüssen des 66. Deutschen Juristentages zu orientieren, da ein Konsens innerhalb der bundesdeutschen Ärzteschaft nicht zu erwarten ansteht, im Übrigen aber auch mit Blick auf die mögliche Mitwirkung der ärztlichen Suizidassistenz entbehrlich ist. Ärztefunktionäre besitzen im Vergleich zu ihren ärztlichen Kollegen beileibe nicht ein „besser ausgeprägtes moralisches Gewissen“, sondern nehmen lediglich ein Amt wahr, bei dessen Ausübung diese auch darauf zu achten haben, nicht über Gebühr in die Grundrechte ihrer Kollegenschaft einzugreifen. Dies gilt auch für die Delegierten, die mit Augenmaß eine Lösung anstreben sollten, die insbesondere dem Prinzip der Toleranz Rechnung trägt.
Wir sollten „die Ethik im Dorf lassen“ und den Ärztefunktionären sei der Rat erteilt, ggf. die bei der Bundesärztekammer angesiedelte Ethikkommission mit einem zu erstellenden Votum zu beauftragen.
Ärztliches Berufs- oder Standesrecht zu genieren, steht eben nicht im Belieben der Neopaternalisten, sondern hat sich insbesondere auch nach den Wertmaßstäben zu orientieren, die sich aus der Verfassung heraus gegeben und zwar unter Einschluss der Frage der Normsetzungskompetenz und deren Reichweite!
Ob nun die eine oder der andere Philosoph(in) diesbezüglich eine andere Auffassung hegt, ist – mit Verlaub – lediglich von untergeordneter Bedeutung, da Verfassungsrecht nicht mit Philosophie zu verwechseln ist!
Es ist hohe Zeit, dass der Gesetzgeber dem Rat der Juristen folgt und hier ein Regelung auf den Weg bringt, der die Ärztefunktionäre von ihrer selbst auferlegten Aufgabe entbindet, „moralischen Druck“ auf ihre ärztliche Kollegen ausüben zu müssen! Wir leben im aufgeklärten 21. Jahrhundert und wir bedürfen nicht der ethischen und moralischen Unterweisung durch einige Oberethiker in unserem Lande, die erkennbar nicht bereit sind, verfassungsrechtlich verbürgte Grundfreiheiten sowohl der Patienten als auch der verfassten Ärzteschaft zu respektieren. Den Ärztefunktionären wird es auf Dauer nicht gelingen, ihre höchst persönlichen Vorstellungen über ein Arztethos zu einem Dogma zu erheben, dass in seinen Folgewirkungen der Intention und Wirkung von kirchenspezifischen Dogmen in nichts nachstehen.
Sollte sich die Debatte an diesem Punkte „zuspitzen“, ist dies mehr als begrüßenswert, schwingen sich doch einige Ärztefunktionäre auf, mit ihrem oberlehrerhaften Verhalten einen beachtlichen Teil der Ärzteschaft mit ihrer Gewissensentscheidung zu diskreditieren. Ein solches Verhalten und Wunschdenken erscheint mir einer Kammer unwürdig zu sein, mal ganz davon abgesehen, dass hier die Grenzen der Rechtsetzungsmacht einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht erkannt werden!
Lutz Barth













