(openPR) Londoner EAC Chef zu Gesprächen in Bonn und Berlin
- das aktuelle Interview mit dem tageskommentar
tageskommentar: Herr Dr. Prystawik, die Medien berichteten in der vergangenen Woche über Spitzengespräche zum Antidiskriminierungsgesetz in Brüssel – gibt es einen Zusammenhang mit Ihrem Besuch in Deutschland?
Prystawik: Zunächst einmal müssen wir sehen, daß letzte Woche in Brüssel tatsächlich zweierlei geschehen ist. Es ging bei den Gesprächen u.a. um den Stand der Implementierung der EU Richtlinie zur Antidiskriminierung in Deutschland. Zu diesem Thema haben auf der einen Seite Vertreter des European Anti-Discrimination Council –
EAC, also des Europäischen Antidiskriminierungsrates sowie des für Deutschland zuständigen Deutschen Antidiskriminierungsverbandes, vertreten durch seinen Rechtsexperten Dr. Alenfelder, Gespräche mit der Parlamentspräsidentin, Frau Dr. Kaufmann sowie Vertretern der EU Kommission geführt.
Andererseits war am nächsten Tag ein Termin bei der EU für den Vortrag der Bundesregierung zum Stand der Implementierung.
tageskommentar: … bei dem Sie sich darauf geeinigt haben, in Berlin weiterzudiskutieren?
Prystawik: Nein, die Sache ist durchaus ernst: Einmal wird ein weiterer Verzug [bei der Umsetzung] auf Seiten Deutschlands in Kürze erhebliche Strafzahlungen an die EU zur Folge haben, das ist ein Punkt, den wir jetzt in Bonn auf Verbandsebene und anschließend in Berlin besprechen werden. Deshalb wird jetzt von vielen vermutet, daß die Umsetzung in Form eines Antidiskriminierungsgesetzes in Deutschland doch noch vor der Sommerpause kommt.
Dann gibt es neben der zeitlichen Dringlichkeit noch zwei weitere ganz wichtige Dinge, einmal im Hinblick auf die Wirksamkeit, die das Gesetz schnell entfalten muß und zum Gesetzestext, also zur Wortwahl, was ich schon früher an anderer Stelle deutlich gemacht habe.
tageskommentar: Worum geht es dabei konkret?
Prystawik: Zum einen ist ja wohl klar, daß wirksame Antidiskriminierung nur kommt, wenn die Wirtschaft denn ökonomischen Sinn darin erkennt. Mit anderen Worten könnte man das Antidiskriminierungsgesetz mit den in Deutschland üblichen niedrigen Schmerzensgeldsätzen glatt aushebeln. Um dies zu verhindern, schließe ich mich der inzwischen in Fachkreisen weitverbreiteten Ansicht an, daß pro einzelnem Diskriminierungsfall (z.B. im Arbeitsrecht) eine Entschädigung von je einem Jahresgehalt, mindestens jedoch 30.000 Euro zu erfolgen hat. Da muß man also noch mal diskutieren, ob man solche Grundsatzentscheidungen allein der Rechtsprechung überläßt.
Der andere wichtige Punkt, den ich schon mehrmals auf Verbandsebene angesprochen habe, ist ein Detail, auf das bisher nur wenige eingegangen sind, nämlich die unverantwortliche Verwendung des Begriffs „Rasse“ im deutschen Gesetzentwurf. Für die Unterstützung bei dieser Argumentation bin ich im übrigen Frau Dr. Bankier von der EU Kommission sehr dankbar. Auch dort hat man erkannt, daß fast 60 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes (mit gleicher Wortwahl in Art. 3) so etwas nicht mehr haltbar ist. Für die Gesetzesformulierung hat uns Dr. Klaus Michael Alenfelder vom Deutschen Antidiskriminierungsverband mehrere alternative Formulierungsvorschläge unterbreitet, die wir in Berlin ebenfalls diskutieren werden.
tageskommentar: Sie sprechen also nicht nur mit der Bundesregierung, sondern auch mit Betroffenen?
Prystawik: Aufgabe, auch der führenden NGOs ist und bleibt es, den persönlichen Kontakt zu von Diskriminierung Betroffenen zu suchen und zu pflegen. In Berlin [ ] haben wir die besondere Situation, daß Betroffene oft gleichzeitig Interessenvertreter sind – und das ist gut so. Ich denke da z.B. an führende jüdische Persönlichkeiten oder behinderte Bundestagsabgeordnete.
tageskommentar: Herr Dr. Prystawik, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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