Beim Presse kontaktieren und generell bei der Pressearbeit denken viele automatisch an Pressemitteilungen. Gerade PR-Neulinge glauben, dass es reicht 17-fach durchgedrechselte Pressetexte bratpfannenfertig an Redaktionen zu verschicken. Diese würden dann genauso gedruckt. Aus meiner 25-jährigen Erfahrung als Journalistin kann ich sagen: Pressemitteilungen sind ein nützliches Instrument, wenn Sie sich gut in Journalisten hineindenken und schreiben können. Aber das allein reicht meist nicht. Die bittere Wahrheit ist: Viele Pressemitteilungen erreichen Redakteure und freie Journalisten gar nicht. Das direkte Kontaktieren der Presse ist also oft ein Muss, wenn Sie in die Medien kommen wollen.
Presse kontaktieren: Was heißt das genau?

Damit das klappt, erläutere ich fünf Schritte, die Sie nicht sklavisch, aber doch grob einhalten sollten.
1. Schritt vor dem Presse kontaktieren: Zielmedien definieren
Bevor Sie Redaktionen nach dem Prinzip Zufall kontaktieren, denken Sie bitte nach: Welche Medien liest, sieht oder hört Ihre Zielgruppe?
Eine Veröffentlichung über Ihr Unternehmen in Süddeutsche, FAZ & Zeit oder in den öffentlich-rechtlichen Sendern ist zwar super fürs Image, aber mit diesem Anspruch würde ich als Neuling bei der Pressearbeit nicht starten.
Warum? Alle, alle, alle wollen genau in diese prestige-trächtigen Medien. Das macht es gerade für presse-unerfahrene Einsteigerinnen und Einsteiger schwer. Und schwer heißt: Sie verlieren vielleicht schnell die Motivation & Lust um weiter die Presse zu kontaktieren. Das wäre schade.
Zudem finde ich die genannten Medien zum Üben für das erste Mal problematisch. Wenn Sie hier unabsichtlich doofe Fehler machen und Sätze sagen wie: „Bitte unseren Firmennamen in Großbuchstaben schreiben.“, ist der Kontakt erst einmal verbrannt.
Daher mein Tipp:
Erste Erfolge motivieren Sie auch zum Weitermachen, denn eins ist klar: Die Ernte ihrer Arbeit werden Sie frühestens einige Monate nach dem Beginn Ihrer Pressearbeit einfahren. Zu allererst müssen Sie den Boden bereiten.
Die schicken Medien laufen Ihnen nicht weg.
2. Schritt vor dem Journalisten kontaktieren: Medien lesen und beobachten
Wenn Sie das erste Mal die Presse kontaktieren wollen, würde ich mich zunächst auf vier bis fünf Redaktionen und freie Journalisten beschränken. Diese vier bis fünf sollten exakt über die für Sie relevanten Themen schreiben. Sie bauen sich damit Ihren eigenen exklusiven Presseverteiler auf, den keiner außer Ihnen hat. Das ist Arbeit, aber Arbeit, die sich langfristig lohnt.
Als Wirtschaftsjournalistin werde ich oft gefragt: „Du bist doch BWLerin, die Wirtschaftskrise muss dich doch interessieren?“ Meine Antwort: „Wirtschaft ist ein großes Ressort. Meine Spezialgebiete liegen woanders, beispielsweise auf Porträts über kleine Unternehmen und Start-ups mit originellen Geschäftsmodellen oder eben kostengünstiger Geldanlage.“
Sie würden ja einem Sportredakteur, der regelmäßig über Fußball schreibt, vermutlich auch keine Geschichte zur rhythmischen Sportgymnastik anbieten?
Ich schreibe das hier so plakativ, weil es enorm wichtig ist: das Thema muss für den einzelnen Journalisten oder die einzelne Journalistin genau passen.
Doch wie finden Sie genau die Journalisten, die über Ihre Themen schreiben?
- Durch regelmäßiges Lesen: Wenn Sie ein Magazin oder eine Zeitung länger lesen, wissen Sie „die Müller schreibt immer über Geldanlage“ und „der Meier schreibt über die Autoindustrie“. Sobald Sie Treffer haben, bitte den Namen notieren und dann im nächsten Schritt einen Blick ins Impressum werfen.
- Recherche in Online-Archiven: In einige Medien, auch in Fachmagazinen, können Sie online gut recherchieren, wer über was schreibt. Dazu ist es auch nicht immer notwendig, stets den ganzen Artikel zu lesen bzw. zu kaufen, falls sich dieser hinter einer Paywall befindet.
- Jedes Medium muss ein Impressum enthalten. Allerdings enthalten Impressen oft nicht alle Redakteurinnen und Redakteure, sondern nur die Namen der Chefredaktion und Ressortleiterinnen, die verantwortlich im Sinne des Pressegesetzes sind (V. i. S. d. P.). Andere Medien-Impressen sind wiederum eine wahre Fundgrube, weil sie ausführliche Porträts mit Themengebieten und Mailkontakt aller Redakteure enthalten.
- Google-Alerts: Setzen Sie Alerts mit den entsprechenden Begriffen und Google benachrichtigt Sie automatisch. So finden Sie auch alle relevanten Journalisten, die als freie Autoren über Ihre Themen schreiben.
- Vergessen Sie freie Journalistinnen und Journalisten nicht. Ich würde sagen, die Hälfte aller Journalistinnen und Journalisten arbeiten mittlerweile als Freiberufler für mehrere Medien.
Der entscheidende Vorteil: freie Journalisten verwerten ihre Texte und Themen mehrfach. Das bedeutet für Sie mehr Fliegen mit einer Klappe zu schlagen = mehr Presse-Präsenz.
Auch die Denke, dass angestellte Redakteure besser seien als freie Journalisten ist falsch: Es gibt gerade bei freien Journalisten herausragende Spezialisten. Sie tauchen nur nicht im Impressum auf.
3. Schritt: Thema festlegen
Für Pressearbeits-Neulinge ist das wohl der Schritt, der sie am meisten herausfordert. Sie müssen ein für Journalisten relevantes Thema finden, welches eine Verbindung zu Ihnen selbst als möglicher Experte oder zu ihrem Unternehmen schafft.
Eines vorab: Neue Produkte interessieren Redaktionen nur in Ausnahmefällen. Produkt-PR à la „In der Nische der Messer bis 20 Zentimeter mit Holzgriff sind wir der Marktführer“ locken keinen Journalisten hinterm Ofen hervor.
Auch Spendengalas und Benefizaktionen allein, und möge der Zweck noch so unterstützenswert sein, sind für die Presse keine relevanten Themen. Es ist schlichtweg nicht der Job von Journalisten über Gutes tun zu schreiben, sondern über relevante Nachrichten und Hintergründe, die ihre Leserinnen und Leser interessieren.
Die Presse orientiert sich an Nachrichtenfaktoren wie räumliche Nähe, Prominenz oder Kurioses.
Es gibt zudem bestimmte Arten von Geschichten, ich nenne sie Storytelling-Muster, auf die Journalisten gerne seit Jahrzehnten anspringen – mich selbst inklusive. Wenn Ihre Geschichte in eins dieser Muster passt, nutzen Sie das unbedingt!
4. Schritt: Mailadresse der Journalisten recherchieren

Die Namen festangestellter Redakteure setzen sich in der Regel stets nach derselben Architektur zusammen z.B. vorname.nachname@medienname.de.
Sie müssen also nur den Namen des Journalisten kennen, dann kennen Sie seine Mailadresse. Freie Journalisten haben in der Regel eine eigene Website. Falls nicht, lässt sich die Mailadresse oft über Online-Verzeichnisse wie Torial oder Kress Köpfe herausfinden.
Den Versuch Mails mit Themenangeboten über Kontaktformulare oder an Mailadressen wie redaktion@ oder gar info@ zu schreiben, können Sie sich gleich sparen. Das ist verschwendete Lebenszeit. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Mail gelesen wird, geht gegen null.
5. Schritt: Mail formulieren
- Formulieren Sie eine spannende und möglichst kurze Betreffzeile. Verschwenden Sie die ersten Zeichen der Betreffzeile nicht mit Allgemeinplätzen wie „Presseinformation“, denn gerade diese ersten Zeichen sind wichtig. Häufig zeigen Mailprogramme nur einen ersten Ausschnitt aus der Betreffzeile an.
- Spannend heißt, dass der Journalist diese Zeile spannend finden soll, nicht Sie oder Ihr Chef. Wenn Sie also in diese Betreffzeile „Innovatives Cocktailgetränk gelauncht“ oder „Ski-Müller hat 1. Preis für Website gewonnen“ schreiben, wird kein Journalist diese Mail öffnen – außer um mit den Augen zu rollen.
- Sie sprechen den Journalisten in der Mail natürlich direkt mit Namen an. Denkbar wäre, dass Sie sich zum Einstieg auf einen vergangenen Artikel des Journalisten beziehen, falls dies zu Ihrem Thema passt. Dann merkt der Journalist sofort: ok, der oder die weiß, mit wem sie spricht. Das gibt virtuelle Pluspunkte.
- Sie haben dann maximal fünf bis acht Zeilen, um dem Journalisten oder der Journalistin Ihr Thema mit Nachrichtenwert bzw. mit Story-Potenzial zu verkaufen. Diese wenigen Zeilen müssen bei den lesenden Journalisten in wenigen Sekunden ein Klick im Kopf auslösen - sonst haben Sie keine Chance.
Presse kontaktieren heißt sich in Geduld üben
Ich werde häufig gefragt, warum Journalisten nicht antworten. Das sei doch wohl ein Gebot der Höflichkeit. Meine kurze Antwort dazu lautet: Journalistinnen und Journalisten stehen immer unter Zeitdruck.
Die lange Variante meiner Antwort lautet: Sie können sich vielleicht vorstellen, wie viel Zeit man pro Tag benötigt um zehn individuelle Themenangebote per Mail zu beantworten. Dazu kommt noch die Zeit für das Lesen & Löschen von 50, 100 oder mehr Pressemitteilungen – täglich.
Pressearbeit ist eben auch ein bisschen wie das Klinkenputzen eines Hausierers, der seine Bürsten verkaufen will. Sie haben unaufgefordert die Presse kontaktiert. Sie werden damit leben müssen, dass Ihnen nicht jeder Journalist die Tür öffnet. Das geht mir selbst als freie Journalistin bei der Kaltakquise in Redaktionen übrigens genauso.
Je spannender Ihr Thema ist bzw. klingt, desto höher ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass der Journalist anbeißt oder Ihnen zumindest ein Feedback gibt. Auch wenn das Thema nicht passt: Nehmen Sie das Feedback ernst und verbuchen Sie es als Erfahrung.
Jetzt könnten clevere Zeitgenossen auf die Idee kommen: Ich ruf‘ da einfach an. Davon rate ich aber ab. Sie stören möglicherweise den Journalisten beim Schreiben kurz vor Redaktionsschluss. Ich persönlich würde erst nach einem erfolgreichen Mailkontakt zum Telefon greifen. Das ist aber auch Geschmacks- und Talentsache. Wenn Sie der geborene Telefonierer sind: probieren Sie es aus.
Das Schöne am Presse kontaktieren ist: Wer es einmal verstanden hat, wird schneller. Am Ende investieren Sie vielleicht noch alle zwei Monate einen halben Tag in Ihre Pressearbeit und sind damit regelmäßig in den Medien präsent.
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