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Compliance: Haftungsrisiko Statusbeurteilung

23.12.201608:10 UhrPolitik, Recht & Gesellschaft

(openPR) Rechtsfolgen und Haftungsrisiken unternehmerseitiger Fehleinschätzungen zur Sozialversicherungspflicht oder bewusst in Kauf genommener Scheinselbständigkeit werden gerade in kleineren und mittleren Betrieben regelmäßig unterschätzt, obwohl der Themenkreis strafrechtliche und persönliche Haftungsfragen regelmäßig berührt.



Die wirtschaftlichen und persönlichen Konsequenzen einer Fehleinschätzung sind für die gesellschaftsrechtlich Verantwortlichen (insbesondere Geschäftsführer) erheblich, insbesondere wenn sich der vermeintlich selbständige Dienst- oder Werkleistungserbringer nach längerer Beschäftigungsdauer erst aufgrund einer turnusmäßigen oder anlassbezogenen Betriebsprüfung als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter entpuppt.


Nachentrichtungspflicht unter Ansatz der Nettolohnfiktion

In diesem Fall sind die gesamten Sozialversicherungsbeiträge, also auch der Arbeitnehmeranteil, vom Arbeitgeber nachzuentrichten, § 28 g SGB IV. Ein finanzieller Rückgriff auf den Arbeitnehmer ist bei unterlassener Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen indes nur über das Lohnabzugsverfahren möglich, und über den Zeitraum von 3 Monaten hinaus auch nur dann, wenn den Arbeitgeber bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts kein Verschulden traf. Ein Verschulden des Arbeitgebers wird in der Praxis jedoch regelmäßig bejaht, da der Arbeitgeber in Zweifelsfällen dazu verpflichtet ist, eine Klärung bei der Einzugsstelle bzw. ein sog. Statusfeststellungsverfahren durchzuführen, um – jedenfalls mit letzterem – den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beschäftigten verbindlich klären zu lassen. Unterlässt der Arbeitgeber die erforderliche Klärung, so trifft ihn regelmäßig auch die Beitragslast für die Arbeitnehmeranteile an der Sozialversicherung.

Deutlich empfindlicher als diese beinahe Verdoppelung der zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge trifft den Arbeitgeber jedoch die sog. „Nettolohnfiktion“ des § 14 Abs. 2 S. 2 SGB IV, die besagt, dass bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen, bei denen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt wurden, ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart gilt. Die Umrechnung in das für die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge relevante Bruttoarbeitsentgelt hat unter Ansatz der Lohnsteuerklasse IV zu erfolgen. Im Fall des vermeintlichen Dienstvertrages mit einer Vergütung von 2.500,- € (brutto bzw. zzgl. USt.) im Monat, errechnet sich demnach unter Anwendung der gesetzlichen Parameter ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 5.167,10 €. Im Falle der ordnungsgemäße Anmeldung des Arbeitnehmers mit einem vereinbarten Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.500,- € beläuft sich der Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen auf 486,88 €/Monat. Legt man den hochgerechneten Bruttoarbeitslohn in Höhe von 5.167,10 € zu Grunde belaufen sich demgegenüber die Gesamtsozialversicherungsbeiträge (inklusive des Arbeitnehmeranteils) auf monatlich 1.867,89 €. Der nachzuentrichtenden Beitragsschuld hinzu kommen ferner noch Säumniszuschläge in Höhe von 1% des rückständigen Sozialversicherungsbeitrages pro Monat.


Strafrechtliche Relevanz

Der im Beispielsfall ermittelte Nachzahlungsbetrag definiert allerdings nicht nur die nachzuentrichtende Beitragslast des Arbeitgebers, er dient auch der Bewertung des Schadens im Strafprozess gegen den Arbeitgeber bzw. den Verantwortlichen (regelmäßig die Geschäftsführer) wegen des Verstoßes gegen § 266a StGB. Je nach Umfang der hinterzogenen Beträge drohen den Betroffenen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren.


Persönliche Haftung

Der Verantwortliche haftet der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge persönlich für die Beitragsschuld. Dieser Aspekt wird jedenfalls dann relevant, wenn der Arbeitgeber insolvent wird. Dann nämlich kommt ein wirtschaftlicher Rückgriff der Einzugsstelle auf den Verantwortlichen aufgrund seiner persönlichen Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB in Betracht. Zu beachten ist hierbei für den in Anspruch genommenen Verantwortlichen, dass derartige Verbindlichkeiten bei ihrer Qualifikation als vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung von der Restschuldbefreiung im Insolvenzverfahren ausgenommen sind, mithin auch nach Abschluss eines Privatinsolvenzverfahrens weiterhin gefordert werden können. Dass die nachzuentrichtende Beitragsschuld selbst zum Insolvenzgrund für das Unternehmen werden kann, verdeutlicht sich an dem vorstehenden Beispielsfall. Nachträglich abzuführende Sozialversicherungsbeiträge können sich bei mehreren Arbeitnehmern aber auch allein durch Zeitablauf schnell auf sechsstellige Beträge summieren, sodass bereits dies schon zum Insolvenzgrund für das Unternehmen und die persönlich Haftenden werden kann.


Statusbewertung als Compliance-Aufgabe

Auch bei größeren Unternehmen erweist sich die sozialversicherungsrechtliche Statusbewertung als Kernaufgabe des Unternehmers bzw. der gesellschaftsrechtlich Verantwortlichen. Besondere Bedeutung dürfte insoweit dem Urteil des LG München I vom 10.12.2013 gegen einen früheren Siemens-Vorstand zukommen. Im Rahmen dieses Urteils stellte das Gericht fest, dass das Unterlassen der Schaffung einer Compliance-Organisation, welche auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegt ist, eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung des gesellschaftsrechtlich Verantwortlichen führen kann. Im vom LG München I entschiedenen Fall wurde der frühere Siemens-Vorstand zu einer Schadensersatzzahlung an das Unternehmen in Höhe von 15 Mio. € verurteilt. Die Rechtsprechung dürfte ohne weiteres auf das Unterlassen der Errichtung einer Compliance-Struktur übertragbar sein, welche der Vermeidung von statusrechtlichen Fehlbeurteilungen zu Lasten der Sozialkassen dienen soll.

Freilich ist bei der Entscheidung, welchen Umfang die Compliance-Struktur im Unternehmen einnehmen sollte, keine generelle Strukturvorgabe möglich und sinnvoll. Entscheidend für den Umfang im Einzelnen, so das Landgericht München I, sind „Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachtenden Vorschriften, die geografische Präsenz wie auch Verdachtsfälle aus der Vergangenheit“.
Die Verantwortlichen im Unternehmen tun gut daran, die einschlägigen Normen zu kennen und die Rechtsentwicklung zu verfolgen. Regelmäßige Mitarbeiterinformationen, insbesondere bei Änderungen der Rechtslage, sowie die regelmäßig Prüfung und Kontrolle der tatsächlichen Gegebenheiten im Unternehmen, maßgeblich also der Frage, inwieweit eine persönliche Abhängigkeit der Beschäftigten durch Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht besteht, ist für eine statusbezogene Compliance-Struktur auch in kleinsten Unternehmen unerlässlich. Flankierende Maßnahmen, wie die Gestaltung risikoarmer Musterverträge und Checklisten zur Prüfung der Statusfrage sowie die Implementierung eines Systems, das Zuständigkeit, Vorgehen, Dokumentation und Kontrolle der mit der Prüfung beauftragten Mitarbeiter definiert, dienen darüber hinaus zur Etablierung eines funktionierenden Compliance-Systems, auch in kleinsten Unternehmen.

Für Fragen zu diesem Thema sowie für Erfahrungs- und Informationsaustausch stehen wir Interessierten und Betroffenen gerne zur Verfügung.

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