(openPR) Das Geschachere um das Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada ist vorläufig zuende. Vor allem für die Karriereplanung von SPD-Chef Sigmar Gabriel war das ein wichtiges Etappenziel. Ob das Abkommen tatsächlich einmal in Kraft treten wird, bleibt aber weiter offen. Es gibt für kenntnisreiche Menschen, die das Inkrafttreten von Ceta mitbestimmen dürfen, gute Gründe, alles abzulehnen, was die Souveränität der Europäer und ihre hohen Standards im Verbraucherschutz kommerziellen Begehrlichkeiten opfern würde.
Das geplante Handelsabkommen mit den USA, TTIP, dürfte zunächst ganz erledigt sein. Es war ein Versuch der us-amerikanischen polit-ökonomischen Herrscherclique, die Europäer zu kolonisieren, ihre Souveränität den Profitinteressen der US-Großkonzerne zu unterwerfen. Hinterzimmergerichte mit üppig bezahlten Anwälten sollten im Streitfall „Recht“ sprechen. Daß europäische und auch deutsche Politiker, die sich doch dem Allgemeinwohl verpflichtet fühlen sollten und dafür von der Bevölkerung sehr gut versorgt werden, sich solchem Ansinnen überhaupt hergeben, und Wirtschaftsvertreter mit gewaltigen Sprechblasen geradezu für ein solches Abkommen trommeln, muß alle der politökonomischen Herrscherclique fernstehenden Mitbürgerinnen und Mitbürger sehr, sehr nachdenklich stimmen.
Was haben sie davon? Was haben vor allem die 20 Prozent Ärmsten der Europäer davon? Und auch nicht unwichtig: Gilt die Preisgabe von staatlichen Souveränitätsrechten an fremde Mächte nicht als Hochverrat?
Wir brauchen keine Bevormundung durch die Amerikaner, wir brauchen keine privaten Hinterzimmergerichte und wir brauchen keine Einmischung privater Wirtschaftsunternehmen in unsere Gesetzgebung. Wir wollen keine Kolonie der us-amerikanischen Großindustrie werden; wir wollen selbst bestimmen, wie wir unseren Lebensraum und unsere Lebenswelt gestalten.
Gut, daß es genug wachsame Mitbürgerinnen und Mitbürger gibt, die sich nicht einlullen lassen, wenn es zum Beispiel in einer Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) heißt, TTIP bringe "ein wirtschaftliches Plus für die EU von 119 Milliarden Euro pro Jahr, für die USA von 95 Milliarden. Übersetzt bedeutet das ein zusätzliches, frei verfügbares Einkommen von 545 Euro für eine vierköpfige Familie in der EU und von 655 für eine entsprechende US-Familie. Das ist nichts anderes als reine Augenwischerei. Denn abgesehen davon, daß solche Berechnungen gründlich analysiert werden müssen, um möglich Irrtümer, Fehler und fragwürdige Annahmen der Autoren zu erkennen, muß man sich fragen, wie der angenommene Vorteil für die EU in Höhe von 119 Milliarden Euro tatsächlich in der Bevölkerung verteilt wird. Unter den gegebenen Umständen müssen wir davon ausgehen, daß die Ärmsten 20 Prozent der Deutschen, die das Geld am besten gebrauchen könnten, wahrscheinlich gar nichts davon hätten.
Auch andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, daß ein umfassendes Freihandelsabkommen die realen Pro-Kopf-Einkommen (gemessen durch das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) in den beteiligten Ländern langfristig erhöhen würde. Da werden dann andere Zahlen genannt, die mit genauso seriösen Mitteln und Methoden erzeugt wurden, zum Beispiel 13-14 Prozent Steigerung für die USA. Für die Länder der EU soll der Ertrag aber nur zwischen 2,6 und 9,7 Prozent liegen, wobei – wie oben gesagt – die ohnehin schon Reichen sehr viel mehr als die Armen profitieren würden.
Und dafür sollen die Europäer Souveränitätsrechte an die Amerikaner abtreten?
„Prognosen sind in wissenschaftliche Methoden verkleidete Phantasien“, meint Prof. Querulix. Solche Prognosen verleiten unter Umständen unbedarfte Mitbürgerinnen und Mitbürgern zur Zustimmung zu politischen Aktivitäten, durch die sie benachteiligt werden. Wer die Methodik nicht zu erfassen vermag, mit der Prognosen angefertigt wurden, kann sie ebenso wenig als seriöse Entscheidungshilfen nutzen wie die Glaskugel einer Wahrsagerin. Sie sind nämlich im günstigsten Fall mit erheblicher Unsicherheit behaftet, im ungünstigsten geeignet, vollkommen falsche Vorstellungen zu wecken.
Wir Deutsche haben TTIP so wie es sich die US-Amerikaner wünschen wirklich nicht nur nicht nötig, sondern würden uns damit erheblich schaden. Die große Mehrheit der Deutschen müßte erhebliche Nachteile beim vorsorglichen Gesundheits- und Verbraucherschutz in Kauf nehmen und das Parlament müßte die Amerikaner fragen, ob sie bestimmte Gesetze in Fortschreibung dieser Errungenschaften überhaupt noch beschließen dürfen, ohne damit milliardenteure Prozesse zu riskieren. Und das alles nur, damit eine winzige Minderheit auf dieser und jener Seite des Atlantiks sich die Taschen noch voller stopfen könnte!
Nein danke! Ein „Handels“-Abkommen wie TTIP, das uns Europäer zu einer Kolonie des us-amerikanischen Großkapitals machen würde, sollten nicht nur wir Deutsche uns ersparen, sondern alle Europäer.
Prof. Querulix beobachtet und kommentiert seit vielen Jahren das fragwürdige Treiben und die Verirrungen des Menschentiers. Seine Kommentare sind in bisher sechs Bänden der Serie „Tacheles“ gesammelt erschienen. Ein siebter Band ist für Ende des Jahres geplant. Die eBooks im Umfang zwischen ca. 180 und 280 Seiten kosten je 9,95 Euro. Der jüngste Band trägt den Titel „Menschenwelt im Umbruch“ (ISBN 978-3-943788-42-6). Alle Bände sind im eVerlag READ – Rüdenauer Edition Autor Digital (www.read.ruedenauer.de) erschienen und dort sowie in allen gut sortierten (Internet-)Buchhandlungen erhältlich.
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