(openPR) Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 30.06.2015 entschieden, dass der Rechteinhaber in Klagen wegen illegalem Filesharing konkret darlegen muss, dass die Ermittlungen der IP-Adressdaten richtig war. Hierfür muss er so detailiert wie möglich vortragen, insbesondere konkrete Angaben zur Ermittlungssoftware, ihrer Zuverlässigkeit und regelmäßigen Wartung und Qualitätssicherung und zur Arbeitsweise der mit der Überprügung beauftragten Mitarbeiter machen.
Das Urteil bezog sich auf einen Rechteinhaber, der die Guardaley Ltd. mit der Ermittlung der IP-Adressen beauftragt hat. Das Urteil ist überaus interessant (und für die Prozessbevollmächtigten des Rechteinhabers desaströs).
Nachstehend einschlägige Auszüge aus dem Urteil:
"Die von der Beklagten in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz für die Ermittlung und Erstattung der Abmahnkosten setzen (...) voraus, dass das streitgegenständliche Filmwerk zu dem angeblichen Tatzeitpunkt im Wege des Filesharings tatsächlich über den Internetanschluss des Klägers zum Download angeboten wurde. Dies darzulegen und zu beweisen obliegt nach den allgemeinen Grundsätzen, die durch das Vorgehen im Wege der negativen Feststellungsklage nicht verändert werden, der Beklagten.
Das betrifft zunächst die Ermittlung der IP-Adresse durch die Guardaley Ltd. Erst wenn feststeht, dass die IP-Adresse richtig ermittelt wurde, kommt es im nächsten Schritt auf die richtige Zuordnung zu einem Internetanschluss im Auskunftsverfahren an, was ebenfalls von der Beklagten darzulegen und zu beweisen ist.
Der Vortrag der Beklagten zu diesen Punkten ist substanzlos und damit unzureichend. Die Beklagte beschränkt ihren Vortrag auf eine allgemeine Darlegung, die wie ein Textbaustein für beliebige Filesharing-Ermittlungen verwendbar ist, die relevanten Umstände des Einzelfalls aber offen lässt. Ihr Vortrag ist so allgemein gehalten, dass dem Kläger kein konkreter Anhaltspunkt für eigene Feststellungen oder ein konkretes Bestreiten gegeben wird. (...)
Die Beklagte hat nur vorgetragen, dass für die Ermittlungen irgendeine Software eingesetzt wird, nicht aber, welche Software (Herkunft, Name, Version). Die Beklagte hat nur pauschal behauptet, diese Software arbeite zuverlässig und fehlerfrei, nicht aber, wie das festgestellt worden ist.
Die Beklagte hat offen gelassen, ob es etwa ein belastbares Gutachten zur Funktionsweise und Zuverlässigkeit der verwendeten Software gibt und ob dieses Gutachten für die eingesetzte Softwareversion und den vorgefundenen P2P-Klient einschlägig ist.
Wäre davon erst einmal auszugehen, bedürfte es ferner eines Nachweises einer regelmäßigen Kontrolle und Qualitätssicherung der eingesetzten Software (...).
Insoweit beschränkt sich der Vortrag der Beklagten darauf, ein von der Guardaley Ltd. beauftragter Systemadministrator überprüfe die Software regelmäßig. Ob es sich dabei um einen externen oder internen Administrator handelt, was diesen für solche Kontrollen qualifiziert und wann zuletzt vor der Ermittlung eine Prüfung stattgefunden hat, ist offen geblieben. Zur Arbeitsweise der Software, insbesondere ob diese automatisiert arbeitet oder an welchen Stellen der Ermittlung ein Mitarbeiter der Guardaley Ltd. tätig wird und was er dabei macht (manuelle Schritte?).
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, welcher Mitarbeiter (Name) hier die Ermittlungen geführt haben soll und was diesen dazu qualifiziert (...).
Die Beklagte hat ferner nicht dargetan, in welchen konkreten Zeitabständen („regelmäßig") und anhand welcher „Quellen" die Zeitsynchronisation gewährleistet wird und wann dies zum letzten Mal vor der streitgegenständlichen Ermittlung geschah.
Die Beklagte hat nicht dargetan, welche konkreten Hashwerte sie für das streitgegenständliche Filmwerk als „Vorlage" für ihre Ermittlungsvorgänge festgestellt hat.
Festzustellen ist, dass ihre Ermittlungsliste für die angeblichen Filesharingfälle diverse Hashwerte enthält. Ein Abgleich, ob der dem Kläger zugeordnete Hashwert mit denjenigen, die zur ermittelt worden sein sollen, tatsächlich übereinstimmt, ist so nicht möglich. Vielmehr kann sich der Vortrag der Beklagten gleichermaßen auf jeden beliebigen Hashwert, der nur in ihrer Ergebnisliste auftaucht, beziehen. (...)
Die Beklagte kann sich in dieser Situation nicht auf eine Vermutung, ihre Ermittlungen im vorliegenden Fall müssten in Ansehung weiterer zum Kläger führender Ermittlungen richtig sein, berufen. (...)
Den Beweisangeboten der Beklagten zu den Ermittlungen durch die Guardaley Ltd. war nicht nachzugehen. Ein Zeuge soll einen substantiierten Sachvortrag bestätigen, nicht aber erstmals herstellen. Sollten der Guardaley Ltd. nähere Einzelheiten zu dem konkreten Vorgang bekannt sein, wäre es Sache der Beklagten gewesen, diese schriftsätzlich im Einzelnen vorzutragen. (...)
Der Beweisantritt der Beklagten liefe jedoch auf eine prozessual unzulässige Ausforschung hinaus. Es geht gerade nicht an, die Darlegung der Ermittlung auf eine allgemeine Darstellung ohne konkrete Anhaltspunkte und einen substanziellen Fallbezug zu beschränken und die Ausfüllung für den streitigen Einzelfall dann einem Zeugen zu überlassen.
Dasselbe gilt entsprechend für einen Beweis durch Sachverständigengutachten. Die Beklagte hat schon nicht dar getan, welche konkrete Software verwendet worden sein und woraus sich deren Eignung und Zuverlässigkeit ergeben soll. Dass der Geschäftsführer des Ermittlungsunternehmens die von ihm eingesetzte Software als geeignet und zuverlässig ansieht, liegt auf der Hand, führt aber nicht weiter.
Es wäre auch nicht die Aufgabe des Sachverständigen erst zu ermitteln, welche konkrete Software die Guardaley Ltd. am streitgegenständlichen Stichtag verwendet hat.
Der negativen Feststellungsklage war damit stattzugeben (...)."
LG Berlin, Urteil vom 30.06.2015, Az.: 15 0 558/14