(openPR) Mit der Frage, in wieweit eine englische Limited in Deutschland verklagt werden kann, haben sich zwischenzeitlich viele Gerichte beschäftigt, zum Teil jedoch mit höchst unterschiedlichen Auffassungen. Dennoch hat sich hier eine Tendenz herauskristallisiert.
Hier eine Zusammenfassung:
Zunächst gilt, dass der allgemeine Gerichtsstand einer Limited gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. V. m. Art. 60 Abs. 1 b EuGVVO der Ort der Hauptverwaltung ist. Hat die Limited also ihren Hauptsitz in Deutschland, ist diese ohne Zweifel in Deutschland verklagbar.
Ist die Limited jedoch auch in Großbritannien tätig, kommt in Deutschland auch der Gerichtsstand der Niederlassung gemäß § 21 ZPO in Betracht.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es für die Beurteilung des Gerichtsstandes in Deutschland ebenfalls nicht darauf ankommt, ob eine Zweigniederlassung der Limited im Handelsregister eingetragen ist oder nicht, sondern darauf, ob eine Zweigniederlassung im Rechtssinne besteht, d.h. aus Deutschland heraus ein eigenständiger Betrieb tätig ist.
Der Bundesgerichtshof entschied hierzu, dass auch ein Unternehmen mit Firmensitz im Ausland auch in Deutschland verklagt werden kann, wenn der bloße Anschein einer unselbstständigen Zweigniederlassung in Deutschland besteht (Az.: III ZR 315/06).
Zustellungen können an die Geschäftsanschrift der Zweigniederlassung erfolgen, auch wenn diese nicht im Handelsregister eingetragen ist. Die Limited kann dann also in Deutschland verklagt werden.
Hat die Limited in Deutschland jedoch keinerlei Zweigniederlassung und auch keinen eigenständigen Betrieb, gestaltet sich die Sachlage erheblich schwieriger:
In der Praxis besteht das Problem für den Kläger nämlich darin, dass Klagen dann in der Regel am Sitz des Unternehmens, mithin in Großbritannien, einzureichen sind, wenn die Limited keine Zweigniederlassung oder einen eigenständigen Betrieb in Deutschland unterhält. Dann macht die Durchsetzung von Forderungen gegen eine Limited aufgrund des unterschiedlichen Prozessrechts sowie der zusätzlichen Anwaltsgebühren eines Korrespondenzanwalts und natürlich auch aufgrund des geringen Haftungskapitals kostenmäßig häufig wenig Sinn.
Neben dem bereits o.ä. BGH Urteil wurden hierzu verschiedene, zuweilen höchste unterschiedliche Entscheidungen einiger Gerichte in der Vergangenheit gefasst.
So entschied das Hanseatischen OLG (Beschluss vom 06.09.2005, 5 W 71/05):
Wenn eine Limited in Deutschland tätig ist, kann man sie dort verklagen, wo Mitarbeiter für sie tätig sind und unter ihrem Namen auftreten. Im entschiedenen Fall hatte sich das Gericht nicht dafür interessiert, ob tatsächlich ein Geschäftslokal existiert. Es hatte ihm genügt, dass ein Mitarbeiter der Limited unter einer bestimmten Adresse eine Domain der Limited angemeldet hatte. Diese Adresse war bei der DENIC als Geschäftsadresse der Limited angegeben. Das OLG hat zugelassen, dass die Limited unter dieser Adresse verklagt werden konnte.
Das OLG Hamm entschied mit Beschluss vom 27.12.05 (32 Sbd 71/05, Abruf-Nr. 073661), dass es unerheblich sei, dass die Limited als Antragsgegner, der seinen Sitz im Ausland habe, auch eine Niederlassung in der Bundesrepublik Deutschland habe. Dies begründe nämlich gemäß § 21 ZPO lediglich einen – neben dem allgemeinen Gerichtsstand – bestehenden besonderen Gerichtsstand. In einem solchen Fall verdränge § 703d ZPO den § 689 Abs. 2 ZPO.
Die Folge dieser Entscheidung ist also, dass die ausländische Gesellschaft als Antragsgegner ohne inländischen allgemeinen Gerichtsstand behandelt würde und damit jedoch die besonderen Prüfungen und Voraussetzungen des § 703d ZPO erfüllt sein müssten.
Dem entspricht eine auch weitere Entscheidung des OLG Hamm vom 27.7.07 (32 Sbd 55/07, Abruf-Nr. 073662), wonach die Zuständigkeit sich nach § 703d ZPO und nicht nach § 689 Abs. 2 ZPO richte, wenn die Antragsgegnerin im Inland keinen allgemeinen Gerichtsstand habe.
Ähnlich entschied auch das OLG Frankfurt (5.12.05, 21 AR 93/05, Abruf-Nr. 073663). Es hat dabei zusätzlich betont, dass für die Annahme einer Niederlassung i.S.d. § 21 ZPO bzw. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO eine Eintragung im Handelsregister nicht erforderlich sei. Ein Antragsgegner, dessen eingetragener Sitz und somit allgemeiner Gerichtsstand (§ 17 ZPO; Art. 2, 3, 60 EuGVVO) in England liege, habe demnach einen besonderen Gerichtsstand im Inland. Damit lägen die Voraussetzungen des § 703d ZPO vor, wonach für das Mahnverfahren bei einem Antragsgegner, dem ein besonderer oder durch wirksame Gerichtsstandsvereinbarung begründeter Gerichtsstand gegeben ist, das AG für das Mahnverfahren örtlich zuständig ist, das für das streitige Verfahren örtlich zuständig sein würde.
Art. 60 EuGVVO regelt jedoch, dass Gesellschaften und juristische Personen ihren (Wohn-)Sitz an dem Ort haben, an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz, ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung befindet. Nach Art. 2 EuGVVO sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats der EU haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen. Daher wird hier ein Gerichtsstand kreiert, der auch von so wertenden Faktoren wie der „Hauptverwaltung“ oder der „Hauptniederlassung“ abhängig sein kann.
Hiervon ging auch das OLG Celle in einem Beschluss vom 20.10.06 (4 AR 78/06, Abruf-Nr. 073829) aus. Eine nach englischem Recht gegründete Limited habe nur einen allgemeinen Gerichtsstand im Inland, wenn sie entweder ihren satzungsgemäßen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland habe. Dabei könne nicht unterstellt werden, dass eine Auslandsgesellschaft, die überwiegend oder vollständig im Inland ihre Geschäfte betreibt, automatisch ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Inland habe. Vielmehr sei nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (BayObLG NJW-RR 06, 206; OLG Celle 9.10.06, 4 AR 67/06) im Einzelfall zu prüfen, ob sich tatsächlich an dem im Handelsregister eingetragenen Sitz der Zweigniederlassung auch die Hauptniederlassung der Limited befinde.
In der Entscheidung des OLG Celle wird die Frage des allgemeinen Gerichtsstands einer Limited also nicht so eindeutig beantwortet, wie bei den OLG Frankfurt und Hamm. Sie besagt vielmehr, dass eine detaillierte Einzelfallprüfung und -begründung bei einer eigentlich ausländischen Gesellschaft – zumindest, wenn eine Eintragung einer Zweigniederlassung in einem deutschen Register erfolgt ist – zu einem inländischen allgemeinen Gerichtsstand führen kann. Hiernach wäre dann nicht mehr die Zuständigkeit des § 703d zu prüfen, sondern die Regelzuständigkeit des § 689 Abs. 2, S. 1 ZPO gegeben.
Was ist nun die Antwort?
Wenn es sich um bei der Limited um eine Gesellschaft handelt, die – trotz ausländischer Firmengründung und Registereintragung – faktisch ihren (Verwaltungs-)Sitz im Inland hat, gehen Urteile des BGH (NJW 91, 110), das OLG Hamm und Frankfurt (s.o.) sowie das AG Hagen (s.o.) von der Anwendbarkeit der Auslands-Spezialvorschriften aus (§ 703d Abs. 2 ZPO) aus und bejahen die Möglichkeit der Klage in Deutschland. Das OLG Celle und das KG Berlin verlangen dagegen eine eingehendere Prüfung hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten einer inländischen Hauptverwaltung oder sogar Hauptniederlassung, da sie dann ggf. aus den Art. 2 und 60 EuGVVO einen allgemeinen Gerichtsstand herleiten.
Diese uneinheitliche Rechtsprechung und die unterschiedlichen Anforderungen an die Einzelfall-Ermittlungen führen im Extremfall zu einem Verweisungsmarathon, der demnach nur durch ein Gerichtsstandsbestimmungsverfahren gelöst werden könnte.
Tendenziell kann man die vorhandene Rechtsprechung wohl insoweit interpretieren, dass – zumindest bei den ausländischen europäischen Gesellschaften, die, abgesehen von der ausländischen Firmengründung, rein inländisch tätig sind – von einem faktischen Niederlassungssitz im Inland i.S.d. Art. 60 EuGVVO und damit auch von einem „inländischen“ allgemeinen Gerichtsstand und von der sich daraus folgerichtig ergebenden inländischen Regelzuständigkeit im gerichtlichen Mahnverfahren auszugehen ist.
Eine wesentliche Schlüsselfrage lautet nach heutigem Stand deshalb auch:
Hat das ausländische Unternehmen eine faktische Niederlassung in Deutschland?
In seinem Beschluss vom 27.6.07 (XII ZB 114/06, Abruf-Nr. 072691), der sich eigentlich mit einem anderen Thema (Anwendbarkeit von § 119 GVG) beschäftigt, bestätigte der BGH diese Auffassung und lieferte Anhaltspunkte zur Beantwortung dieser Frage: Danach ist die Hauptverwaltung der Ort, an dem die Willensbildung und die eigentliche unternehmerische Leitung der Gesellschaft erfolgt. Kriterien hierfür dürften sein:
•Führt die Gesellschaft ihre Geschäfte ausschließlich und unmittelbar in Deutschland?
•Werden unternehmerische Entscheidungen in Deutschland getroffen?
•Erfolgt die Geschäftsführung nicht ausschliesslich vom Ausland aus , sondern wird sie „unmittelbar“ in Deutschland vorgenommen?
•Ist der gesetzliche Vertreter in Deutschland ansässig oder hat er dort einen Haupt- oder Nebenwohnsitz?










