(openPR) Bekanntlich sind seit dem 1.1.2007 die ersten 20 Entfernungskilometer der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht mehr als Werbungskosten absetzbar. Nur zwei Monate nach Wirksamwerden der neuen Regelung lagen bereits zwei Urteile der Finanzgerichte Niedersachsen und Saarland vor, die die Beschneidung der Entfernungspauschale für verfassungswidrig hielten (Niedersächsisches FG vom 27.2.2007, EFG 2007 S. 690, und FG Saarland vom 22.3.2007, EFG 2007 S. 853). Zur endgültigen Klärung haben beide Gerichte die Sache an das Bundesverfassungsgericht weitergereicht (Aktenzeichen: 2 BvL 1/07 und 2 BvL 2/07).
Jetzt hat aktuell auch der Bundesfinanzhof die Beschneidung der Entfernungspauschale für verfassungswidrig befunden und seine Entscheidung sehr sorgfältig und ausführlich auf 41 Seiten begründet (BFH-Beschlüsse vom 10.1.2008, VI R 17/07 und VI R 27/07). Und auch der BFH hat die Sache zur endgültigen Klärung dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.
Was bedeutet das o.g. Urteil des Bundesfinanzhofs für Sie? Die Entscheidung ist erfreulich, bringt aber bis zur endgültigen Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht immer noch keine Rechtssicherheit. Daher sollten Sie vorerst Folgendes beachten:
1. Steuererklärung 2007:
- Für die anstehende Steuererklärung 2007 empfehlen wir Ihnen, Ihre Fahrten zur Arbeit mit der vollen Entfernung in die "Anlage N" einzutragen. Das Finanzamt wird dann zwar die ersten 20 Entfernungskilometer nicht berücksichtigen, doch im Steuerbescheid einen Vorläufigkeitsvermerk nach § 165 AO aufnehmen. Damit bleibt der Bescheid in diesem Punkt "offen". Falls das Bundesverfassungsgericht die Beschneidung der Entfernungspauschale ebenfalls für verfassungswidrig halten sollte, bekommen Sie nachträglich eine Steuererstattung für die ersten 20 Kilometer (BMF-Schreiben vom 4.10.2007, BStBl. 2007 I S. 722).
- Sofern Sie sich auf der Lohnsteuerkarte 2007 einen Lohnsteuerfreibetrag haben eintragen lassen, wird der Fiskus die zu wenig erhobenen Steuern mit dem Steuerbescheid ausgleichen und entsprechend Steuern für die ersten 20 km nachfordern. Im Allgemeinen fällt deshalb die Steuererstattung geringer aus.
- Sie können - wegen Nichtberücksichtigung der ersten 20 km - gegen den Steuerbescheid Einspruch einlegen und gleichzeitig "Aussetzung der Vollziehung" beantragen. Dann bekommen Sie eine Steuererstattung für die ersten 20 Kilometer. Sollte dann aber die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht wie erwartet zu Ihren Gunsten ausfallen, wird das Finanzamt die Steuern zurückfordern und obendrein sog. Aussetzungszinsen von 0,5 % pro Monat verlangen.
2. Lohnsteuerkarte 2008:
- Sie können sich auf der Lohnsteuerkarte 2008 - wie auch schon auf der Lohnsteuerkarte 2007 - für die ersten 20 Entfernungskilometer einen Lohnsteuerfreibetrag eintragen lassen. Erforderlich dafür ist, dass die voraussichtlichen Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen insgesamt mehr als 600 EUR betragen, wobei Werbungskosten nur mit dem 920 EUR übersteigenden Betrag erfasst werden. Wenn Sie mit diesem Begehren zum Finanzamt kommen, soll der Finanzbeamte dies erstmal mündlich ablehnen. Anschließend nimmt er Ihren Einspruch und Antrag auf "Aussetzung der Vollziehung" schriftlich auf und trägt den Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte ein. Falls Sie den Antrag schriftlich stellen, wird ein Einspruch unterstellt und der Freibetrag eingetragen (OFD Münster vom 11.10.2007, Kurzinfo Nr. 20/2007).
STEUERRAT:
Sollte das Bundesverfassungsgericht die Beschneidung der Entfernungspauschale für rechtens erachten, wird das Finanzamt die Steuern auf die ersten 20 Kilometer nachfordern - zuzüglich Aussetzungszinsen von 0,5 % pro Monat. Und das im Wahljahr 2009!! Dies ist nicht wählerwirksam für die Bundesregierung und auch nicht gut für die betroffenen Arbeitnehmer. Arbeitnehmer sollten daher prüfen, ob sie wirklich jetzt schon die Steuerersparnis haben wollen oder ob sie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abwarten und - bei positivem Ausgang - dann automatisch eine schöne Steuererstattung bekommen.
Das Urteil des Bundesfinanzhofs ist eine schallende Ohrfeige für Finanzminister Steinbrück, der die Idee mit dem "Werkstorprinzip" hatte und alles fein ausgeheckt hat. Die Entfernungspauschale - die übrigens den kleinen Mann entlasten soll - scheint ohnehin ein Dorn im Auge von SPD-Finanzministern zu sein, denn der Steinbrück-Vorgänger Eichel wollte die Entfernungspauschale 2004 ganz abschaffen, was damals am Widerstand des CDU-dominierten Bundesrates scheiterte. Trotz der fundierten Argumente des Bundesfinanzhofs igelt sich Finanzminister Steinbrück ein und mauert, "die Gründe des BFH seien nicht überzeugend". Schlimmer noch: Er droht sogar, "niemand sollte frühzeitig triumphieren". Am Ende werde die Entfernungspauschale gar ganz gestrichen oder für alle gekürzt. Angesichts kräftig gestiegener Spritpreise - einschließlich hoher Ökosteuer - sowie der zusätzlichen Belastung mit der erhöhten Mehrwertsteuer von 19 % sollte u.E. die Entfernungspauschale auf mindestens 40 Cent je Entfernungskilometer angehoben werden - wie es sie bereits in den Jahren 2001 bis 2003 gab, als die Spritpreise längst nicht so hoch wie heute waren! Immerhin haben 7,9 Mio. Arbeitnehmer eine Fahrtstrecke zur Arbeitsstelle von mehr als 20 km und 8,1 Mio. Arbeitnehmer eine Entfernung bis zu 20 km.
HINWEIS:
Bei dem Streit um die Entfernungspauschale geht es für die Berufstätigen um die Frage, ob ihre Arbeit erst am Werkstor beginnt oder der Arbeitsweg auch schon dazu gehört. Für den Finanzminister geht es um 2,5 Milliarden Euro. Angesichts der üppigen Steuermehreinnahmen von mindestens 20 Mrd. Euro pro Jahr ist dies sehr wenig. Jedenfalls hängt die erwünschte Sanierung des Staatshaushalts gewiss nicht von diesem Betrag ab. Außerdem stellt der BFH klipp und klar fest: "Die Haushaltskonsolidierung rechtfertigt die Sonderbelastung der Pendler nicht" (BFH-Beschluss vom 10.1.2008, VI R 17/07).
Alle Infos zur Entfernungspauschale und noch viel, viel mehr finden Sie im Internetportal Steuerrat24 in der Rubrik "Berufliche Fahrten".