(openPR) Allein die Tenorierung auf manchen Webseiten nach dem Motto „Sterbehilfe – Vom Recht zur Pflicht zum Sterben?“ könnte den Eindruck erwecken, als dass in unserer säkularen Gesellschaft die Befürworter einer Sterbehilfe, basierend freilich auf einer nachvollziehbaren Patientenverfügung, gleichsam die Vorstellung hegen, dass der Patient verpflichtet sei, zu Sterben. Dies ist mitnichten so, denn nach wie vor ist das „Leben“ und der damit verbundene Schutz ein hochrangiges Rechtsgut, so dass es verfassungsrechtlich ausgeschlossen ist, dass jemand zum „Sterben“ verpflichtet werden kann. Dies fordern gerade nicht (!) die Befürworter der Sterbehilfe.
Unabhängig von dieser verfassungsrechtlichen Selbstverständlichkeit geht es vielmehr darum, dass Selbstbestimmungsrecht des Patienten zu wahren und nicht – wie es vielfach den Anschein in der Debatte hat – um die Revitalisierung wertkonservativer Ansichten und Meinungen. Aus der Verfassung ergeben sich hierzu eindeutige Grenzen, so dass auch ein etwaiges christliches Menschenbild nur ein Menschenbild unter vielen ist, dass in dem Diskurs nicht vorgegeben ist. Es bleibt dem Einzelnen überlassen, seine Regie für seinen eigenen Tod zu führen und die gesamte Debatte um die Sterbehilfe leidet zunehmend daran, dass die Individualität des Sterbens verlustig geht. Toleranz ist gefordert und keine Moralpredigten durch Ethiker, Theologen oder sonstiger Normexergerten.
Aufklärung ist das Gebot der Stunde, bevor sich höchst fragwürdige Interpretationen über den Grund und die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts des Patienten (und der Ärzte) in den Köpfen der Bürgerinnen und Bürger einschleichen. Das gebetsmühlenartige Wehklagen über den egozentrischen Patienten, der nur seinen Willen umgesetzt wissen möchten, wird zunehmend unerträglicher und lässt erhebliche Zweifel an einer ernsthaft geführten Debatte aufkommen. Glaubensbekenntnisse besonderer Art, gepaart durch einen Hinweis auf die unrühmliche deutsche Vergangenheit sollen ein Bedrohungsszenario für die Wertekultur in unserer Gesellschaft skizzieren, von dem wir uns längst verabschiedet haben. Der Blick in die Geschichte dient uns selbstverständlich als Warnung, aber die stetige Erinnerung hieran darf nicht dazu führen, dass mit Blick auf den freiverantwortlichen Suizid die subjektive Grundrechtsstellung der Bürgerinnen und Bürger beeinträchtigt wird. Der sterbewillige und –bereite Patient trägt keine Erbschuld resp. Erblast, aufgrund derer es ihm versagt bleibt, sein Selbstbestimmungsrecht in Form einer Patientenverfügung zu dokumentieren, der dann einer Umsetzung bedarf. So wie die Ärzteschaft das Erbe eines Hippokrates nicht anzutreten hat, kann der Patient frei von historischen Entgleisungen seinen selbstbestimmten Willen am Lebensende fassen.
Lutz Barth












