(openPR) Der Generalanwalt Pedro Cruz Villalón stellte im Oktober 2010 seine Schlussanträge, in denen er dazu Stellung nahm, welche geografische Ausweitung ein von einem Gemeinschaftsmarkengericht erlassenes Urteil im Hinblick auf die anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat und wie von einem solchen Gericht angedrohte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anerkannt und durchgesetzt werden können.
Diesem Verfahren vorausgegangen ist ein Rechtsstreit zwischen der französischen Gesellschaft Chronopost S.A., die Inhaberin der französischen Marke sowie der Gemeinschaftsmarke WEBSHIPPING ist und der DHL Express France S.A., die mit den Begriffen „WEB SHIPPING“ und „WEBSHIPPING“ warb und hierunter Dienstleistungen anbot. Die Chronopost S.A. zog wegen einer Verletzung ihrer Gemeinschaftsmarke vor den Tribunal de grande instance de Paris, welches zu dem Ergebnis kam, dass die Gemeinschaftsmarke der Chronopost durch die DHL Express France S.A. verletzt wird, diese zur Unterlassung verurteilte und im Falle eines Verstoßes ein Zwangsgeld angedroht.
Die DHL Express France S.A. legte gegen dieses Urteil Berufung vor dem Cour d‘appel de Paris ein, der das Urteil bestätigte. Im Rahmen einer Anschlussberufung beantragte die Chronopost, dass das Verbot zur Benutzung der Gemeinschaftsmarke WEBSHIPPING gegen die DHL Express France auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union zu erstrecken ist, was durch den Cour d‘appel de Paris zurückgewiesen wurde. In der Revisionsinstanz entschied der Cour de cassation die Frage zur räumlichen Reichweite von Gerichtsentscheidungen eines Gemeinschaftsmarkengerichts dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, sowie zu eruieren, welche Zwangsmaßnahmen im Gebiet der Mitgliedsstaaten, in denen das Verbot Wirkung entfaltet, getroffen werden können und wie diese durch Gerichte eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union angewandt und durchgesetzt werden können.
Hierzu ist zunächst hervorzuheben, dass es sich bei den aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke errichteten Gemeinschaftsmarkengerichten um spezifische nationale Gerichte der Europäischen Union handelt, die durch die Mitgliedsstaaten benannt werden und aufgrund der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke beauftragt werden, die sich aus dem spezifischen Eigentumsrecht der Union ergebenden Rechte zu schützen. Damit gewährleisten die Gemeinschaftsmarkengerichte die Einheitlichkeit des materiellen Rechts der Gemeinschaftsmarke, ihren einheitlichen Schutz in der Europäischen Union und sollen dadurch die Effektivität und Effizienz bei der Verfolgung und Durchsetzung am Recht der Gemeinschaftsmarke in der Europäischen Union sicherstellen. Konkret bedeutet dies, dass ein Unternehmen, das eine Gemeinschaftsmarke beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt in Alicante/Spanien hat eintragen lassen, diese Gemeinschaftsmarke in der gesamten Europäischen Union vor den nationalen Gerichten der Mitgliedsstaaten gegen eine eventuelle Verletzung verteidigen lassen kann, abhängig nur von einem nach der Gemeinschaftsmarkenverordnung gegebenen Gerichtsstand.
In dem hier vorliegenden Sachverhalt hat der Tribunal de grande instance de Paris als Gemeinschaftsmarkengericht entschieden, dass der DHL Express France zu verbieten war, unter dem Begriff „WEBSHIPPING“ Dienstleistungen anzubieten und das Gericht hat im Fall eines Verstoßes ein Zwangsgeld angedroht. Bezüglich der räumlichen Wirkung dieser Entscheidung kommt der Generalanwalt Villalón zu dem Ergebnis, dass eine Entscheidung eines Gemeinschaftsmarkengerichtes im Allgemeinen Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet. Diesen Grundsatz schränkt er aber gleich wieder ein, indem er sagt, dass jeder Rechtsstreit auch auf die tatsächlichen und rechtlichen Umstände des Einzelfalls zurückgeführt werden muss und es demnach Fälle geben kann, in denen der Kläger lediglich auf eine Verletzung reagiert, die in einem Mitgliedsstaat erfolgt ist, sodass die Entscheidung auch räumlich zu begrenzen ist. Eine solche Ausnahme sieht der Generalanwalt insbesondere in den Bereichen, in denen sich eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr aufgrund der im Mitgliedsstaat verwandten Sprache ergibt. Der Generalanwalt geht in seinem Schlussantrag auch soweit, eine Art Beweislastumkehr anzunehmen. Dabei geht er von dem Grundsatz aus, dass eine Entscheidung des Gemeinschaftsmarkengerichtes grundsätzlich im gesamten Gebiet der Europäischen Union Wirkung entfaltet, soweit der Kläger den räumlichen Bereich des Verstoßes nicht eingeschränkt hat. Dem Beklagten obliegt es dann, nachzuweisen, dass der Verstoß sich nur auf einen konkreten geografischen Raum beschränkt, um dadurch zu erreichen, dass die Entscheidung des Gemeinschaftsmarkengerichtes ggf. nur in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union Wirkung entfaltet.
Hieran anschließend stellt sich nun die Frage, wie zu verfahren ist, wenn beispielsweise ein französisches Gemeinschaftsmarkengericht eine Entscheidung getroffen hat, in der es den Beklagten unter Androhung eines Zwangsgeldes zur Unterlassung der Nutzung einer Gemeinschaftsmarke vergleichbaren Formulierung verurteilt hat und der Beklagte gegen dieses Urteil beispielsweise in Polen verstößt. Insoweit war bisher zweifelhaft, ob solche Fälle einheitlich behandelt werden oder ob insoweit auf das Verfahrensrecht der Mitgliedsstaaten zurückgegriffen werden soll. Der Generalanwalt Villalón unterscheidet hierbei Fälle, in denen ein Zwangsgeld angedroht wurde, um sicherzustellen, dass das Benutzungsverbot befolgt wird und Fälle, in denen Maßnahmen angedroht werden, die nicht in erster Linie der Sicherstellung des Verbots dienen. Des Weiteren unterscheidet der Generalanwalt zwischen drei Phasen, die das Zwangsgeld durchläuft, beginnend mit der Androhung des Selben, über die Festsetzung bis zur Vollstreckung. In jedem dieser Fälle ist fraglich, ob zur Durchsetzung dieser Maßnahmen auf das Recht des Landes, das das Ursprungsurteil erlassen hat (hier Frankreich) oder auf das Recht des Landes abzustellen ist, in dem gegen das Urteil verstoßen wurde (hier Polen).
Insoweit stellt der Generalanwalt fest, dass die Androhung des Zwangsgeldes bereits durch das Ursprungsgericht getroffen wird und Artikel 98 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 insoweit auf das innerstaatliche Recht verweist, das als das Recht des Mitgliedsstaates zu verstehen ist, in dem der Kläger die Klage beim Gemeinschaftsmarkengericht anhängig gemacht hat. Die Festsetzung und Vollstreckung des Zwangsgeldes müsste nun aber in einem anderen Mitgliedstaat, in unserem Beispielsfall Polen, erfolgen. Der Generalanwalt verweist bezüglich der Anerkennung des Urteils in dem Land, in dem gegen dasselbe verstoßen wird, auf die Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Die polnischen Gerichte hätten demnach das französische Urteil unter Vorlage einer Bescheinigung nach Artikel 54, 58 der Verordnung Nr. 44/2001 und Beifügung einer entsprechenden Übersetzung ins Polnische, automatisch anzuerkennen und eine Vollstreckungsklausel zu erteilen. Sollte dem vollstreckenden Gericht das durch das Ursprungsgericht angedrohte Zwangsmittel, nicht bekannt seien, so muss es die nach seiner Rechtsordnung vorgesehene gleichwertige Maßnahme zur effektiven Durchsetzung des Urteils festsetzen. Die Festsetzung und die Vollstreckung des Zwangsgeldes erfolgt dann nach dem Recht des Mitgliedsstaates, in dem gegen das Verbot verstoßen wurde.
Die so formulierten Schlussanträge sind unserer Ansicht nach gut nachvollziehbar und ein weiterer Weg auf der Rechtsvereinheitlichung und Rechtsklarheit in der Europäischen Union.
Denn wenn eine Entscheidung eines solchen Gemeinschaftsmarkengerichtes keine Wirkung innerhalb der gesamten Europäischen Union hätte, müsste der Gemeinschaftsmarkeninhaber auch weiterhin in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union gegen den Verletzter vorgehen, um die ihm zustehenden Rechte zu verteidigen. In einem solchen Fall ist es nicht ausgeschlossen, dass die Gerichte der Mitgliedsstaaten auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen könnten, was dem System der Vereinheitlichung entgegenstehen würde.











