(openPR) Die Leidensbereitschaft der Öffentlichen Verwaltung ist deutlich größer, als die der Industrie.
Dieses Fazit zieht Prof. Dr. Walter Gora, Leiter der Stabsstelle eGovernment-Controlling im Hessischen Innenministerium, anlässlich des Projektmanagement Jour-Fixe im 'Kompetenzzentrum Projektführung und Projektmanagement' am 12.09.2005 in Solingen.
Während Industrieprojekte bei größeren Problemen und wirtschaftlichen Risiken oft radikal abgebrochen werden, versuchen die öffentlichen Auftraggeber, auch scheinbar hoffnungslose Fälle zu retten. Denn politische Räson ist oft wichtiger, als rein wirtschaftliche Fragestellungen. Hinzu kommt ein häufig ungesunde Verquickung zwischen gewollter Innovationspolitik und den eigentlichen Projektzielen – viele Projekte werden funktional und technologisch überfrachtet. Statt einfacher und bewährter Lösungen wird auf unfertige und damit hochriskante Technologien gesetzt. So können allzu schnell Millionengräber wie Toll-Collect (Verkehr), Herkules (Bundeswehr) oder Fiskus (Finanzbehörden) entstehen. Aber auch Länder und Kommunen bleiben nicht von Groschengräbern verschont. Oft ist es eine politisch sicherlich sinnvolle, aber für das Projekt unglückliche Verquickung aus Interessenslagen, wo Bund, Länder oder Gemeinden eigene Ziele verfolgen und Parteien, Personalräte, Rechnungshöfe oder Datenschützer massiv Einfluss auf den Projektverlauf nehmen. Inhaltliche Anforderungen und organisatorische Komplexität steigen ins Unermessliche.
Aber auch die Lieferantenseite kommt bei Professor Gora nicht ungeschoren davon: Falsche Versprechen, geschickt versteckte Risiken, unhaltbare Terminzusagen oder nebulöse Spezifikationen der Industrie bereiten den öffentlichen Auftraggebern größte Probleme.
Wenn unter diesen Rahmenbedingungen dann noch das Projektmanagement versagt, drohen die Projekte endgültig aus dem Ruder zu laufen. Für Gora ergibt sich immer wieder das gleich Muster: 'Projekte laufen gut, bis 90 % erreicht sind, und dann können die Probleme nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden.'
Gerade die Verwaltung neige dazu Unmengen von Planungspapieren zu erzeugen um dabei das Wesentliche, nämlich Projektziele und Projektablauf aus den Augen zu verlieren. 'Die Aufwände für Abstimmungsmeetings, Besprechungen und sonstige Sitzungen sind deutlich höher als in der Industrie' stellt Gora fest. Aber Zwischenstands- und Ergebniskontrollen bleiben aus, um niemanden weh zu tun - das Projekt wird schöngeredet.
Gora empfiehlt eine einfach Projektorganisation, die in einem überschaubaren Handbuch dokumentiert wird. Hier kommt es auf eine sorgfältige Planung an. 'Gut geplante Projekte laufen zweimal so lange wie geplant – sorglos geplante aber vielmal zu lange' schmunzelt der Projektexperte. Wichtig sei es, Arbeitspakete mit kurzen und überschaubaren Zeiträumen zu bilden. Aufgabe der Projektleitung ist es dann, diese Pakete sorgfältig im Auge zu behalten. Es sei aber ein Fehler, sich allein auf Projektmanagementsoftware zu verlassen. Für Gora ist die Organisation das A und O – die Software allenfalls ein Hilfsmittel.
Entscheidend sei aber auch das Controlling der Projekte. Hier tut sich die öffentliche Verwaltung im Gegensatz zur Industrie noch sehr schwer. Hier empfiehlt Gora ein Tandem aus internem und externem Projektmanagement – der externe Projektmanager kann eher Tacheles reden, als das ein Interner könnte. Letztlich lassen sich mit der richtigen Kombination aus erfahrenen Projektmanagern und moderner Projektorganisation Projektrisiken erheblich reduzieren, was sich für die Allgemeinheit am Ende auszahlt. Hier, so Gora, stecke nicht nur bei Bund und Ländern, sondern vor allem vor Ort in den Kommunen viel Potenzial für mehr Transparenz und Wirtschaftlichkeit.
Ein ungelöstes Problem ist für Gora die klassische Laufbahn-Karriere der Öffentlichen Verwaltung. Einerseits hat die Linienfunktion ein besseres Image, so dass qualifizierte Projektmanager immer wieder in die Linie zurückgehen und damit viel Wissen und Erfahrung verloren geht. Hinzu kommt die Vergütungsproblematik in der öffentlichen Verwaltung. Selbst wenn ein Projektmanager ein Millionenprojekt erfolgreich stemmt, hat er persönlich kaum einen Nutzen davon. Der Erfolg ist weder karriereförderlich noch zahlt er sich in Euro und Cent aus.
Das Kompetenzzentrum Projektführung und Projektmanagement ist eine Kooperation des GuT – Gründer- und Technologiezentrum Solingen (www.gut-sg.de) und der Inscala Consultants (www.inscala.com). Weitere Informationen auch unter http://www.project-city.de sowie unter http://walter-gora.de
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