(openPR) Das Verwaltungsgericht Stuttgart ordnete mit Beschluss vom 23. November 2006 (Az. 4 K 3895/06) die aufschiebende Wirkung bezüglich einer gegen einen Sportwettenvermittler vom Regierungspräsidium Karlsruhe erlassenen Untersagungsverfügung an. Der von der Rechtsanwaltskanzlei ARENDTS ANWÄLTE vertretene Vermittler darf daher weiterhin an den in einem anderen EU-Mitgliedstaat staatlich zugelassenen und dort laufend behördlich überwachten Buchmacher grenzüberschreitend Sportwetten vermitteln. Der Antragsgegner, das Land Baden-Württemberg, kann gegen diesen Beschluss noch Beschwerde zum VGH Baden-Württemberg einlegen.
Das Verwaltungsgericht kritisiert in der Entscheidung zunächst das unzureichende staatliche Verhalten. Es seien keinerlei Maßnahmen zu erkennen, die vom Bundesverfassungsgericht kritisierten Vertriebwege zu begrenzen. Bezüglich eines wirksamen Jugendschutzes bestünden erhebliche Zweifel. Es könne daher nicht von einem vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geforderten kohärenten System der Begrenzung der Wetttätigkeit gesprochen werden.
Maßgeblich ist für das Verwaltungsgericht die europarechtliche Rechtslage. Hier weist das Gericht zutreffend darauf hin, dass die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Übergangsregelung „keine Verbindlichkeit für das Gemeinschaftsrecht hat und beanspruchen kann“. Von einer gemeinschaftsrechtskonformen Lage könne angesichts einer fehlenden gesetzlichen Regelung und einer unzureichenden Umsetzung (vom Gericht als „hinhaltenden Widerstand“ bezeichnet) nicht gesprochen werden. Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus:
„Denn nach Auffassung der Kammer vermag eine Verwaltungspraxis, die zudem zum Teil auch lediglich auf Absichtserklärungen beruht und demgemäß noch im Werden begriffen ist, keine gemeinschaftsrechtlich verbindliche Rechtslage zu schaffen, die geeignet ist, in rechtsstaatlich vertretbarer Weise die Vorgaben des primären Gemeinschaftsrechts umzusetzen und dieses zu begrenzen. Es fehlt – auch aus der Sicht der Betroffenen – an einem klaren und ohne weiteres durchschaubaren Regelwerk, das zu einem eindeutigen und zweifelsfreien Bild führen kann. (…) Es kann in diesem Zusammenhang nicht Aufgabe der Betroffenen sein, die Verwaltungspraxis laufend zu kontrollieren und – namentlich wenn sie infolge des Sofortvollzugs nicht mehr als Gewerbetreibende existieren – durch Abänderungsanträge nach § 80 Abs. 7 VwGO auf etwaige festgestellte Defizite zu reagieren (so aber wohl VGH Baden-Württemberg, B. v. 28.07.2006).“
Im Anschluss kritisiert das Gericht den untätig gebliebenen Gesetzgeber. Bereits in dem Gambelli-Urteil des EuGH vom 6. November 2003 seien „unmissverständlich die gemeinschaftsrechtlich verbindlichen Vorgaben formuliert“ gewesen. Anstatt die Gesetzeslage anzupassen, sei vielmehr die Tätigkeit der staatlichen Monopole weiter ausgebaut und intensiviert worden.
Die Strafbarkeit des Wettvermittlers sei „nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand durchaus zweifelhaft“. Das Verwaltungsgericht zitierte hierzu die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 2005 (Az. 1 BvR 223/05), nach der es fraglich sei, „ob eine Strafbewehrung nicht eine unverhältnismäßige und damit gemeinschaftsrechtswidrige Maßnahme darstelle, selbst wenn eine Beschränkung ansonsten nicht zu beanstanden wäre (…).“
Im Übrigen sei bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, „dass dem Gesetzgeber verschiedene rechtlich gleichermaßen zulässige Optionen zur Beseitigung des verfassungs- und gemeinschaftsrechtswidrigen Zustands offen stehen“. Hierbei verwies das Gericht auf die Liberalisierung in anderen EU-Mitgliedstaaten und die bei weitem noch nicht abgeschlossene politische Diskussion.