(openPR) Mit einem brisanten Thema sind die Waldorfeinrichtungen dieses Jahr auf der Didacta, der bedeutendsten deutschen Bildungsmesse, vertreten, die vom 20. bis 24. Februar in Hannover stattfindet. Da die neuen Bildungspläne der Länder zunehmend auf eine frühere Einschulung der Kinder abzielen, stellen der Bund der Freien Waldorfschulen und die Waldorfkindergärten ihren pädagogischen Standpunkt zu dem kontrovers diskutierten Thema des Übergangs vom Kindergarten in die Schule in den Mittelpunkt. "Früher und schneller" muss in Bezug auf die vorschulische Bildung noch lange nicht gleichbedeutend sein mit "besser", so der Standpunkt der Waldorfpädagogik. Eine verfrühte Einschulung kann sogar nachhaltige gesundheitliche Schäden verursachen. Dies belegen auch wissenschaftliche Studien; die Waldorfpädagogen wollen deshalb für das Recht auf Kindheit kämpfen.
Das deutsche Bildungswesen ist unübersehbar im Umbruch begriffen; die Einführung der Ganztagsschule wird vorangetrieben. Die Verkürzung der Schulzeit und die Vorverlegung des Einschulungsalters sind zwei Maßnahmen, die gegenwärtig flächendeckend eingeführt werden sollen. Tatsächlich scheinen die Veränderungen in der Gesellschaft und in den Familien Eltern, Pädagogen und Politiker zum Handeln zu zwingen. Die frühere Einschulung soll bereits bei den Vier- bis Sechsjährigen eine bessere Vorbereitung auf Studium, Beruf und das Bestehen im wirtschaftlichen Wettbewerb sichern; Waldorfpädagogen warnen derweil vor einer Verkürzung der Kindheit.
So beschloss jüngst der sächsische Landtag, Kindertagesstätten auf Bildungspläne zu verpflichten. "Da es eine grundgesetzlich gesicherte pädagogische Freiheit für alle freien Schulen gibt, ist es paradox, dass diese Freiheit nun bei den Jüngsten, den Kindergartenkindern, eingeschränkt werden soll", kritisiert Hans-Jürgen Bader, Justiziar beim Bund der Freien Waldorfschulen, die Gesetzesänderung. Der vorliegende Entwurf für den sächsischen Bildungsplan stellt das selbstreflektierte Lernen und den Umgang mit Computern im Kindergartenalter in den Vordergrund. Das Motto "je früher und schneller, desto besser" kann nach dem Konzept der Waldorfpädagogik jedoch nicht die adäquate Antwort auf neue Anforderungen an das Bildungssystem sein. Eine verfrühte und oft einseitig intellektuelle Beanspruchung der Kinder im Vorschulalter kann sogar nachhaltige gesundheitliche Schäden verursachen, Lernschwierigkeiten oder Konzentrationsschwächen etwa. Darin sehen sich Waldorfpädagogen durch wissenschaftliche Forschungen bestätigt. "Wir werden für das Recht auf Kindheit kämpfen", sagt Martyn Rawson, Dozent am waldorfpädagogischen Seminar der Freien Hochschule Stuttgart. Auch juristische Schritte schließt der Bund der Freien Waldorfschulen nicht aus, falls in Kindergärten tatsächlich PCs eingeführt werden sollten, bestätigt Hans-Jürgen Bader. Eine kindgerechte Erziehung müsse die Begabungen, Fähigkeiten, Neigungen und auch Handicaps der Kinder in den Mittelpunkt stellen und sie so vielseitig wie möglich fördern, so Bader. Sollten Bildungspläne wie in Sachsen eingeführt werden, sehen die Waldorfpädagogen eine Erziehungsarbeit in ihrem Sinne als gefährdet an.
Dennoch müssen die waldorfpädagogischen Einrichtungen darauf vorbereitet sein, die gesetzlichen Bestimmungen, die je nach Bundesland sehr unterschiedlich sein können, umzusetzen. "Wir wollen pragmatische Lösungen für die bildungspolitischen Vorgaben finden, zugleich aber unser Konzept von Schulreife verteidigen", sagt Martyn Rawson. Schulreife entscheidet sich in der Waldorfpädagogik nicht allein durch den Blick auf das Alter. Vielmehr muss ein komplexer Reifungs- und Entwicklungsprozess abgeschlossen sein. "Die originäre Art des Kindes, sich zu bilden, geht weiter als das einseitige intellektuelle Tun", so Margarete Kaiser von der Internationalen Vereinigung der Waldorfkindergärten. Nach dem Erziehungs- und Bildungsverständnis der Waldorfpädagogik erwerben die Kinder im Vorschulalter durch freies selbst bestimmtes Handeln und vielfältige Lernangebote auch die Kompetenzen und die Vernetzung der Fähigkeiten, die ihnen später in der schulischen und nachschulischen Ausbildung zugute kommen.
zk-cg
Waldorf auf der Didacta, 20.-24.2., Hannover, Messegelände, täglich 9-18 Uhr:
Die Waldorfschulen und die Waldorfkindergärten präsentieren sich auf der Didacta mit je einem Ausstellungsstand. Auf Initiative der Internationalen Vereinigung der Waldorfkindergärten werden zudem eine Sonderschau sowie ein Gesprächsforum zum Themenkomplex "Übergang Kindergarten - Schule; Ganzheitliche Konzepte in der Praxis" eingerichtet.
Freie Waldorfschulen: Halle 15, Stand G 57
Internationale Vereinigung der Waldorfkindergärten: Halle 17, Stand G 54
Sonderschau und Marktplatzgespräche zum Thema "Übergang Kindergarten - Schule; Ganzheitliche Konzepte in der Praxis": Halle 17, Stand G 54;
Über den Bund der Freien Waldorfschulen e.V.
Die deutschen Waldorfschulen haben sich zu einem Bund der Freien Waldorfschulen e.V. mit Sitz in Stuttgart zusammengeschlossen. Die föderative Vereinigung lässt die Autonomie der einzelnen Waldorfschule unangetastet, nimmt aber gemeinsame Aufgaben und Interessen wahr. Korporative Mitglieder sind derzeit 195 Waldorf- und Rudolf-Steiner-Schulen sowie acht Seminare/Hochschulen für Waldorfpädagogik. Daneben gibt es rund 2.700 persönliche Mitglieder.
Die erste Waldorfschule wurde 1919 in Stuttgart eröffnet. Nach 87 Jahren Waldorfpädagogik gibt es heute weltweit rund 900 Waldorfschulen sowie 2.000 Kindergärten und Förder-Einrichtungen.








