(openPR) Mit Urteil vom 12.07.2012 (Aktenzeichen C-378/10) entschied der Europäische Gerichtshof, dass wenn ein Mitgliedstaat für inländische Gesellschaften die Möglichkeit einer Umwandlung vorsieht, er diese Möglichkeit auch einer in einem anderen Mitgliedstaat gegründeten Gesellschaft einräumen muss.
Der Entscheidung liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Eine im Jahre 2000 in Italien gegründete und im Handelsregister vom Rom eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung (VALE Costruzioni Srl) beantragte im Jahre 2006 ihre Löschung im Handelsregister, da sie beabsichtigte, ihren Sitz und ihre Tätigkeit nach Ungarn zu verlegen und ihre Tätigkeit in Italien einzustellen. Daraufhin wurde die Gesellschaft im italienischen Handelsregister antragsgemäß gelöscht und dort Folgendes vermerkt: „Die Gesellschaft hat ihren Sitz nach Ungarn verlegt.“
Anschließend gründeten der Geschäftsführer der VALE Costruzioni Srl und eine weitere natürliche Person eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ungarischen Rechts (VALE Építési kft). In dem darauf folgenden Antrag auf Eintragung in das ungarische Handelsregister wurde die VALE Costruzioni Srl als Rechtsvorgängerin von VALE Építési kft angegeben. Dieser Antrag wurde vom Registergericht jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine in Italien gegründete und eingetragene Gesellschaft ihren Gesellschaftssitz nicht nach Ungarn verlegen und nicht als Rechtsvorgängerin einer ungarischen Gesellschaft in das ungarische Handelsregister eingetragen werden könne. Im Wege des Instanzenzuges gelangte die Angelegenheit an den Ungarischen Obersten Gerichtshof (Legfelsbb Bíróság), der an den EuGH die Frage richtete, ob die ungarische Regelung, die ungarischen Gesellschaften die Umwandlung gestattet, aber Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten die Umwandlung in eine ungarische Gesellschaft verbietet, mit dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit vereinbar ist (die Umwandlung besteht hier im Wechsel des Gesellschaftssitzes und des anwendbaren nationalen Rechts).
Der EuGH stellte fest, dass im Kontext einer grenzüberschreitenden Umwandlung einer Gesellschaft der Aufnahmemitgliedstaat die für einen solchen Vorgang maßgebenden Rechtsvorschriften festlegen und sein nationales Recht über innerstaatliche Umwandlungen anwenden darf, das die Gründung und die Funktionsweise einer Gesellschaft regelt. Gleichwohl kann das nationale Recht des Aufnahmemitgliedstaats in diesem Bereich nicht von vornherein dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit entzogen sein, so dass dessen Bestimmungen, die die Umwandlung einer Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat untersagen, die Umwandlung inländischer Gesellschaften aber erlauben, im Licht dieses Grundsatzes zu prüfen sind.
Dazu führte der EuGH aus, dass die in Rede stehende ungarische Regelung dadurch, dass sie nur die Umwandlung einer Gesellschaft vorsieht, die ihren Sitz schon in Ungarn hat, eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften in Abhängigkeit davon begründet, ob es sich um eine innerstaatliche oder um eine grenzüberschreitende Umwandlung handelt. Da eine derartige unterschiedliche Behandlung geeignet ist, Gesellschaften mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten davon abzuhalten, von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen, stellt sie eine nicht gerechtfertigte Beschränkung der Ausübung dieser Freiheit dar.









