(openPR) Berlin, den 28.07.2011. Das Landgericht Berlin hat durch ein verbraucherfreundliches Urteil bestätigt, dass Prepaid-Handyprovider ihren Kunden keine übermäßig hohen Rechnungen stellen dürfen, wenn diese zuvor lediglich eine Guthaben-Aufladung in Höhe von 10,00 EUR eingestellt haben (Urteil LG Berlin vom 18.07.2011 - Az. 38 O 350/10)
Die Kanzlei Hollweck aus Berlin hatte in diesem Fall den Beklagten vertreten. Dieser war Kunde eines großen Prepaid-Handy-Anbieters und hatte mit diesem einen Prepaid-Handyvertrag abgeschlossen.
Im Rahmen des online abgeschlossenen Vertrages hatte der Kunde die Option „automatisches Aufladen“ gewählt, und zwar in 10,00-Euro-Schritten. Das bedeutet, dass der Prepaid-Handy-Anbieter das Guthaben dann automatisch aufladen darf, sobald der Kunde eine bestimmte Guthabengrenze erreicht hat.
Fraglich ist jedoch, ob der Prepaid-Anbieter dabei eine beinahe unbegrenzt hohe Handy-Aufladung vornehmen darf.
Genau darüber hatte das Landgericht Berlin in seinem Urteil vom 18.07.2011 (Az. 38 O 350/10) zu entscheiden. Der Prepaid-Provider stellte seinem Kunden plötzlich eine übermäßig hohe Handyrechnung. Diese betrug 14.727,65 EUR. Zunächst konnte sich der Prepaid-Kunde überhaupt nicht erklären, wie es zu dieser sehr hohen Rechnung kommen konnte. Er erhielt eine SMS von seinem Anbieter, dass das Handy gesperrt werde, da eine sehr hohe Rechnung aufgelaufen sei. Als der Kunde dann einen Blick auf seinen Online-Account warf, stellte er fest, dass es dort zu diesem übermäßig hohen Rechnungsbetrag in Höhe von 14.727,65 EUR kam.
Selbstverständlich legte er sofort einen Rechnungswiderspruch gegen diese Handyrechnung ein. Erst nach einer Weile stellte sich heraus, dass der Prepaid-Handyanbieter diese Rechnung für angebliche Internetverbindungen gestellt hatte.
Der Kunde hatte jedoch sein Handy überhaupt nicht für das Internet benutzt. Er hatte zuhause einen DSL-Festnetzanschluss, den er zum Surfen im Internet regelmäßig heranzog. Eine Notwendigkeit, das Internet per Handy zu nutzen, war nicht gegeben. Zudem ist sein Handy „Nokia N78“ aufgrund des eher kleinen Displays nicht unbedingt dazu geeignet, längere Ausflüge in das Internet per Handy zu unternehmen.
Der Prepaid-Anbieter beharrte jedoch auf der Zahlung dieses hohen Rechnungsbetrages von 14.727,65 EUR. Nur kurzzeitig bot er eine gütliche Einigung über 5.000,00 EUR an. Doch auch dieser Betrag war dem Handy-Kunden verständlicherweise viel zu hoch. Er wollte keine Zahlungen leisten, da er die abgerechneten Internetverbindungen niemals genutzt hatte.
Daher entschloss sich der Prepaid-Handyanbieter zu einer Klage vor dem Landgericht Berlin. Die Argumentation der Kläger GmbH bestand darin, dass der Kunde die Verbindungen in das Internet aufgebaut habe, also auch die Rechnung zahlen müsse. Dass diese Verbindungen in das Internet tatsächlich aufgebaut wurden, konnte die Klägerin durch ein technisches Prüfprotokoll angeblich nachweisen.
Der Beklagte hielt dagegen und bestritt die Internetverbindungen. Er habe diese nie aufgebaut und möchte daher auch keine Zahlungen leisten. Unverständlich blieb auch, wie der Prepaid-Handyanbieter überhaupt auf diesen hohen Rechnungsbetrag gelangen konnte. Der Beklagte hatte nie eine Preisliste ausgehändigt bekommen, weder bei Vertragsschluss, noch danach. Auch in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) der Klägerin fand sich keine Preisbestimmung.
Entscheidend war vor allem aber, dass es sich in dem vorliegenden Fall um ein Prepaid-Handy gehandelt hatte. Der Kunde eines Prepaid-Systems geht von vorne herein davon aus, dass er die Leistungen des Handys nur im Rahmen des zuvor aufgeladenen Guthabens nutzen könne. Sobald das Guthaben verbraucht sei, müsste auch die Nutzungsmöglichkeit aufhören. Dies gelte für SMS und Telefonate, warum sollte das nicht auch für Internetverbindungen gelten.
Entscheidend war nun die Frage, ob etwas anderes gelten könne, nur weil der Beklagte die Option „automatische Guthabenaufladung“ gewählt hatte. Die Klägerin argumentierte, dass das Prepaid-Unternehmen darin eine Pflicht sehe, dem Kunden kontinuierlichen Zugang zu den gewünschten Dienstleistungen zu gewähren. Es dürfe daher keinesfalls zu einer Unterbrechung der Leistung kommen, sonst würde das Prepaid-Unternehmen sich schadensersatzpflichtig machen.
Kann es aber sein, dass alleine die „automatische Aufladung“ den Prepaid-Provider dazu berechtigt, unbegrenzte Aufladungen vorzunehmen? Die Kanzlei Hollweck, die den Beklagten vor dem Landgericht Berlin vertrat, war daher der Ansicht, dass genau das nicht der Fall sein könne. Es darf nicht sein, dass die Klägerin eine quasi unlimitierte Aufladung in grenzenloser Höhe zuließe. Das könne nicht Gegenstand des Prepaid-Vertrages zwischen den Parteien gewesen sein. Die Klägerin hatte dem Beklagten auch keinerlei Reaktionsmöglichkeiten durch Warnhinweise gegeben. Normalerweise erfolgt eine Benachrichtigung durch SMS oder durch E-Mail, sobald eine Guthaben-Aufladung stattgefunden hat. Das war hier nicht der Fall. Technisch betrachtet hätte der Beklagte hier am Stück ca. 1.500 SMS oder mehr innerhalb kurzer Zeit erhalten müssen, was aber nicht geschah.
Das Landgericht Berlin folgte in seinem Urteil vom 18.07.2011 mit dem Aktenzeichen Az. 38 O 350/10 daher der Argumentation der Kanzlei Thomas Hollweck in Berlin. Es kann nicht sein, dass im Rahmen eines Prepaid-Vertrages der Kunde damit rechnen muss, tausende von Guthaben-Aufladungen innerhalb kürzester Zeit zu erhalten, ohne vom Prepaid-Handyunternehmen hierauf hingewiesen zu werden. Daher wies das Landgericht Berlin die Klage fast vollständig zurück, der Beklagte Prepaid-Kunde muss nun lediglich 10,00 EUR an die Klägern bezahlen.
Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18.07.2011 (Az. 38 O 350/10) finden Sie hier auf den Internetseiten der Kanzlei Hollweck in Berlin:
http://www.kanzlei-hollweck.de/2011/07/20/urteil-zu-prepaid-handys-lg-berlin-38-o-350-10-vom-18-07-2011/
Hier können Sie das Original-Urteil vom 18.07.2011 (Az. 38 O 350/10) (anonymisiert) als PDF herunterladen.
Rechtsanwalt Thomas Hollweck
Rechtsanwalt und Verbraucheranwalt in Berlin












