(openPR) Ein Interview mit Rechtsanwalt Sascha Giller, PWB Rechtsanwälte Jena.
Erfurt/Jena, den 30. Oktober 2008. Nach wie vor erreichen den Deutschen Verbraucherschutzring e.V. (DVS) täglich zahlreiche Anfragen besorgter Anleger, die von der Lehman Brothers-Pleite betroffen sind. Ein Grund für den DVS, aktuelle Fragen noch einmal aufzugreifen. DVS-Rechtsanwalt Sascha Giller, PWB Rechtsanwälte Jena, eine der führenden, auf das Kapitalanlagerecht spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien, erläutert in einem Gespräch die Situation für die geschädigten Anleger von Lehman Brothers.
DVS: Viele Anleger wollen natürlich in erster Linie wissen, welche Rechte sie haben und ob es wirtschaftlich überhaupt Sinn macht, gegen die Verantwortlichen vorzugehen. Allerdings scheint es ja mehrere Wege und Möglichkeiten zu geben, Ansprüche geltend zu machen. Gibt es hier bereits eindeutige Erkenntnisse?
RA Giller: Grundsätzlich sollte man sich vor Verallgemeinerungen hüten. Es kommen prinzipiell Entschädigungsansprüche in diversen Insolvenzverfahren, aber auch Schadensersatzansprüche gegen die eigene Bank in Betracht. Bei einer Vielzahl der von uns vertretenen Mandanten haben sich bereits einzelne Anhaltspunkte dahingehend vertieft, dass die Beratungen der Banken fehlerhaft waren. Auch die Prospekte genügen meiner Ansicht nach in einigen Belangen nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Im Hinblick auf die verschiedenen Entschädigungsverfahren in den USA und in den Niederlanden müssen die Anleger zudem aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Hier können durchaus Rechte geltend gemacht werden, dies ist aber an Fristen gebunden, die zu beachten sein werden.
Pauschale Antworten auf die Frage, wer welche Ansprüche wo geltend machen sollte, gibt es allerdings nicht. Dafür sind die im Raum stehenden Geldanlagen zu vielfältig und die Sachverhalte trotz aller Ähnlichkeiten zu unterschiedlich.
DVS. Welche Ansprüche sind in den USA anzumelden und welche eventuell in den Niederlanden?
RA Giller: Die Anleger müssen - wie gesagt - beachten, dass die Zertifikate und Anleihen sehr unterschiedlich sind. Bei Ansprüchen aus Zertifikaten der amerikanischen Lehman Brothers Holding Inc. sind die Entschädigungsansprüche auch in den USA geltend zu machen. Nicht alle Anleger haben jedoch tatsächlich Lehman Brothers Zertifikate des amerikanischen Mutterkonzerns. Viele Zertifikate, die in Deutschland vertrieben wurden, sind von der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. emittiert worden, wobei dieses Unternehmen seinen Sitz in den Niederlanden hat. Auch bei diesen Papieren tritt der Mutterkonzern jedoch als Garantiegeber ein, so dass man diesbezügliche Ansprüche nicht aus den Augen verlieren darf.
Gleichzeitig sind in diesen Fällen jedoch Entschädigungsansprüche in den Niederlanden anzumelden. Die Forderungsanmeldungen sind beim berufenen Administrator einzureichen. Eine Gläubigerversammlung am Amsterdamer Amtsgericht ist für den 10. Dezember einberufen worden.
Andere Anleger haben wiederum in Aktien investiert, die wieder anders bewertet werden müssen. Zudem laufen auch in den USA verschiedene Verfahren. Ich schließe auch zukünftige Sammelklagen nicht aus. Welche Ansprüche in welchen Verfahren angemeldet werden müssen, sollte der Anleger letztlich fachkundig prüfen lassen. Dabei sollten sowohl Verbraucherschutzorganisationen, wie die Verbraucherzentralen oder aber auch spezialisierte Anwälte zu Rate gezogen werden.
DVS: Genau davor schrecken viele Anleger jedoch zurück, da selbst kleinere Anfragen bei den Verbraucherzentralen und erst Recht bei den Anwälten mittlerweile mitunter teuer bezahlt werden müssen.
RA Giller: Das ist leider wahr. Ich rate den Anlegern auch dringend, sich nicht von vorschnell handelnden Rechtsanwälten blenden zu lassen oder zu viel Geld in eine juristische Beratung zu investieren.
Welche Ansprüche generell bestehen, welches Vorgehen sinnvoll ist, welche Fristen zu beachten sind und was nach der gegenwärtigen Rechtslage vielleicht auch keinen Sinn macht, über all das kann sich der Anleger auch kostenfrei informieren. Wenn der Anwalt hier bereits hunderte von Euros verlangt, würde ich vorsichtig sein. Auch vorschnelle Anschreiben an die eigene Bank sind als „außergerichtlicher Lösungsversuch“ beliebte Maßnahmen der Anwälte. Hierfür entsteht aber bereits eine Geschäftsgebühr, was für den Anleger in der Regel heißt – „Das wird teuer“. Häufig sind solche außergerichtlichen Lösungsversuche im derzeitigen Stadium noch zum Scheitern verdammt und enden in dem einzig verbleibenden Weg – der noch teureren Klage.
DVS: Also sollen die Anleger erst einmal gar nichts unternehmen?
RA Giller: Nein, selbstverständlich nicht. Gerade im Hinblick auf die Entschädigungsverfahren in den USA werden bald relativ kurze Fristen zu beachten sein. Die Anleger sollten sich darüber informieren und gegebenenfalls auch schnell tätig werden.
Es bestehen auch durchaus gute Möglichkeiten, die beratenden Banken in Regress zu nehmen, so dass die Anleger den Kopf nicht in den Sand stecken müssen. Ich warne nur vor unüberlegtem Aktionismus. Das Ziel, den Anlegern möglichst kostengünstig zu helfen, wird jedenfalls nicht dadurch erreicht, dass man ihm für 250 € erläutert, was man für ihn tun kann und man ihm im nächsten Brief an seine Bank für weitere 350 € die Rückzahlung der Anlagesumme verlangt. Alles was der Anleger danach in den Händen hält, ist in der Regel eine außergerichtliche und dabei erfolglose Geltendmachung seiner Ansprüche und wieder einmal verlorenes Geld.
Wir verwenden viel Energie, um Beratungsstrategien der Banken im Vorfeld so beweiskräftig zu sichern, dass bereits außergerichtlich genügend Druck erzeugt werden kann, dass Einigungen realistisch erscheinen. Es zeigt sich dabei immer wieder, dass ein gemeinsames Vorgehen möglichst vieler Anleger effektiver ist. Aber die Vorzeichen, der Druck durch die Beweismittel und der daraus resultierende öffentliche Druck auf die Banken, diese sollten eben auch stimmen. Daran arbeiten wir mit Erfolg. Die Kosten für die juristische Erstberatung werden für die Anleger dabei sogar übernommen. So kann sichergestellt werden, dass den Anlegern keine Rechte verloren gehen und sie dennoch nicht mit sinnlosen Kosten belastet werden.
DVS: Was halten Sie von Angeboten der Banken zur außergerichtlichen Einigung.
RA Giller:: Grundsätzlich wären diese zu begrüßen. Bislang erwarte ich solche Angebote jedoch nur in Fällen, die so eindeutig sind, dass sich die Banken keine Chancen in einem Rechtsstreit ausrechnen.
Angebote, die Papiere mit einem deutlichen Abschlag zurück zu kaufen, sind sorgfältig zu prüfen. Die Zertifikate werden zwar derzeit nicht mit einem Wert im Depot ausgewiesen, das bedeutet jedoch nicht zwangsweise, dass sie auch wertlos sind. Im Hinblick auf einen späteren Zweitmarkt ist für den Zertifikatinhaber der „Recovery Value“ entscheidend. Da derzeit nicht absehbar ist, wie die Quoten aussehen, kann es durchaus möglich sein, dass die Banken mit den Zertifikaten noch einmal ein zweites Geschäft machen, wenn man sie ihnen zu günstig überlässt. Prognosen sind hier allerdings schwierig. Es bleibt immer das Risiko, dass die Zertifikate in einigen Monaten oder Jahren sich doch als völlig wertlos erweisen. Generell gilt daher auch hier, vor jedem Abschluss eines Geschäfts mit einer Bank, im Zweifel lieber einmal mehr nachfragen. Auch hier helfen wir den Anlegern gern weiter, wenn es konkrete Fragen gibt.
DVS: Ist eine vollständig kostenfreie Betreuung durch alle Instanzen für den Anleger möglich?
RA Giller: Über die Arbeitsgemeinschaft des DVS kann ja schon einmal eine Kostenfreiheit von der ersten Anfrage bis zum Ergreifen von sinnvollen Maßnahmen garantiert werden. Alles was zunächst für den Anleger wichtig ist, also die Prüfung seiner Ansprüche, eventuell einzuhaltende Fristen, das Zusammentragen von wichtigen Informationen und auch die Kontaktaufnahme mit eventuell vorhandenen Rechtsschutzversicherungen muss somit den Anlegern nichts kosten. Hier gibt es auch noch viele andere Angebote, die den Anlegern zur Verfügung stehen.
Werden gerichtliche Verfahren oder konkrete Verhandlungen mit Banken notwendig, so fallen aber zumindest die gesetzlichen Mindestgebühren an, die von den Anwälten auch nicht unterschritten werden dürfen. Hierüber sollte man sich gründlich aufklären lassen. Unsere Kanzlei bietet allerdings auch hier in Einzelfällen die Vertretung gegen ein so genanntes Erfolgshonorar an. Auch dies ist jedoch an strenge gesetzliche Vorgaben geknüpft, die im konkreten Fall begutachtet werden müssen. Auch die Zusammenarbeit mit Prozessfinanzierern ist denkbar, wobei die Anleger bedenken müssen, dass sie dann im Erfolgsfall weniger Geld erhalten. Sie würden allerdings in keinem Fall, auch bei einem negativen Ausgang, mit Kosten belastet werden.
DVS: Was ist ihr abschließender Rat an die geschädigten Anleger?
RA Giller: In erster Linie nicht aufzugeben, aber auch die nötige Ruhe zu bewahren.
Man sollte die eigenen Ansprüche sorgfältig prüfen lassen und seine Entscheidungen nicht nur emotional, sondern auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten treffen. Es bestehen gute Chancen, sein Geld zurück zu bekommen. Die Initiative zu ergreifen ist wichtig. Aber man sollte besonnen vorgehen und sich kompetente, aber eben auch faire Unterstützung holen.
Sascha Giller ist Rechtsanwalt bei der Kanzlei PWB Rechtsanwäle Jena (www.pwb-law.com). PWB Rechtsanwäle Jena, eine der größten Anwaltskanzleien Mitteldeutschlands, it überwiegend auf das Kapitalanlage-, Schadens- und das Opferrecht spezialisiert. Die Kanzlei wird im JUVW-Handbuch 2005/2006, 2006/2007 und 2007/2008 als eine im Kapitalanlagerecht ausgezeichnete Kanzlei hervorgehoben.











