(openPR) Die Überfülle ist unübersehbar, und doch schreibt manch einer immer noch so genannte Rat-geber und nimmt den Leser zaghaft und behutsam, manchmal jedoch auch energisch und nachgerade manipulativ an die Hand, um ihn beispielsweise zu mehr Selbstbewusstsein oder direkt zum großen Erfolg zu geleiten, um ihn vom Rauchen abzuhalten oder ihm die zuneh-mende Leibesfülle madig zu machen.
Andere Schreiber nehmen die Würde, die Freiheit und Verantwortlichkeit des Menschen sehr viel ernster und wollen den Leser nicht mit Ratschlägen erdrücken, sondern ihn auf sanfte Weise anleiten bzw. ihm geradezu milde das Angebot unterbreiten, über sich selbst nachzu-denken, in sich hineinzuhören, bei sich zu sein und daraus zu lernen, sich etwa punktuell än-dern zu sollen, (nach)reifen und sich „häuten“ zu wollen oder seinen Lebenshorizont und sein Daseinskonzept, wie es ihm derzeit erscheint, mutig und selbstbewusst als gültig (für ihn!) so zu belassen.
Zu solchen Schriftstellern rechne ich jene, die im Blick auf die Mit- und Umwelt, im Blick auch auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Lebensweisheiten, Sinnsprüche, winzige Essays und philosophische Gedankensplitter aus sich heraus gebären und dem Leser zumuten, sich mit diesen Erkenntnissen (und persönlichen Erfahrungen) auseinanderzusetzen, sie auf sich wirken zu lassen, sie auszukosten.
Zu diesem Genre zählt dankenswerterweise unser Autor, der auf 182 Seiten ein Summarium von Aphorismen vorlegt, das der Rezensent durchaus als „Philosophie der Lebenskunst“ titu-lieren möchte, als ein Innehalten und Nachdenken über die mannigfachen Grundgegebenhei-ten, Grundlagen und möglichen Formen eines bewusst geführten Lebens – ein „bewusst ge-führtes Leben“ jedoch, das ist Lebenskunst, die fortwährend die Gestaltung des Lebens und des Selbst inkludiert mit dem existentiellen Imperativ: Gestalte Dein Leben so, dass es (für dich) bejahenswert ist und die anderen – Menschen, Tiere, Natur und Umwelt insgesamt - nicht bewusst lädiert! Diese Lebenskunst kann, wie im vorliegenden Buch, tiefsinnig und geistvoll ebenso wie humorvoll und gelegentlich ironisch und gar sarkastisch formuliert wer-den.
Der Autor hat sein Buch in zwölf übergeordnete Sinneinheiten gegliedert (Reifung * Einheit und Gegensätze * Leben und Tod * Menschheit und Zwischenmenschliches * Körper, Geist und Seele * Recht und Gesetzt * Moral * Tugend und Laster * Gott und Glaube * Kunst * Erkenntnis und Wissen * Liebe), die ihrerseits wieder in kleinere Einheiten (so z.B. Loslas-sen, Unendlichkeit, Jugend und Alter, Gesellschaft, Spiritualität, Politik, Erkenntnis, Wahrheit und Lüge) unterteilt sind, so dass ein jeder rasch je nach seiner Befindlichkeit zielsicher fin-den kann, wonach ihm gerade zumute ist oder was er braucht oder wo er sich beglücken, be-reichern und inspirieren, wo er sich überraschen, ärgern (lassen) oder reiben will. Oder der Leser verfährt nach dem bei Augustinus überlieferten Prinzip: „Tolle lege = Nimm und lies“; er wird das Buch also einfach an einer beliebigen Stelle aufschlagen und das dort zu lesen Vorfindliche als Ausdruck seiner inneren Stimme werten, als habe er dies gerade im JETZT der Situation für die Bewältigung seines Lebens oder zum bewussten Innehalten und Reflek-tieren gebraucht.
Die fast 500 Aphorismen bilden ein wahres und sehr lesens- und empfehlenswertes Vademe-cum, das in jede Westen- und Handtasche passt, im Wartezimmer des Arztes ebenso konsul-tiert werden sollte (anstelle der seichten und oberflächlichen Ergüsse zeitgeistiger Zeitschrif-ten-Trivialliteratur) wie es auch nicht fehlen darf auf der Bahnfahrt oder auf dem Nachttisch-kästchen, um den Tag mit einem Bonmot, mit einer Erkenntnis zu beenden, die ihrerseits in einen geruhsamen und mit schönen Träumen gesegneten Schlaf entlässt. „Königswasser“ (A-QUA REGIS oder aqua regia) löst fast alle Metalle, auch Gold – das sollte im übertragenen Sinne bei vorliegendem Büchlein wohl bedacht werden. Freilich löst es nicht alle Probleme, aber es schärft das Problembewusstsein, und das ist fürwahr gar nicht wenig.
© Dr. phil. Bernhard A. Grimm, Scheyern








