(openPR) Wer bei einer Erbschaft zwar leer ausgeht, aber Pflichtteilsansprüche hat, kann vom Jobcenter verpflichtet werden, diese einzufordern – auch wenn damit Nachteile verbunden sind.
Das Sozialgericht Mainz musste über die Klage eines Hartz IV-Empfängers entscheiden, der keine Pflichtteilsansprüche gegen seine Mutter geltend machen wollte. Dazu hatte ihn das Jobcenter verpflichtet.
Leistungsempfänger als enterbter Pflichtteilsberechtigter
Der Vater des Klägers war verstorben und hinterließ eine letztwillige Verfügung mit einer Regelung entsprechend dem so genannten Berliner Testament. Die Kinder sollten also für den ersten Erbfall zugunsten des überlebenden Ehegatten enterbt sein und erst beim Tod des letzten Elternteils zum Zuge kommen. Um Pflichtteilsansprüche der Kinder zu erschweren war außerdem unter anderem geregelt, dass im Falle der Geltendmachung durch ein Kind dieses auch für den zweiten Erbfall enterbt sein sollte – eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel.
Als der Kläger dieses Testament beim Jobcenter vorlegte, wurde er von diesem verpflichtet, seinen Pflichtteil in Höhe von 1/8 des Gesamtnachlasses einzufordern. Der Kläger wendete dagegen ein, dass seine Mutter hochbetagt und pflegebedürftig sei. Außerdem drohten ihm selbst wirtschaftliche Nachteile zulasten seines Bruders, wenn die Pflichtteilsstrafklausel greife.
Sozialgericht rechnet Pflichtteilsanspruch zum vorrangig einzusetzenden Vermögen
Das Jobcenter folgte dieser Argumentation ebenso wenig wie das daraufhin angerufene Sozialgericht. Dieses wertete den Pflichtteilsanspruch als vorrangig einzusetzendes Vermögen im Sinne des Sozialrechts. Der Kläger sei demnach nicht hilfsbedürftig.
Die automatische Enterbung beim Versterben der Mutter aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel wollten die Richter nicht als bedeutendes Problem erkennen, da überhaupt nicht sicher sei, dass beim Versterben der Mutter überhaupt noch ein werthaltiger Nachlass vorhanden sei.
Andererseits, so das Gericht, fielen aber auch die finanziellen Verpflichtungen der Mutter aufgrund der Pflegebedürftigkeit nicht so ins Gewicht, da diese noch einige Jahre problemlos finanziert werden könnten. Insoweit überzeugt das Zusammenspiel der gerichtlichen Argumente nicht vollends.
Reichlich Barvermögen im Nachlass.
Ausschlaggebend für die Entscheidung war offenbar die Größe und Zusammensetzung des Nachlasses. In diesem war reichlich Barvermögen vorhanden, so dass der Pflichtteil des Klägers problemlos ausgezahlt werden konnte, ohne dass die Mutter zum Beispiel Immobilien hätte verkaufen müssen.
Aus diesen Erwägungen sei auch keine besondere Härte anzunehmen. Eine mögliche familiäre Konfliktsituation sei bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen im Übrigen stets möglich und in der vorliegenden Konstellation sogar eher unwahrscheinlich.
Berliner Testament und Pflichtteilsstrafklausel
Die Entscheidung zeigt, wie komplex das Erbrecht gerade bei klassischen letztwilligen Verfügungen wie dem Berliner Testament, ist. Aufgrund der Bindungswirkung kann der Überlebende das Testament später nicht mehr allein ändern. Das gilt insbesondere auch für die Pflichtteilsstrafklausel, dessen Automatismus von den Eheleuten zwar ausdrücklich angeordnet, im konkreten Fall dann aber vermutlich nicht gewünscht war.
In diesen Fällen bietet sich für Ehegatten an, im Rahmen eines gemeinschaftlichen Ehegattentestaments bzw. eines Erbvertrags etwas liberalerer oder zumindest flexiblere erbrechtliche Lösungen zu finden. Für den Fall des finanziell schlecht gestellten Erben, also vor allem bei Hartz IV-Empfängern oder Erben in der Insolvenz gibt es darüber hinaus mit der Vor- und Nacherbschaft und der Testamentsvollstreckung spezielle erbrechtliche Instrumente für individuelle Lösungen.
Weitere Informationen zum Pflichtteilsrecht finden Sie hier: http://www.rosepartner.de/rechtsberatung/erbrecht-nachfolge/erbrecht-erbschaft-testament/pflichtteil-enterbung-beratung-und-vertretung.html





