(openPR) Der zur Behandlung von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom, das sogenannte Zappelphilipp-Syndrom) eingesetzte Wirkstoff Methylphenidat (Handelspräparate u. a. Ritalin, Equasym) darf unter bestimmten Umständen auch an gesetzlich krankenversicherte Erwachsene abgegeben werden. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) am 30.06.2009 entschieden.
Die bisherige Problematik bei GKV-Patienten, die unter ADHS leiden, bestand darin, dass Methylphenidat-Medikamente nur für die Anwendung bei Kindern und Jugendlichen, damit Personen bis 18 Jahren Lebensalter, zugelassen sind. Bei privat krankenversicherten Patienten stellte sich diese Problematik dagegen nicht. Bei ihnen genügt es für die Kostenübernahme, wenn die medizinische Notwendigkeit der Verordnung bejaht wurde.
Erwachsene Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung mussten deshalb entsprechende Verordnungen als Privatrezept selbst bezahlen und konnten die Kosten bei ihrer Krankenkasse nicht geltend machen. Zur Kostenerstattung durch die GKV bestand für sie nur dann eine Möglichkeit, wenn sie nachweisen konnten, dass die Voraussetzungen für einen sogenannten Off-Label-Use vorlagen. Die Anforderungen an diesen sind nach der (verfassungsrechtlichen) Rechtsprechung sehr hoch. Erforderlich ist, dass eine lebensbedrohliche oder zumindest ähnlich schwer wiegende gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegt, keine andere Therapie zur Verfügung steht und die begründete Aussicht besteht, dass das anzuwendende Medikament einen Behandlungserfolg erzielen wird.
Diese Grundsätze gelten auch weiterhin. Das BSG hat aber einen möglichen Ausnahmefall angedacht, bei dem ein Off-Label-Use auch außerhalb dieser Grundsätze denkbar wäre. So ist es nach Ansicht der obersten Sozialrichter vorstellbar, den Anwendungsbereich eines Medikaments, das nur für Kinder und Jugendliche zugelassen ist, auch auf Erwachsene auszudehnen, wenn Letzterer bereits als Jugendlicher mit dieser Arznei therapiert wurde und der Behandlungsbedarf auch im Erwachsenenalter unverändert fortbesteht und es keine angemessenen Alternativen gibt. Konkret bedeutet dies, dass im Einzelfall von Erfordernis einer lebensbedrohlichen oder ähnlich schweren Gesundheitsbeeinträchtigung abgerückt werden kann.
Diese neue Grundsatzrechtsprechung hat jetzt zumindest in einem Fall, den vom Patienten begehrten Erfolg erbracht. Das Sozialgericht Braunschweig hat am 15.04.2010 in einem Eilverfahren entschieden, dass einem über 18jährigen (vorläufig) weiterhin der Wirkstoff Methylphenidat zu Lasten der GKV verordnet werden darf. Begründet wurde dies damit, dass bei sich das Risiko-Nutzen-Potenzial der Anwendung des Medikaments bei dem Versicherten durch Erreichen der Volljährigkeitsgrenze nicht geändert habe. Für die Ablehnung der Kostenübernahme hätte es deswegen besonderer Gründe bedurft, die die Krankenkasse aber nicht darlegen konnte. Der Antragsteller sei zudem weiterhin einem Jugendlichen gleichzustellen. Trotz der gesetzlichen Regelungen zur Volljährigkeit kenne das deutsche Recht keine „Stichtagsregelung“, mit welcher ein Jugendlicher von einem Tag zum anderen zum Erwachsenen werde.








