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Auf dem Friedhof der Namenlosen

17.12.200818:36 UhrFreizeit, Buntes, Vermischtes

(openPR) An der Nordseeküste zeugen Friedhöfe für Wasserleichen vom einstigen Schrecken des maritimen Todes und gleichzeitig von der durch diesen Ort konkret symbolisierten Mitmenschlichkeit.

Borken, den 17. Dezember 2008. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gingen immer mehr Küstenorte dazu über, für die vormals zumeist nur verscharrten oder provisorisch begrabenen anonymen Strandleichen eigene Friedhöfe anzulegen. Dies war nicht immer ganz freiwillig, sondern vor allem eine Konzession an die bürgerlich-urbanen Vorstellungen von Pietät, Trauer und Mitgefühl, welche durch die Kurgäste in die Küstenregionen hineingetragen wurden. Heute berühren die Orte Touristen und Einheimische gleichermaßen als Orte der Erinnerung an schlimme Schicksale von einsam gestorbenen Menschen.



Für Georg Quedens ist der Namenlosen-Friedhof unweit des Amrumer Küstenortes Nebel eines der am meisten berührenden Orte seiner Heimatinsel. Der Heimat-forscher und Autor zahlreicher Publikationen zur Inselgeschichte und der Seefahrt kennt jedes Grab. Die Atmosphäre hier lässt nicht kalt. Quedens drückt es so aus: „Wenn Du an den Gräbern mit den Holzkreuzen und den darauf verzeichneten Daten der Bergung vorbeigehst, bekommst du eine Ahnung um den schrecklichen und einsamen Tod der hier liegenden Menschen infolge einer Sturmflut oder eines Schiffbruchs. Man fühlt mit dem Schicksal der hier Begrabenen, gerade auch jetzt in der Adventszeit.“ Für Andreas Mäsing, Vorsitzender des Vereins zur Förderung der deutschen Friedhofskultur (VFFK), ist der Heimatlosen-Friedhof auf Amrum einer der herausragenden Beispiele von zahlreichen Heimatlosen-Friedhöfen von Norderney bis Sylt. Er weiß: „Amrum ist einer der bekanntesten der noch erhaltenen Friedhöfe, aufgrund seiner Anlage durch die Stiftung eines Kapitän Jessen erst im Jahr 1906 aber keinesfalls der älteste. Dies war vielmehr der Westerländer Friedhof auf Sylt 1854.“

Tod am wilden Meer
Norbert Fischer ist Kulturhistoriker an der Universität Hamburg und beschäftigt sich seit Jahren mit dem Phänomen der Namenlosen-Friedhöfe. Der 51-Jährige weist auf zwei wesentliche Merkmale in der Entstehung dieser Friedhöfe hin. Zum einen wurden diese erst zu einer Zeit eingerichtet, als das Meer einen Großteil seines einstigen Schreckens bereits verloren hatte. Durch die Erbauung von größeren Deichen, die bessere Navigationsfähigkeit der Dampfschiffe gegenüber den Segel-schiffen, die Professionalisierung der nautischen Ausbildung sowie den Ausbau des Seezeichen- und Seenotrettungswesens nahm sowohl das Gefahrenpotential der Nordsee als auch die Zahl der Strandleichen stark ab. Zum anderen wandelte sich auch die Einstellung der Küstenbewohner zu den ihnen unbekannten Strandleichen. „Durch die regionalspezifische Erfahrung des Todes an der Nordseeküste entwickelte sich hier eine breitgefächerte Trauerkultur, die zwischen dem 17. und 19. Jahr-hundert ihren Höhepunkt erreichte.

Zum Gedenken an die auf See verstorbenen Seeleute, Schiffskommandanten und Harpuniere der Walfänger wurden von ihren Heimatgemeinden aufwendige Grab-steine errichtet“, weiß Fischer. Den anonymen Strandleichen dagegen erging es meistens schlechter. Zwar gab es bereits früh lokale Strandungsordnungen, die genau die Anteile am Bergungsgut zwischen Reeder und Kaufleuten der gestran-deten Schiffe und Waren einerseits, Bergern und dem jeweiligen Strandvogt andererseits festlegten. Aber sehr oft kam es vor, dass die gestrandeten Leichen einfach nur in den Dünen vergraben wurden. Nur in seltenen Fällen, wie auf Amrum, wurden die Leichen in einer Ecke des Dorffriedhofes begraben – allerdings ohne Grabmal oder Grabkreuz. Erst mit dem Aufkommen des Seebäderwesens seit Ende des 18. Jahrhunderts begann sich die Sicht der Einheimischen auf das Schicksal der Strandleichen zu verändern – zunächst aber aus nicht ganz altruistischen Gründen. Fischer: „Um gegenüber den bürgerlich-gebildeten Kurgästen nicht als unzivilisert, ja barbarisch zu gelten, richtete man – zumeist auf Betreiben amtlicher Stellen – die ersten Anlagen ein. Nicht gerade ganz selbstlos angesichts der Tatsache, dass der Fremdenverkehr in vielen Orten entlang der Küste zur wichtigsten Erwerbsquelle geworden war.“ Ein weiterer Grund für die neue Haltung gegenüber den Strand-leichen waren neue Strandungsordnungen, die auch aus hygienischen Gründen eine „ordnungsgemäße“ Entsorgung der Leichen verlangten.

Schreckens-Mythos und regionale Identität
In der Zwischenzeit sind die Friedhöfe, einst Anlagen zur Beerdigung von Fremden und daher „Nicht-Dazugehörigen“, zu Memorials eigener regionaler Identität und im Rahmen eines touristisch orientierten Identitätsmarketings zu Sehenswürdigkeiten ersten Ranges für die Küstenorte geworden. Auch wenn der Erinnerung an die „Auf See Gebliebenen“ aus den eigenen Gemeinden immer höhere Priorität erhielt, nahm die Anteilnahme der Bevölkerung bei Bestattungen von Strandleichen schon recht früh nach der Gründung der Friedhöfe ihren Anfang.

Der Amrumer Heimatlosen-Friedhof wird von der örtlichen evangelischen Kirche in Nebel gepflegt. 1954 wurde hier die letzte anonyme Wasserleiche beerdigt. Die Ein-heimischen gehen mittlerweile auch deshalb seltener auf den Friedhof, dafür aber ist der Ort ein wahrer Touristenmagnet. Heimatforscher Quedens erzählt: „Die Touristen erfahren an kaum einem anderen Ort Amrums die Härte und Dramatik des einstigen Lebens an der See so unmittelbar wie gerade hier. Ein solcher Ort erschreckt, zieht aber gerade deswegen auch an, und manch ein Besucher kommt hier auch zu Reflektionen über Leben und Tod im generellen.“ Aber auch den Einheimischen ist dieser Ort wichtig. Was macht den Reiz dieses Erinnerungsortes für die Ein-heimischen aus? Quedens: „Dieser Ort ist in über hundert Jahren ein fester Bestandteil der Insel-Identität geworden. Er gehört mittlerweile fast so zu Amrum wie das Meer und die weiten Horizonte. Und die Toten repräsentieren einen Gutteil der Geschichte dieser Insel, auf die man stolz ist: das harte Leben der damaligen Menschen, die rauhe See, die Schifffahrt und den typischen Wagemut der Nordseeanwohner, den sie nicht selten auch mit dem Leben bezahlen mussten. Auch wenn man die einzelnen Toten nicht kannte, sie waren eben auch Leute wie wir, und speziell aus Sicht der Fischer und Seeleute ‚Berufs-Brüder‘, wie man hier so sagt.“

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