(openPR) Das mittlerweile vorgelegte neuerliche Rechtsgutachten von Igl über die weitere öffentlich-rechtliche Regulierung der Pflegeberufe und ihrer Tätigkeit bringt nach diesseitiger Auffassung zunächst nur eine Orientierung über die Möglichkeiten einer Neuordnung der Gesundheitsfachberufe, zumal die nach wie vor bestehenden „Rechtsunsicherheiten“ mit dem Gutachten nicht geklärt worden sind (gemeint sind hier die straf- und zivilrechtlichen Hürden einer Neuordnung, die ausdrücklich von der gutachterlichen Expertise ausgenommen sind).
Mag auch Igl in gewisser Recht mit seiner Annahme haben, dass die bisherige politische Auseinandersetzung im Kontext der beabsichtigten Neuordnung der Gesundheitsberufe und der Tätigkeiten maßgeblich mit dem Hinweis auf bestehende Rechtsunsicherheiten geführt und beendet worden ist, so hat sich auch durch das vorgelegte Gutachten an diesem Befund zunächst rein gar nichts geändert. Es ist allenfalls einem Zweckoptimismus geschuldet, dass das Recht als „Waffe in der politischen Auseinandersetzung“ zu benutzen nunmehr durch das vorgelegte Gutachten erschwert werde, wie Igl zu bedenken gibt (vgl. dazu Igl, in DBfK-Aktuell, 1127 ff (1129) – Die Schwester/Der Pfleger 12/2008).
Das Problem ist in erster Linie kein rechtliches, sondern vor allem ein politisches. Die Frage, ob die Politik eine Substitution genuin ärztlicher Leistungen wünscht, sollte zunächst auf der rein politischen Ebene entschieden werden, da insoweit das Recht in der Folge (!) dann ggf. einer Modifikation bedarf. Dass hierbei insbesondere der DPR berufpolitische Akzente gesetzt hat, ist völlig legitim, führt aber nicht zu der sich vielleicht aufdrängenden Perspektive nach dem Rechtsgutachten, dass nunmehr das Recht dem emanzipatorischen Anspruch der Pflege wie selbstverständlich nachzufolgen hat. Igl selbst hat darauf hingewiesen, dass zehn Jahre nach dem Rechtsgutachten von ihm in gemeinsamer Autorenschaft mit Welti zu den öffentlich-rechtlichen Grundlagen im Berufsfeld der Pflege in dem neuen Gutachten es wohl das Anliegen der Pflegeberufe (und damit inizdent wohl auch des Rechtsgutachtens) sei, dass das den Pflegeberufen bestimmende Recht den Realitäten entspricht, in denen die Pflege heute stattfindet. Provokant könnte man/frau meinen, die „Pflege hat sich ihre Realitäten durch das berufspolitische Engagement“ selber geschaffen und nun sei es an der Zeit, dass das „Recht umgeschrieben“ werde, obgleich doch Igl ebenfalls zu Recht konstatiert, dass die „Welt der Pflege … sich in den letzten Jahren in einer Weise verändert (hat), dass die Angehörigen der Pflegeberufe alle Mühe haben, den neuen Anforderungen an Qualifikation und Verantwortungsnahme gerecht zu werden. Gleichzeitig müssen sie ihren rechtlichen Status nicht nur festigen, sondern weiterentwickeln.“
Hier drängt sich ggf. der Schluss auf, dass die Pflege vielleicht ein wenig mit der Doppelgleisigkeit ihres Vorhabens überfordert ist. Reicht es nicht zu, wenn vorab die Pflege dafür Sorge trägt, dass die neuen Anforderungen an die Qualifikation erfüllt werden, bevor darüber nachgedacht wird, ihren Status weiter zu entwickeln? Dieser Status wird zugleich in der Substitution ärztlicher Leistung erblickt und da darf denn in der Tat auch schon mal kritisch nachgefragt werden, ob hierzu die Pflege derzeit überhaupt formell und materiell qualifiziert ist, wenn sie denn ohnehin noch Mühe haben, die gegenwärtig an sie gestellten neuen Anforderungen zu erfüllen?
Es bedarf keiner großen Phantasie, dass sich überzeugend in einem Alternativrechtsgutachten darlegen ließe, dass vieles dafür spricht, ggf. die Möglichkeit zur Delegation ärztlicher Tätigkeiten neu auszuloten, ohne hiermit die Gesamtverantwortung der Ärzteschaft insgesamt in Frage zu stellen so wie gute Gründe dafür streiten, dass die Pflegekammer kommen kann, aber nicht muss.
Im Rahmen der Neuordnung der Gesundheitsberufe sollte in der Debatte darauf geachtet werden, dass nicht aus berufspolitischen Visionen gleichsam konkrete Maßgaben für das Recht folgen, mal ganz davon abgesehen, dass die Debatte jeweils für die verschiedenen Versorgungsbereiche getrennt zu führen ist. Und gerade hier drängt sich insbesondere weiterer Gesprächsbedarf auf. Nun mag es nicht gerade populär sein, im Rahmen der Diskussion um die Neuordnung auch an die gelegentlich feststellbaren Defizite in der pflegerischen Versorgung zu erinnern, ohne hier in eine Pauschalkritik zu verfallen. Aber sind es vielleicht auch in Teilen die „Mühen“, von denen Igl in seinem Rechtsgutachten spricht?
Oberstes Gebot im Rahmen der Debatte muss schlicht die formelle und materielle Qualifikation sein und diese erschließt sich zugleich neben der Grundpflege insbesondere aus der medizinischen Behandlungspflege, die nach wie vor zuvörderst eine der ärztlichen Primärpflichten ist. Nehmen wir diesen Befund ernst, dann kann m.E. kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass die medizinische Behandlungspflege (etwa mit Blick auf die Pharmakotherapie) für sich genommen als weiteres Aufgabenfeld für die Pflegenden ein Qualifikationsniveau erfordert, dass in Teilen einem Facharztstandard gleichkommt. Ist es da legitim nachzufragen, ob im Zweifel einige Pflegende ihr Berufsziel verfehlt haben, wenn dies für sich reklamieren, ggf. bei chronischen Erkrankungen die Medikation zu übernehmen und das hierfür erforderliche Rezept auszustellen?
Der emanzipatorische Anspruch der Pflegeberufsverbände ist durchaus lobenswert, wenngleich hierin zugleich die Gefahr einer Verabsolutierung pflegerischen Könnens begründet liegt: es scheint mir keiner guter Stil zu sein, etwa den Medizinischen Fachangestellten unterm Strich die Kompetenz abzustreiten, obgleich sich diese für einen anderen Weg der Professionalisierung in enger Kooperation mit den Ärzten entschieden haben.
Sofern also die Pflege sich zu „Höherem“ berufen fühlt, ist dies – wohlgemerkt – durchaus legitim. Dann kann es aber kein Zweifel daran geben, dass in der Folge die Pflegenden auch das volle Haftungsrisiko zu tragen haben.
Hier scheint mir aber zuweilen das Engagement doch verhalten zu sein, wie an zahlreichen Beispielen diskutiert werden könnte und es kommt nicht von ungefähr, dass hier insbesondere die Versicherungsbranche eindeutliche gesetzliche Grundlagen für den Zuschnitt von „neuen“ Aufgaben einfordert, denn das Thema ist eben nicht durch einen Satz nach dem (rechtsirrigen) Motto „Sichert Euch durch eine Berufshaftlichtversicherung ab“ geklärt!
Lutz Barth













