(openPR) Ein neues Leben - Hilfe für Kinder nach der Tsunami-Katastrophe in Indien
Der zweite Weihnachtstag 2004. Ein Tsunami verwüstet weite Küstengebiete entlang des Indischen Ozeans. 230.000 Menschen verlieren bei der Katastrophe ihr Leben. Die Fluten rauben vielen Familien die Lebensgrundlage. Viele Kinder verlieren binnen Minuten Eltern, Geschwister und Verwandte. Helfen und das so schnell wie möglich. Das war das einzig Wichtige. Die Welle der Hilfsbereitschaft auf der ganzen Welt, vor allem aber in Deutschland, war damals beispielslos. Auch der Essener Energie- und Chemiekonzern RAG leistete schnelle Hilfe und realisierte gemeinsam mit der Kindernothilfe ein nachhaltiges Projekt: Den Bau eines Schülerwohnheims im indischen Tranquebar. So konnten mehrere vom Tsunami betroffene Kinder kurz nach der Katastrophe in eine neues Zuhause umziehen.
Der 11-jährige Johnson liebt Sport. Kricket natürlich, den indischen Nationalsport. Aber am allerliebsten spielt er Fußball. Schule, erklärt er nach einer kurzen Beratung mit seinen Klassenkameraden, findet er "auch toll". Und muss bei der Frage "warum" nicht nachdenken: "Lernen ist wichtig für die Zukunft." Dann dreht er sich um und rennt wieder hinter dem Ball her. Auf einem Platz voller Kuhlen und Buckel, wie er auch in Deutschland zu finden wäre. Doch hier macht der Sand nach wenigen Minuten das Laufen schwer, bei beinahe 40 Grad im Schatten lässt der Staub die Luft flimmern, füllt Nase und Mund. Aber das scheint Johnson und seinen Mitspielern nichts auszumachen.
Der umlagerte Bolzplatz liegt in Tranquebar, einer typischen Kleinstadt in Südindien in dem Bundesstaat Tamil Nadu. Genauer: Hinter dem Ziegenbalg-Heim für Jungen, dem Projekt, das die RAG gemeinsam mit der Kinder-nothilfe realisiert hat. Es ist nach dem Missionar Bartholomäus Ziegenbalg benannt. Das Wohnheim bietet über 200 Jungen ein Zuhause. Ein Platz, an dem die Kinder Essen erhalten und unter dessen Dach sie Hausaufgaben machen oder nachts schlafen. Ein Platz, um mit Freunden Fußball oder Kricket zu spielen. Und ein Platz der Heilung. Denn jeder der Jungen hat in seiner großen Familie mindestens ein Todesopfer zu beklagen, fast zwei Drittel verloren mindestens ein Elternteil. Viele der Kinder erlebten mit, wie die Flut donnernd über den flachen Küstenbereich hereinbrach, sich teilweise mehrere Kilometer weit brodelnd ins Innere wälzte und eine unfassbare Verwüstung anrichtete. Dem ersten Schock folgte die lange Zeit des Leidens: das Suchen nach Familie und Angehörigen, das Stochern in Trümmern und Schutt nach einigen wenigen Habseligkeiten und Andenken. Und dann der Umzug in Übergangssiedlungen. Mehr als die Hälfte der Jungen im Ziegenbalg-Heim bedurfte psychosozialer Betreuung - einige sind noch heute in Behandlung. Denn die Ereignisse haben bei den Kindern tiefe Spuren hinterlassen.
Inzwischen ist das Ziegenbalg-Wohnheim nahezu fertig gestellt. 250.000 Euro stellte die RAG zu diesem Zweck zur Verfügung. Weitere 122.000 Euro fließen zusätzlich 10 Jahre lang in die Förderung von 33 Patenkindern, bis sie nach einer Schul- und Berufsausbildung in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Planung und Umsetzung des Ziegenbalg-Heims übernahm der indische Architekt Davis M. Moses. Mit vielen neuen, für Indien ungewöhnlichen Ideen. So sind Tür- und Fensterrahmen aus Aluminium, das in der salzigen Luft nicht so schnell rostet. Gleichzeitig nutzte er traditionelle und bewährte Elemente: Der Wind zirkuliert durch Ziegel mit großen Löchern und erzeugt angenehme Temperaturen. Trotzdem regnet es nicht herein. Baumaterialien und Bauweisen, die in Tamil Nadu ungewöhnlich sind. Auch die Konzeption der Anlage ist etwas Besonderes: Statt der sonst oft üblichen kasernenähnlichen Massenunterkunft, bietet das Ziegenbalg-Heim kleinere Wohneinheiten, die nochmals in Gruppen organisiert sind. "So entsteht eine fast familiäre Atmosphäre, in der die Jungen Mitbestimmungsrechte haben. Jede Gruppe kann ausdiskutieren, wie der Platz vor der Wohneinheit gestaltet werden soll, und übernimmt dann die Verantwortung von Umsetzung und Pflege", so Guido Falkenberg, Indien-Referent der Kindernothilfe.
Es hat sich viel getan in den letzten anderthalb Jahren nach dem Tsunami. Einen Teil hat die Natur erledigt, vieles ist nachgewachsen, überdeckt einiges. Die Hilfsorganisationen stampfen inzwischen Neubausiedlungen aus dem Boden. Moderne Gebäude, sogar mit sanitären Einrichtungen. Fortschritt in einer Region, in der für viele Menschen fließendes Wasser in der Nähe des Haushalts noch absoluter Luxus ist. Allerdings: Von all den Früchten der Aufbauarbeit blieben die Familien der Jungen im Ziegenbalg-Heim ausgeschlossen. Denn sie gehören zur untersten Kaste des indischen Sozialsystems: den Unberührbaren. Die Dalits, "Unterdrückte", wie sie sich selbst nennen, werden gesellschaftlich gemieden. Ein jahrhundertealtes System, das die Dalits auch von Hilfe bis zuletzt ausschließt. Viele von Ihnen leben seit dem Tsunami noch heute in so genannten "Übergangslagern". Hier stehen lange Hütten dicht nebeneinander, etwa achtmal 45 Meter lang. Meist aus Wellblech, mit Dächern, durch die es bei Regen tropft oder unter denen es in der Tropensonne unerträglich heiß und stickig wird. Im Inneren hat jede Familie einen Raum von rund 16 Quadratmetern. Platt gestampfte Erde, dünne Wände, wieder aus Wellblech, nur anderthalb Meter hoch, dann folgt Luft, dann das Dach in vier Meter Höhe. Hier ist man nie ganz für sich.
Deshalb klopften nach der Flut viele Familien an die Türen des Ziegenbalg-Heims und baten darum, dass ihre Kinder aufgenommen werden, zumindest eines. Denn ist ein Kind versorgt, bleibt mehr für Brüder und Schwestern übrig. Neben einer festen Unterkunft und regelmäßigen Mahlzeiten bietet das Heim auch Unterricht, wie Kunguli berichtet. Sie ist eine junge Mutter, die im Versammlungsraum bescheiden zurückhaltend, doch überzeugend erzählt. Von dem Schicksal ihrer fünf Kinder, von denen sie eines beim Tsunami verlor. Und der Ehre, dass einer ihrer Jungen im Heim eine Chance erhält. Das ist unbezahlbar für die Dalits, die mit durchschnittlich 120 Rupien am Tag auskommen müssen - rund zwei Euro.
Während andere Hilfsorganisationen längst die Zelte abgebrochen und in die nächste Katastrophenregion weitergezogen sind, bleiben die Jungen im Ziegenbalg-Heim bis sie eine schulische oder berufliche Ausbildung abgeschlossen haben. Johnson hat große Pläne. Der 11-jährige will sich nicht ins Abseits stellen lassen, nicht nur auf dem Spielfeld: "Ich möchte Ingenieur werden", sagt er mit Nachdruck, sein Freund Rames nickt zustimmend. "Weil ich gesehen haben, was für wichtige Aufgaben Ingenieure machen. Das möchte ich auch."
Die Kindernothilfe:
Die Kindernothilfe verwirklicht seit über 40 Jahren gemeinsam mit den meist christlichen Partnerorganisationen Kinderhilfsprojekte in Südindien. Eines davon ist das Ziegenbalg-Heim. Partner der Kindernothilfe vor Ort ist der CCCYC, der Churches‘ Council for Child and Youth Care. Die Kindernothilfe wurde 1959 gegründet, um Not leidenden Kindern in Indien zu helfen. Inzwischen ist sie zu einem der größten christlichen Kinderhilfswerke in Europa herangewachsen: Heute erreicht sie über 268.000 Jungen und Mädchen in 1.081 Projekten in 27 Ländern, in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa. Die Förderung erfolgt in erster Linie über eine Patenschaft und immer mit einem ganzheitlichen Ansatz: Die Projekte berücksichtigen schulische und berufliche Ausbildung, die Komponenten Gesundheit und Ernährung und fördern zudem die Familien und das soziale Umfeld. Die Kindernothilfe arbeitet vor Ort mit Partnern zusammen, so dass die Hilfe auf die kulturelle Eigenheiten und die Landesbedingungen abgestimmt wird. In Indien werden in 405 Projekten beinahe 50.000 Kinder erreicht. Die Internetadresse der Kindernothilfe mit Hinweisen auf unterschiedliche Spendenmöglichkeiten lautet: www.kindernothilfe.de
Bilder zur Pressemitteilung können Sie hier downloaden:
Bild 1:
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Bildunterschrift:
Der 11-jähirge Johnson ist ein RAG-Patenkind, das im Ziegenbalg-Heim in Tranquebar ein neues Zuhause fand. (Foto: RAG)
Bild 2:
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Bildunterschrift:
Ein neues Zuhause für rund 200 Jungen: das Ziegenbalg-Wohnheim in Tranquebar. (Foto: RAG)
Bild 3:
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Bildunterschrift:
In den Übergangslagern leben ganze Familien auf nur 16 Quadratmetern. (Foto: RAG)
Bild 4:
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Bildunterschrift:
Lernen, leben und gemeinsam Essen. In kleinen Gruppen können sich die Kinder gut entfalten. (Foto: RAG)
Abdruck honorarfrei mit Quelleangabe
Text und Fotos zum Download verfügbar unter: http://featureservice.rag.de
Ansprechpartner:
Sabrina Herich
Tel.: 0201/177-2225
E.mail:

Die RAG Aktiengesellschaft, Essen, ist ein international tätiger Energie- und Chemiekonzern mit einem Umsatzvolumen in 2005 von rund 22 Mrd. EUR. Der Konzern beschäftigt weltweit rund 98.000 Mitarbeiter. Im zweiten Quartal 2007 plant das Unternehmen mit seinen Geschäftsfeldern Energie, Chemie und Immobilien den Gang an die Börse.