(openPR) Bonn/Hamburg – Am Donnerstag wird er 85 Jahre alt. Und er bekennt im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel http://www.spiegel.de: "Ich bin bisweilen boshaft". Es handelt sich um Deutschlands prominentesten Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki. Dass er "bisweilen boshaft" ist, lässt sich auch an seinen Einlassungen ablesen, die er im Spiegel-Gespräch gegenüber seinem ehemaligen FAZ-Chef Joachim Fest macht. Der Feuilletonchef Fest und der Literaturchef Reich-Ranicki arbeiteten bei der FAZ http://www.faz.net eng zusammen; sie galten sogar als Freunde. Nach der Lesart des "Literaturpapstes" Reich-Ranicki habe die Freundschaft aufgrund des Historikerstreits und der unterschiedlichen Beurteilung von Hitlers Rüstungsminister Albert Speer irreparable Schäden erlitten.
Der Historikerstreit ist mittlerweile Geschichte. Er hat massive persönliche Verletzungen hinterlassen. Sein wissenschaftlicher Ertrag tendierte jedoch gegen Null. Anders gelagert ist der "Fall Speer", der durch Fests Buchveröffentlichungen und den Film von Heinrich Breloer jetzt noch einmal im Zentrum des Interesses steht. Der streitbare Ex-Moderator des Literarischen Quartetts hatte bereits in seinen Erinnerungen "Mein Leben" den Vorwurf erhoben, bei einer Vorstellung von Fests Hitler-Biographie im Hause Siedler sei er ohne Vorwarnung mit Albert Speer konfrontiert worden. "Plötzlich stand vor mir einer der Mörder meiner Eltern und meines Bruders. Niemand hatte mich zuvor gewarnt, auch Fest nicht", so Reich-Ranicki gegenüber dem Spiegel. Unmittelbar nach Erscheinen des Erinnerungsbandes hatte sich der Publizist und Historiker Fest gegenüber der Zeitschrift Criticón http://www.criticon.de zu den Vorwürfen geäußert: "Reich-Ranicki hat sich da eine Geschichte zurechtgemacht. Wenn es der Skandal und dieses tiefe Erschrecken gewesen wären, von dem er jetzt spricht, hätte er dies irgendwann in den 26 Jahren, die seither vergangen sind und in denen wir oft über die Geschichte und über die Nazis gesprochen haben, einmal erwähnt. Er hat das nicht ein einziges Mal getan, und ich habe neulich gesagt, wenn ich jetzt nicht das Speer-Buch geschrieben hätte, wäre ihm seine Empörung gar nicht eingefallen. Aber jetzt bläht er die Sache auf und macht einen ungeheuren Skandal daraus. Hinzu kommt, dass Speers letztes Buch bei der DVA, dem Verlag Reich-Ranickis erschienen ist. Dessen Leiter, Ulrich Frank-Planitz, hat Reich-Ranicki vor dem entsprechenden Buchmessen-Empfang gefragt, ob er irgendwelche Einwände gegen die Anwesenheit Albert Speers habe und als Antwort erhalten: Speers Teilnahme sei ihm zwar nicht angenehm, störe ihn aber nicht. Von Empörung also keine Rede. Es ist ziemlich lächerlich."
Die massiven Vorhaltungen gegenüber Fest, dem Reich-Ranicki "Egozentrik" vorwirft und eine Verharmlosung des "nationalsozialistischen Schwerverbrechers" Albert Speer, machen die Angaben des Spiegel-Interviewpartners unglaubwürdig, er sei zu einer Versöhnung mit Fest bereit. Wenn der ehemalige FAZ-Literaturkritiker sagt, er sei oft aggressiv, aber nicht rachsüchtig, auch nicht gegenüber Fest, dem "es allem Anschein nach sehr schlecht geht", so finden sich völlig anders lautende Erklärungen Fests schon in seinem damaligen Criticón-Gespräch mit Gunnar Sohn und Wolfram Zabel: "Ein alter, aus welchen Gründen auch immer verbitterte Mann, der alle Freundschaften seines Lebens Schritt für Schritt selber zerstört hat, teilt Schuldzuweisungen aus und hüllt sich dabei in den Mantel des politisch Besorgten. Das ist es, Streitsucht und leider auch so etwas wie Narretei liegen dabei, wie oft, dicht beieinander – jedenfalls für den, der ihn und die Dinge genauer kennt."
Kritiker bemängeln, Reich-Ranicki bringe keine neuen Aspekte und wärme in seinem aktuellen Gespräch mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin alte Vorwürfe auf. Außerdem nutze der Publizist sehr geschickt, dass sein "alter Freund" Fest durch neue historische Erkenntnisse über die Rolle von Albert Speer im "Dritten Reich" in die Defensive geraten sei. So sei es zwar zutreffend, dass Fests Speer-Biographie – anders als sein Hitler-Buch – kein Standardwerk mehr bleiben könne und von der Forschung überholt sei. Merkwürdig berühre aber auch das Verhalten des Spiegel, der doch schon seit vier Jahrzehnte gut mit Fest zusammenarbeite. Fest erinnert in der Sommerausgabe des Magazins Criticón, die in diesen Tagen erscheint, dass Rudolf Augstein ihn in den 1960er Jahren in den Kreis seiner "Führerreserve" einordnen wollte. Schließlich hätten sich die beiden auf eine beratende Tätigkeit geeinigt, die Fest beim Spiegel ausüben sollte. Die Einzelhonorare, die er dann für die neu eingerichteten Spiegel-Essays bekam, seien die "Basis meines damaligen Lebens" gewesen, so Fest über die finanzielle Durststrecke, die es bei der Abfassung der 1.000 Seiten-Biographie über Hitler zu überwinden galt. "Dafür werde ich Rudolf Augstein immer dankbar sein", sagte Fest zu Criticón. In seinem vorletzten Buch "Begegnungen" hatte sich Fest voller Sympathie an den Spiegel-Gründer erinnert.
Die Zeitschrift Criticón erscheint vierteljährlich. Das Einzelheft kostet 8,20 Euro. Bestellungen per Fax unter: 0228 – 620 44 75 oder E-Mail: .
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