(openPR) Man muss genau hinschauen. "Peacock - Copland" heißt dieses Duo, nicht "Copland - Peacock". Der alphabetisch spätere und zudem der Bassist wird zuerst genannt. Man muss genau hinhören: Bass und Piano sind hier zwei Instrumente, die intensive Dialoge führen. Der Bass tritt nicht in Begleiterrolle auf - wie auch heute noch so oft -, sondern er ist mindestens gleichberechtigt. Manchmal könnte man hier vielleicht auch sagen: Der Bass ist der Boss. Aber das würde die musikalische Feinfühligkeit dieser beiden Duo-Partner außer acht lassen. Denn Gary Peacock, einer der größten Jazz-Bassisten der letzten Jahrzehnte - nicht zuletzt als Partner von Keith Jarrett in dessen Trios berühmt -, und Marc Copland, einer der stilistisch eigenständigsten Pianisten der weltweiten Jazz-Szene, spielen hier mit Tiefton-Power und Tasten-Finesse einen Jazz von schillernd-schöner Stimmen-Verwobenheit. Insight (Einblick, Einsicht, Erkenntnis): Der Titel dieser CD spricht Bände. Es geht nicht um ein gegenseitiges Übertrumpfen, sondern um eine Begegnung von inniger Intensität.
Diese beiden Musiker haben in den letzten Jahren immer wieder auf Konzert Tourneen Publikum und Kritik begeistert. Die hier vorliegenden dreizehn Stücke sind die musikalische Quintessenz aus dieser Zusammenarbeit. Und vor allem: Sie sind Duo-Stücke, wie man sie sich mustergültiger nicht wünschen kann. Ganz feine Jazz-Kammermusik von Zweien, die einander intensiv zuhören und die hochgradig spannende Dialoge führen. Kein Wunder! Denn diese beiden Amerikaner sind ganz besondere Brüder im Geiste - und von daher als Duo-Partner wie füreinander geschaffen.
Peacock, geboren 1935, hat in seiner langen Karriere ausnehmend viele
Duo-Aufnahmen gemacht - unter anderem mit Ralph Towner, Paul Bley und Bill Frisell. Und eben mit Copland. Wenn er spielt, stellt sich die Frage nicht mehr, ob der Bass mehr ein solistisches oder ein Begleit-Instrument sein soll; denn bei Peacock gehen diese beiden Rollen selbstverständlich ineinander auf. Der Bass kann bei ihm in kürzesten Momenten Perspektiven und Rollen wechseln und ist im Grunde ständig Solist und Begleiter zugleich. Mit seinen ungemein wendigen, konturenscharfen und immer wieder neue harmonische und melodische Winkel eines Stücks ausleuchtenden Linien ist Peacock ein Musiker, der in seinen Interpretationen stets verblüffende Dimensionen findet. Für die ganz intime Form des Jazz-Spiels, das Duo, sind seine tiefsinnigen Ergründungen stets ein ungemein bereicherndes Element.
Marc Copland, Jahrgang 1948, wurde in den letzten Jahren euphorisch von der Fachpresse gefeiert. Er sei "einer der großen Unbekannten des Jazz der Gegenwart" las man unlängst in der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit", das Magazin "Rondo" machte ihn als einen "der wichtigsten Pianisten unserer Zeit" aus. Die österreichische Zeitschrift "Jazzzeit" wiederum identifizierte mit Copland die "sanfte Revolution des Jazzpianos". Nach drei unterschiedlichen Trios mit Copland als Bandleader (den bei Pirout veröffentlichten, in Kritiken umjubelten New York Trio Recordings) tritt Copland hier nun also als Partner seines Langzeit-Kollegen Gary Peacock in Erscheinung (der in zwei der "New York Trio"-Formationen ebenfalls vertreten war).
Peacocks Spiel ergänzt sich mit demjenigen des Pianisten Marc Copland auf
verblüffend organische Art. Copland öffnet stets Räume mit seinen rätselhaft schwebenden und ganz feine Farbschattierungen ergebenden Harmonien. Er ist kein Viele-Noten-Spieler, sondern einer, der die Stimmen mit Bedacht aufeinander zu laufen und auseinander hervor wachsen lässt. Einer der mit seinen Akkorden feine Lichtwirkungen erzielt. Flimmernde Rätselhaftigkeit zeichnet seine Klänge aus. Und eine Klarheit, die an eine große Glasfläche zu erinnern scheint, in der man sich spiegeln kann und unter der es viele Geheimnisse gibt.
Genau das nutzen die beiden Musiker hier mit stiller, souveräner Bravour. Sie spiegeln einander. Ihr jeweiliges Spiel wirft dasjenige des anderen als faszinierendes Bild zurück. Im wachen Aufeinander-Reagieren kann man ihre Eigenheiten besonders erkennen. Und die erscheinen hier so geschärft wie vielleicht in keiner anderen Duo-Formation. Was diese Spiegelungen von manchen anderen unterscheidet: Sie sind uneitel. Nirgends wollen diese beiden Musiker hier nur jeweils sich selbst spiegeln und sich im Glanz des eigenen Könnens sonnen. Sondern es geht um das gegenseitige Erkennen im spiegelnden Miteinander. Peacock und Copland gehen besonders gut aufeinander ein, und gerade dadurch wird jeder von beiden auch besonders erkennbar. Das ist eine ganz hohe Kunst des Duo-Spiels.
Hochgradig reizvoll ist es, diese Qualitäten anhand ganz unterschiedlichen Materials zu studieren. Etwa mit dem sehr forsch angegangenen Miles-Davis-Klassiker All Blues, der den Hör-Weg für diese CD weist. Denn die Rollen von Solist und Begleiter wandern hier so subtil und schnell zwischen Bass und Klavier hin- und her, dass der Zuhörer die Aufmerksamkeit schärft für alles Folgende. Und das ist stets von flirrender Kommunikations-Intensität geprägt - ob in Stücken wie The Wanderer und Rush Hour, für die beide Improvisatoren als Komponisten zeichnen, in dem charmanten Uralt-Standard Sweet and Lovely (von 1931), in Dave Brubecks lyrisch-beschwingter Komposition In Your Own Sweet Way oder aber in einem Peacock-Stück namens The Pond, das mit seinen beunruhigend unaufgelösten Akkorden dem Hörer suggeriert, in soghafte Tiefen einzutauchen. Wie unalltäglich die Interpretationen der beiden Musiker sind, zeigt sich auch in dem Klassiker Blue in Green, jenem stets als Miles-Davis-Komposition verzeichneten Stück, das neueren Erkenntnissen zufolge eher von dem Pianisten Bill Evans stammt: Wie Peacock und Copland hier die schwebenden Farbschattierungen dieser zarten Ballade realisieren und dabei eine ungemein präzise Langsamkeit zum Ereignis werden lassen - das ist Jazz-Atmosphäre von enormer, aber leiser Kraft.
In den meisten Fällen scheint hier wirklich der Bass zunächst den Ton anzugeben. Er übernimmt meist die melodische Führung und ist solistisch hochpräsent. Und doch sind hier Partner zu hören und kein Solist mit Begleiter. Diese Partner gehen musikalisch wunderbar ineinander auf und bringen sich und die Stücke auf eine höhere Ebene. Insight eben: Die hohe Kunst, Dingen auf den Grund zu gehen und dabei die Eitelkeit, den Reiz des rein äußerlichen Glanzes, souverän hinter sich zu lassen. Peacock und Copland, Bass und Piano: ein Traumpaar für Innensichten und tiefere musikalische Erkenntnis.
Besetzung:
Gary Peacock bass
Marc Copland piano
Tracks:
1. All Blues 4:17 2. The Wanderer 2:22 3. Blue In Green 6:23
4. Rush Hour 2:40 5. River's Run 6:42 6. Matterhorn 2:19
7. The Pond 4:18 8. Goes Out Comes In 6:49 9. Late Night 2:21
10. Cavatina 7:20 11. In Your Own Sweet Way 4:48
12. Benediction 3:34 13. Sweet And Lovely 3:36
+++Pressestimmen+++
Harald Schwiers in Kurier (Karlsruhe) 4.9.2009:
"Wenn ein Bassist auf dem Cover vor dem Pianisten genannt wird, dann weiß der Kenner: Hier erwartet ihn etwas ganz Besonderes. Das ist kein herkömmliches Piano-Duo, in dem der Bass den rhythmischen Hintergrund
ausmalen darf und gelegentlich ein kleines Solo bekommt. Peacock und Copland funktionieren so nicht. Zu individuell ist jeder, technisch zu brillant, zu eingespielt sind die zwei aufeinander als Duo und im Trio. Eher reflektieren sie, aber jeweils den Kollegen und dessen Ideen. Das hat nichts mit dem üblichen Frage-Antwort-Spiel zu tun. Hier passiert etwas zwischen den Notenlinien. Der Hörer hört: Sie hören aufeinander. Und wer Miles Davis' Klassiker "All Blues" 50 Jahre nach "Kind of Blue" zum CD-Opener macht, der muss tatsächlich etwas zu sagen haben. Das haben Peacock und Copland jede Menge. Stück für Stück."
Stefan Pieper in Die Jazzzeitung 5/2009:
"Ein halbes Jahrhundert nach "Kind of Blue" kommt so manche Revolution im Jazz eher sanft daher. Etwa, wenn sich Bassist Gary Peacock und der Pianist Marc Copland eigentlich überhaupt nichts mehr zu beweisen, aber dafür umso mehr zu sagen haben. Wenn es um den symbiotischen Austausch musikalischer Innenenansichten geht. "Insight" lautet entsprechend der Titel ihres jüngsten, auf dem deutschen Pirouet-Label erschienenen Albums. Hier ziehen die langjährigen Weggefährten neue Eigenkompositionen aus dem Hut und gehen mutig mit Kostbarkeiten der Jazz-Historie auf Tuchfühlung. Wer den langjährigen Keith-Jarret-Bassisten Peacock kennt, erwartet alles und nur keinen schnöden Begleiter auf den tiefen Saiten. Erwartungsgemäß fordert Peacocks Spiel heraus mit seinen weit tragenden Linien und solistischen Einwürfen, die gerne durch Hintertüren kommen. Das schwärzt Hintergründe für oft regelrecht impressionistische Stimmungsbilder im Zusammenwirken mit dem Pianisten Marc Copland. Copland lädt seinen Klavierton manchmal mit regelrecht mystischer Schwere auf. Das alles revolutioniert die Hörerfahrung bei „All Blues" aus dem berühmtesten Jazz-Album der Musikgeschichte. Es gibt keine Bläsersection wie beim Original von 1959 mehr, doch die hier entstehende aufwühlende Klangwelt, vor allem aber Coplands latent neutönerische Harmonieverläufe scheinen derartige „Verluste" mehr als wett zu machen. Sämtliche dieser Qualitäten setzen sich fort in facettenreichen Eigenkompositionen des Duos. Differenzierte, oft auch sehr ruhelose Stimmungsbilder werden hier frei – einer der Höhepunkte ist hier sicherlich Marc Copland`s „River`s Run" mit seiner bestechenden lyrischen Klarheit. Dann wieder kreuzen Standards den Weg. Ein weiteres Kind-of-Blue-Stück kreiiert – vor allem im Moment seiner Einleitung – einen der ganz besonderen Momente des Albums. Peacock und Copland greifen zunächst jene Debussy-artigen Mischakkorde des vorausgegangenen Stücks „The Wanderer" auf, modulieren diese dann behutsam in die Blues-Harmonik der Davis-Ballade „Blue in Green" hinein. Als wollten sie hier dem Hörer einen besonders geschmeidigen roten Teppich für den sanften Übergang auslegen!"













