(openPR) Ressourcenaktivierung bei demenziell erkrankten Menschen durch Märchen
Märchen haben eine große Bedeutung für Menschen. Sie dienen nicht nur zur Unterhaltung, in ihnen wurde auch das Wissen der Menschen von Generation zu Generation weitergegeben. In einfachen Bildern, ohne vielschichtige Differenzierungen, treffen Gut und Böse im Märchen aufeinander, Opfer und Täter handeln, wie es die Rolle vorschreibt, die Protagonisten haben keine Zweifel an ihrem Tun, sie agieren gradlinig, es gibt einen versöhnlichen Ausgang und der schlichte Erzählstrang ermöglicht, die Identifikation mit den Rollenfiguren.
In der Arbeit mit demenziell erkrankten Menschen, können Märchen einen Zugang zu der Welt abseits der kognitiven Defizite finden. Oft ist das Leben eines demenziell erkrankten Menschen durch den Verlust der Alltagsbeziehungen und Alltagssprache gekennzeichnet. Mit zunehmender Orientierungslosigkeit und geistigem Abbau, nehmen die basalen Bedürfnisse nach verlässlicher Nähe und vertrauten Bezugspersonen zu. Mit den Märchen sind positive Beziehungseindrücke verbunden, meistens wird mit ihnen die beschützte, geborgene Umgebung bei den Eltern oder den Großeltern gleichgesetzt. Eine Atmosphäre, die durch Wohlfühlen gekennzeichnet ist. In dieser Wohlfühlatmosphäre werden manche Dinge möglich, die vorher nicht möglich erschienen.
Mit demenziell erkrankten Menschen erlebe ich immer wieder bewegende Augenblicke voller märchenhafter Möglichkeiten. Rapunzel, Dornröschen, Sterntaler und Co. werden wieder zum Leben erweckt. Mit dem freien Erzählen, Requisiten und Instrumente erleben die Zuhörer die Welt der Märchen. So gibt es beim Märchen vom schönen Dornröschen eine duftende Rose zum Riechen und Fühlen. Und dann beginnen sie zu erzählen, die Frauen und Männer, die schon so viel erlebt haben und nun oft nicht mehr die Worte wieder finden können. Sie erzählen von Brautsträußen, Verehrern und Blumen im offenen Haar. Oder sie erzählen vom Teilen in tiefster Kriegsarmut und den Freudentränen darüber, als sie das Märchen vom Sterntaler hören. Sie knuspern voller Vergnügen an einem Lebkuchenhaus nach dem Märchen Hänsel und Gretel und wissen noch von dem Erleben, als alle Hunger hatten oder als man sich im Wald verirrte. Nur einen Augenblick lang.
Doch diese Augenblicke sind es, die mir zeigen, dass in den Menschen, die sich von unsere Welt entfernt haben, Erinnerung erzählt, Worte gesagt und Gefühle gelebt werden wollen. Manchmal ist es, ein Lächeln, wenn das Glockenspiel einen Klang von sich gibt, als würde ein großer Stern am dunklen Himmel schweben. Manchmal ist es der Stolz in den Augen, wenn nach anfänglicher Unsicherheit, fünf kleine, grüne Erbsen aus einer dicken Erbsenschote gedöppt werden, um sie der Prinzessin unter die Matratze zu legen. Manchmal sind es die Tränen, die sich in die Augen stehlen und der Händedruck ohne Worte, der so viel sagt.
Diese Augenblicke zeigen, dass Märchen demenziell erkrankte Menschen erreichen, anders als unsere Alltagssprache. Sie leben in ihnen weiter, die Märchen von Rapunzel, Dornröschen, Sterntaler und Co.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.












