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Zwischen allen Stühlen. Matthias Walden war den Rechten zu links und den Linken zu rechts

20.02.200611:43 UhrPolitik, Recht & Gesellschaft

(openPR) Bonn/Berlin - Ruhm ist vergänglich. Dies gilt in besonderem Maß für Publizisten, die in der Regel für den Tag schreiben und meist nach ihrem Tod in Vergessenheit geraten. Außer Ernst Cramer in der „Welt“ erinnerte 2004 kaum jemand an den 20. Todestag von Matthias Walden, den Axel Springer zu seinem Nachfolger im Verlag ausersehen hatte. In seiner Doktorarbeit mit dem Titel „Wider den Zeitgeist? Konflikt und Deeskalation in West-Berlin 1949 bis 1965“ widmet der junge Historiker Daniel Schwane Walden jetzt ein Kapitel.

Walden wurde 1927 in Dresden als Eugen Wilhelm Otto Baron von Saß geboren, volontierte nach dem Krieg bei der Dresdner „Union“ – dem Organ der CDU in der SBZ – und ging 1950 über Westdeutschland nach West-Berlin, um dort rasch Karriere zu machen. Unter dem „Kampfnamen“ Matthias Walden sprach er sechs Jahre lang als RIAS-Kommentator zur Bevölkerung in der Zone. Laut Schwane sympathisierte der spätere entschiedene Antikommunist zunächst durchaus mit der Verstaatlichung der Wirtschaft, ohne sich jedoch jemals für den Sozialismus begeistern zu können. Walden, so der Verfasser, sei anfangs weder antirussisch noch –sowjetisch eingestellt gewesen: „Dennoch stellte er zunehmend Ähnlichkeiten zwischen den Machtinszenierungen der Nazis und den Aufmärschen, Fackelzügen und Uniformen in der SBZ fest. Walden fühlte sich von diesen Spektakeln geradezu angewidert, wie sich ein enger Freund erinnert.“

Ekel vor den Aufmärschen der Braunen und der Roten

Insbesondere wegen seiner Tätigkeit als scharfzüngiger Kommentator für „Die Welt“ und „Welt am Sonntag“ wurde Walden zu einem Hassobjekt der politischen Linken. Schwane macht jedoch deutlich, dass der ungeheuer produktive Radio-Kommentator, Print-Journalist und Buchautor kein Reaktionär oder „Rechter“ war. Walden sei von den beiden Diktaturen auf deutschem Boden geprägt worden und habe sich „neben seinem Engagement gegen das SED-Regime ebenso stets für eine ‚hart geführte’ Auseinandersetzung mit den personellen und ideologischen Restbeständen des Nationalsozialismus in Deutschland“ ausgesprochen. Trotzdem galt er vielen als „Rechter“. Schwane hält dies für nicht stichhaltig: „In der Tat wandte er sich gegen jede Form des Rechts- und Linksextremismus.“

Warum konnte sich Walden nicht für das Klima der Entspannung erwärmen, welches in den sechziger Jahren auf westlicher Seite immer spürbarer werden sollte? Schwane zufolge waren für Walden Verhandlungen ethisch nicht zu rechtfertigen, wenn sie auch nur die Möglichkeit einer Aufwertung der ostdeutschen Diktatur in sich bargen.

Der schon in jungen Jahren sehr erfolgreiche und bekannte Publizist habe sich als Kommentator, Verfasser von Artikeln, als Diskutant und Reporter lebhaft an den deutschlandpolitischen Debatten der 50er und 60er Jahre beteiligt. Auch hinter den Kulissen habe er mit Willy Brandt und Egon Bahr in den Jahren 1963 und 1964 über die Entspannungspolitik gestritten. Die beiden SPD-Politiker hätten seine Ansichten zwar nicht geteilt, aber doch respektiert, so Schwane. Bahr und Walden kannten sich überdies aus gemeinsamen Tagen als Redakteure beim RIAS.

Mit der späteren Entwicklung des sensiblen und brillant formulierenden Stilisten, der bereits 1984 an Krebs sterben sollte, geht der Autor an einigen Stellen überkritisch ins Gericht. Waldens Weltbild habe eine „erstaunliche statische Grundhaltung“ aufgewiesen. Seine Botschaft sei zusehends berechenbar geworden, er habe sich in der Rolle einer konservativen Kassandra gefallen und nur noch zu seiner Gemeinde gepredigt. Es klingt unangenehm herablassend, wenn der 1972 geborene Doktorand schreibt: „Tatsächlich kann Walden der Vorwurf nicht erspart bleiben, im Stil des Feuilletons moralistische Positionen formuliert zu haben, vor der jegliche Realpolitik versagen musste.“

Die Geschichte hat ihm Recht gegeben

So kann man die Dinge sehen. Aber hat Walden wirklich so falsch gelegen, als er bis zu seinem frühen Tod für das Lebensrecht Berlins, die Wiedervereinigung seines Vaterlandes, die Menschenrechte in Mittel- und Osteuropa sowie die Bekämpfung des braunen und roten Totalitarismus gestritten hat? Warum gerade diese Haltung keine „realpolitische“ war, kann Schwane nicht ausreichend begründen. Letztlich haben sich wohl eher die Ideen Waldens durchgesetzt als die seiner politischen Gegner. Kritteleien an Waldens Sprache und seiner vermeintlichen Eitelkeit hätte sich der Verfasser ebenfalls verkneifen können. Außerdem ist es fragwürdig, Walden mit dem Etikett „Nationalkonservativer“ zu belegen, da dem unermüdlichen Streiter für Freiheit und Einheit schon seit Kindheitstagen jeder nationalistische Überschwang ziemlich zuwider war. Und Probleme mit den kulturellen Aspekten der Westernisierung hatte er schon lange nicht. Schade, dass einige Vorurteile über Walden nicht auszurotten sind. Schön, dass überhaupt mal wieder jemand an ihn erinnert.

Daniel Schwane: Wider den Zeitgeist? Konflikt und Deeskalation in West-Berlin 1949 bis 1965. ibidem-Verlag: Stuttgart 2005. 264 Seiten, 29,90 Euro, ISBN 3-89821-526-1

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