(openPR) Aus Olsberg im Sauerland zum Praktikum nach Dortmund – eigentlich kein Problem. Der Zug fährt stündlich in beide Richtungen. Ohne Umsteigen dauert die Fahrt gut eine Stunde. Für Aliyaa Saba aus Olsberg ist Dortmund aber Welten weit weg. Die 28-Jährige möchte ein Praktikum als Servicekraft in einem Hotel machen. Wegen ihrer Behinderung sitzt sie im Rollstuhl. Zudem muss sie drei Mal pro Woche zur Dialyse.
„Wer hilft mir am Dortmunder Hauptbahnhof aus dem Zug? Wie komme ich von dort zur Praktikumsstelle? Kann ich auch in Dortmund zur Dialyse gehen? Diese Fragen beschäftigen mich so sehr, dass ich darüber nachdenke, ob ich das Praktikum überhaupt beginnen soll“, berichtet Aliyaa Saba. Dabei wäre es für sie ein weiterer Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt. Derzeit arbeitet sie im Café Sonnenblick, einem integrativen Café im Josefsheim Bigge. Das Café Sonnenblick ist barrierefrei. Hier spielt die Behinderung der jungen Frau keine Rolle.
Das Josefsheim ist ein Dienstleister für derzeit rund 750 Menschen mit Körper-, Sinnes- und komplexen Behinderungen, die sich hier für den Arbeitsmarkt qualifizieren. „Für gut qualifizierte Menschen mit Behinderung ist oft der Weg zur Arbeit ein Problem“, sagt Jürgen Mies, Bildungsbegleiter im Josefsheim. Zusammen mit weiteren Partnern geht das Josefsheim dieses Problem jetzt in einem Projekt an. „Kompetent mobil“ heißt es und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales finanziell gefördert. Die Partner sind das Berufsförderungswerk Bad Wildbad im Schwarzwald, der Deutschen Rollstuhlsportverband, die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege und das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport der Deutschen Sporthochschule Köln.
Ähnlichen Herausforderungen wie Aliyaa Saba begegnen in Olsberg auch Nadine Hoischen und Natalie Hartog. Auch diese beiden jungen Frauen möchten beruflich weiterkommen, müssten dafür aber sicherer als bisher unterwegs sein. „Das ist das Ziel dieses Projekts“, erläutert Jürgen Mies. „Wir möchten Menschen mit Behinderung befähigen, durch selbstständige Mobilität ihre Berufschancen zu verbessern. Dazu gehört auch, sich in einer unbekannten Umgebung Hilfe organisieren zu können, wenn es nötig ist.“ Zwar gibt es standardisierte Lerneinheiten, die Jürgen Mies und seine Kollegen gerade entwickeln. Die Förderung ist aber immer auf die individuelle Situation des einzelnen Menschen zugeschnitten.
Zum Beispiel bei Nadine Hoischen. Die 19-Jährige kann die Fahrpläne am Bahnhof in Olsberg-Bigge nicht lesen, weil diese im Schaukasten zu hoch hängen. „Ich kann mir aber mit meinem Smartphone und einer entsprechenden App meine Zugverbindung aus dem Internet holen.“ Und damit dann den Weg zu einer Gärtnerei zum Beispiel in Meschede planen, bei der sie ein Praktikum machen möchte.
„Unsere Förderung setzt immer bei den Fähigkeiten des Einzelnen an, nicht bei seinen Defiziten“, beschreibt Jürgen Mies das Konzept. Wie auch bei Natalie Hartog. Für sie bedeuten Fahrten mit Bus und Bahn extremen psychischen Stress. „Ich steige in den Bus und lasse dort die Anzeige nicht aus dem Auge, bis ich wieder aussteige“, erzählt die 20-Jährige. „Aus Angst, ich könnte meine Haltestelle verpassen.“
Der Druck ist so groß, dass sich Natalie Hartog dann nur schwer auf die Arbeit konzentrieren kann. Bei ihr wird das Förderkonzept mit einem Training zum Stressabbau ansetzen. Auch ihr kann eine App fürs Smartphone helfen, die ihr zusätzliche Sicherheit gibt. „Die modernen technischen Möglichkeiten sind für Menschen mit Behinderung sehr gut“, ist Natalie Hartog überzeugt.
Wenn das Projekt auch auf die berufliche Eingliederung zielt, hoffen die Beteiligten doch auf zwei positive Nebeneffekte. Der eine ist mehr Mobilität auch in der Freizeit, zum Beispiel auf dem Weg zu Freunden oder zum Sport. Der andere ist eine zunehmende Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema Barrierefreiheit. Aliyaa Saba bringt es auf den Punkt: „Mobilität bedeutet Lebensqualität.“