(openPR) Kommentar zum BGH-Urteil vom 17.02.2011
Koblenz, 29.03.2011.
Finanzberater sind zu Schadensersatz verpflichtet, wenn sie über Anlagekonzepte mit falschen Angaben und Berechnungen Auskunft erteilen – selbst wenn der Fehler nicht von ihnen selbst stammt. Das entschied der BGH in einem Grundsatzurteil vom 17.02.2011 (Az. III ZR 144/10).
Der Fall: Ein Ehepaar kaufte 1997 für damals 75.000 D-Mark (38.300 Euro) Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds und finanzierte diese über einen Bankkredit. Das zu erwartende Endvermögen hatte der Finanzvermittler den Eheleuten anhand einer persönlichen Modellrechnung erklärt, die vorher beim Fondsinitiator angefordert wurde. Diese zeigte, je nachdem wie stark die Mieten steigen würden, werde sich der Wert der Geldanlage kontinuierlich um 3 bis 4 Prozent erhöhen. Die Rechnung wies jedoch einen eklatanten Fehler auf: Zwar waren die Fondskosten wie z.B. die Abschlussgebühr von alleine 12 Prozent im Prospekt ausgewiesen, wurden aber in die besagte Modellrechnung nicht mit einbezogen. Während der Fondanbieter also auf dem Papier mit den vollen 38.300 Euro rechnete, betrug der reale Ausgangswert lediglich 29.400 Euro, da der Rest für die erwähnten Fondskosten einbehalten wurde.
Dieser Rechenfehler hätte dem Vermittler auffallen müssen, entschied der BGH: „Ein Anlagevermittler, der gegenüber seinem Kunden die Wirtschaftlichkeit eines Immobilienfonds anhand einer ihm von der Fondsinitiatorin zur Verfügung gestellten persönlichen Modellberechnung erläutert, ist verpflichtet, diese Berechnung einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und den Kunden auf erkennbare Fehler hinzuweisen."
Dass die Berechnung vom Fondsinitiator und nicht vom Vermittler selbst erstellt wurde, entlaste ihn nicht.
Prof. Heinrich Bockholt vom Institut für Finanzwirtschaft in Koblenz und wissenschaftlicher Beirat des FAF-Verlags sieht das Urteil kritisch: „Eine Beraterhaftung zum Schutz der Verbraucher ist selbstverständlich zu befürworten, aber in diesem Ausmaß unzumutbar. Ein Berater muss sich darauf verlassen können, dass Fondsinformationen, die vom Produktgeber freigegeben wurden, korrekt sind. Ziehen wir hier ruhig eine Parallele zur Automobilindustrie. Hier haftet selbstverständlich der Hersteller und nicht der Verkäufer bei technischen Mängeln eines Autos.“
Der FAF-Verlag rät deshalb Finanzberatern:
1. Prüfen Sie Anlagekonzepte auf Plausibilität, da ansonsten keine sachgerechten Auskünfte möglich sind. Tun Sie das nicht, müssen Sie Ihren Kunden darüber informieren.
2. Vermitteln Sie anhand eines Prospekts, müssen Sie den Prospekt kontrollieren, ob dieser ein in sich "schlüssiges Gesamtbild" über das Beteiligungsobjekt gibt und ob die Informationen darin sachlich vollständig und richtig sind - natürlich mit zumutbaren Aufwand. Sie wissen, die BaFin und eventuell eingeschaltete Wirtschaftsprüfer prüfen Prospekte lediglich auf formale Gesichtspunkte.
3. Besonders kritisch sind Modell- und Prognose-Berechnungen - gleich ob von Ihnen oder dem Anbieter erstellt - in Zukunft genauer zu betrachten, da diese anfallende Neben- und Zusatzkosten berücksichtigen müssen. Aus der Sicht des FAF Verlags insbesondere bei:
• Geschlossenen Fonds
• Lebens- und Rentenversicherungen
• Aktienfondssparplänen
• Berechnungen, die Sie mit einer Software oder einem finanzmathematischen Taschenrechner für den Kunden persönlich erstellen.