(openPR) Der bedrohte Lebensraum der Eisbären hat sich mittlerweile zu einer beliebten Allegorie für Erderwärmung und Klimawandel entwickelt. Ob Nachrichten, Magazin-Beiträge oder Dokumentationen, kaum jemand kann sich offenbar den sehr emotionalen Bildern von Tieren entziehen, die auf schmelzenden Eisflächen um ihr Überleben kämpfen. So ist es nicht verwunderlich, dass auch Nissan dieses arg strapazierte Sinnbild nutzt, um auf dem US-Markt das Zeitalter der elektrischen Fortbewegung zu propagieren.
Das neuste 60s Epos für den Nissan Leaf beginnt mit eben diesen Impressionen schmelzender Eisflächen und wechselt dann zu einem einsamen Eisbären, der auf einer winzigen Scholle im Meer treibt. Er schwimmt schließlich ans Festland, wo er auf der Suche nach Nahrung in fremder Umgebung bis in die Großstadt marschiert. Schließlich findet er dort eine andere Spezies, die sich Gedanken über den Erhalt seines natürlichen Lebensraums macht. Ein Mann kommt aus einem typischen Vorstadt-Bungalow und geht zu seinem Nissan Leaf, der in der Einfahrt vor der Garage parkt. Während er die Autotür öffnet, nähert der Bär von hinten, richtet sich in seiner beeindruckenden Größe auf und umarmt den Mann voller Dankbarkeit. Fast der gesamte Spot ist nur mit ruhiger Musik unterlegt, erst am Ende verkündet eine Voice-over voller Sendungsbewusstsein die Botschaft "The 100 percent electric Nissan Leaf. Innovation for the planet. Innovation for all."
Nach einem Bericht von adnews-online stammt die Eingangssequenz des amerikanischen Spots aus Dokumentar-Material, die meisten übrigen Szenen wurden mit einem echten, filmerprobten Eisbären gedreht. Dabei wurden die nächtlichen Großstadt-Erlebnisse computer-generiert und der Truck auf der Landstrasse getrennt aufgenommen und später einkopiert. Auf reale Nachtszenen hat man verzichtet, um den natürlichen Schlaf-Rhythmus des Bären nicht zu stören, der sehr dicht vorbei fahrende Truck hätte das Tier erschreckt.
Erwartungsgemäß kursiert die Odyssee des Eisbären umgehend auf YouTube und hat in der ersten Woche bereits rund 1 Millionen Aufrufe generiert. Dazu hat Nissan ein 3:30 langes "Behind the Scenes" auf die Video-Plattformen gestellt, eine erhebliche Medien-Resonanz dürfte der ungewöhnlichen Auto-Werbung ebenfalls sicher sein.
Betrachtet man die Fakten, trügt das rührende Bild allerdings ein wenig und der Dank des Eisbären dürfte noch etwas verfrüht sein. Der erste Schritt in die automobile Zukunft wird frühestens zum Jahreswechsel ausgeliefert und auch dann zunächst nur in 5 Bundesstaaten. Mit einem flächendeckenden Vertrieb wird auf dem US-Markt nicht vor 2012 gerechnet. Zur Rettung des arktischen Lebensraums werden die Elektroautos auf absehbare Zeit kaum nennenswert beitragen können, auch wenn uns das die ausdrucksstarken Bilder suggerieren wollen. Hinzu kommt, dass in den USA rund die Hälfte des Stroms in Kohlekraftwerken produziert wird, in einigen Regionen sogar fast der gesamte Bedarf.
Branchen-Experten bezweifeln ohnehin eine breite Akzeptanz für den Nissan Leaf, da er als reines Elektroauto nur einen Aktionsradius von rund 100 Meilen hat. Und auch das nur ohne zusätzliche Belastung der Batterie, etwa durch Klimaanlage oder Heizung. Deshalb zeigt ein speziell entwickeltes Programm auf dem Navigationssystem sicherheitshalber den Bereich an, den man erreicht, bevor die Energie zur Neige geht. Was man macht, wenn man doch mal unvermittelt unterwegs stehen bleibt, ist bislang noch weitgehend ungeklärt.
Die Konkurrenz hat bislang allerdings auch kein schlüssiges Konzept gefunden. Das zweite eAuto für den Massenmarkt, der Chevrolet Volt, hat trotz seines Namens keinen reinen Elektroantrieb. Die Batterien reichen nämlich nur für die ersten 40 Meilen, danach schaltet sich ein herkömmlicher Benzinmotor ein und erzeugt via Generator den benötigten Strom. Damit bietet der Volt zwar eine wesentlich größere Reichweite, dafür aber recht geringe ökologische Vorteile gegenüber einem klassischen Hybrid-Modell.
Ganz andere Sorgen plagt eine amerikanische Naturschutz-Organisation, die angesichts der liebevollen Umarmung im Nissan-Spot eindringlich vor der Verharmlosung einer Begegnung zwischen Mensch und Eisbär gewarnt hat.