(openPR) In der ersten Ausgabe der Fachzeitschrift zum Pflegerecht des Jahres 2009 mag es sich angeboten haben, in einem Editorial sich zu den (scheinbar) drängenden Problemen einer Neuordnung genuin ärztlicher Aufgaben zu widmen, steht doch das Thema seit Längerem nicht nur auf der berufspolitischen Agenda etwa der Ärzteschaft, sondern insbesondere auch der Pflegenden. Von daher ist es konsequent, dass der Pflegerechtler Robert Roßbruch sich hierzu positioniert hat und sein Votum ist denn auch hinreichend klar umgeschrieben: „Es ist daher höchste Zeit, dass es auch in Deutschland zu einer geregelten Substitution ärztlicher Tätigkeiten auf die Pflege kommt“, so Roßbruch und er nimmt hierbei Bezug aus das Beispiel in Österreich, wo er mutmaßt, dass die österreichischen Ärzteorganisationen nicht mit „dicken ideologischen und machtpolitischen Scheuklappen“ unterwegs seien, wie dies wohl in Deutschland der Fall sei.
Nun – Robert Roßbruch unterstellt hier zunächst der verfassten Ärzteschaft, aber auch der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gewissermaßen „Machtinteressen“, bei denen es weniger um eine gute medizinisch-pflegerische Versorgung und damit um die Gesundheit der Patienten gehe, sondern vielmehr ganz „trivial um Macht, Planstellen und im hausärztlichen Bereich auch um Geld“. Ob dieses zutrifft, mag ein Jeder für sich selbst entscheiden, zumal es hierbei nicht ausgeschlossen ist, dass diese Motivlage exakt derjenigen der Pflegeberufsverbände entsprechen könnte, die gerne im „Haifischbecken der Selbstverwaltungskörperschaften“ mitschwimmen möchten.
In der Tat warnen sowohl die Ärztekammer als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung vor einer „Medizin-Light“ und wie mir scheint, wohl auch aus guten sachbezogenen Gründen.
Das zentrale Argument von Roßbruch allerdings, dass „die bestehende Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die unklaren Handlungskompetenzen der einzelnen Berufsgruppen im Gesundheitswesen und die damit einhergehende Haftungsproblematik dadurch hervorgerufen wird, weil die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte bis dato gesetzlich nicht geregelt ist“ und es demzufolge der Bundesgesetzgeber in unverantwortlicher Weise den Einzelnen (Träger und Ärzte) überlässt, welche Tätigkeiten auf eine Pflegefachkraft zu delegieren seien, verfängt m.E. nur in dem Maße, als dass hier sich ein Regelungsbedarf feststellen lässt. Nicht hingegen spricht dieser von R. Roßbruch gezogene Befund allerdings für eine Substitution genuin ärztlicher Leistungen auf die Pflegenden, sondern allenfalls für eine rechtliche Aufarbeitung der mit der bis dato erfolgten Delegation (ärztlicher) Leistungen auf das „nachgeordnete“ medizinisch-pflegerische Assistenzpersonal. Das Pflegerecht selbst hat hierzu in den letzten Jahren ein Erhebliches dazu beigetragen, dass die Rechtslage statt klarer eben unklarer wurde, in dem jeweils ohne eine gebotene Differenzierung mit Blick auf die verschiedenen Versorgungsstrukturen das Pflegerecht sich an dem „Arztrecht“ orientierte, ohne hierbei zu erkennen, dass die gewachsene Arzt-Pfleger-Krankenhaus-Patienten-Beziehung in eigenständige hierarchische Strukturen eingebunden ist, die nicht ohne weiteres auf den ambulanten oder stationären Bereich in Alteneinrichtungen übertragen werden kann. In Maße, in dem „ärztliche Tätigkeiten“ durch renommierte Pflegerechtler zu sog. „Pflichtaufgaben“ stilisiert wurden, nahm zugleich auch die Transparenz in dem eigentlichen Kompetenzgefüge ab und führte so „sehenden Auges“ in die unklare Haftungsproblematik, die allerdings so unklar eigentlich nicht ist .
Nunmehr schicken sich nahezu einmütig alle Pflegeverbände an, dem fragwürdigen Beispiel einiger Pflegerechtler zu folgen, in dem sie sich „ihre eigenen Realitäten“ schaffen, um deretwillen es doch möglich sein muss, dass nunmehr der Gesetzgeber zum Handeln „verpflichtet“ werden kann. „Wir können das“ ist das Leitmotiv insbesondere der Funktionäre der Pflegeberufsverbände und neben der Forderung, endlich berufsständische Kammern in den einzelnen Bundesländern zu etablieren, liegt es freilich auch nahe, nunmehr ärztliche Aufgaben in einem mehr oder minder großen Stile für sich reklamieren zu wollen.
Freilich wird diesseits nicht verkannt, dass gerade Robert Roßbruch zu den Pflegerechtlern zählt, der insgesamt die Probleme der Neujustierung der Aufgaben in den Gesundheitsfachberufen differenziert behandelt wissen will und insofern dürfen wir ihn nicht an seinem aktuellen Editorial messen; dies würde seiner fachlichen Reputation nicht gerecht werden und wir sollten das Editorial als ein Zeichen dafür nehmen, dass nunmehr seit Jahren endloser Debatten das Pflegerecht (!) endlich eigene Konturen bekommt.
Die Überschrift des Editorials hätte auch lauten können: „Richtig delegieren statt irgendwie mit aller Macht substituieren zu wollen“, denn in der pflegerechtswissenschaftlichen Diskussion lässt sich derzeit noch kein Konsens über den „richtigen Weg“ finden, mal ganz von den Fragen der formellen und materiellen Qualifikationserfordernisse der Pflegenden und den Voraussetzungen für die „Modell-Vorhaben“ nach dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz abgesehen.
Lutz Barth












