(openPR) Okkultismus ist wieder en vogue! Das zeigt die Kunst und Wissenschaft dieser Tage. 2006 und 2007 fand eine Vielzahl von wissenschaftlichen Fachtagungen zur Rolle der Esoterik innerhalb der abendländischen Kulturgeschichte statt, so zum Beispiel die Fachtagung „Die Enzyklopädik der Esoterik“ im Dezember 2006 in Wolfenbüttel oder die ESSWE-Tagung „Esoterik und Wissenschaft“ im Juli 2007 in Tübingen. Aber nicht nur Kultur- und Literaturwissenschaftler scheinen sich wieder für das Okkulte zu interessieren, vor allem auch in der Kunst finden sich deutliche Anzeichen einer Auseinandersetzung mit dem Okkultismus als Inspirationsquelle für künstlerische Produktion. Die Hamburger Kunsthalle initiierte im Juni 2007 eine Filmreihe zum Thema Spuk und Psychokinese. „Künstler und Wissenschaftler stellen übersinnliche Phänomene vor und beleuchten den Einfluss des Okkultismus auf die Kunst seit Beginn des 20. Jahrhunderts bis heute.“ (siehe Pressemeldung auf OpenPR).
Die Kunstgeschichte blendet die okkulten Inspirationsquellen vieler bekannter Künstler und Künstlerinnen der Moderne mittlerweile nicht mehr aus, der Okkultismus ist längst keine randständige „Metaphysik der dummen Kerle“ mehr, wie ihn der Philosoph Theodor W. Adorno in den 50er Jahren noch bezeichnete. Die wichtige Rolle des Okkultismus für die Kunst der Moderne wurde historisch nachgewiesen, Ergebnisse dieser Forschung waren 2005 in Hamm zu bewundern: die Tagung und anschließende Ausstellung im Gustav-Lübcke-Museum bezeugen die Verbindungen des Bauhauses mit der Esoterik.
Okkultismus in der Kunst ist aber kein rein historisches Phänomen. Der seit 2001 aktive Kunstorden O.T.R.D. – Orden für okkulte Kunst bemüht sich gleichsam um eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Okkulten in der Kunst. Die Künstlervereinigung mit Arbeitskreisen in Berlin, Mainz und München geht nach eigener Aussage bewusst nicht „neutral“ ans Werk; wissenschaftliche Reflexion spielt zwar eine große Rolle, nicht wenige Mitglieder des O.T.R.D. arbeiten in wissenschaftlichen Umfeldern, doch die künstlerische Herangehensweise steht im Vordergrund. Der O.T.R.D., seit 2006 mit eigenem Kleinverlag, knüpft mit seiner Arbeit an die Tradition der Surrealistenorden um André Breton an und erzeugt ein kreatives Umfeld, das nicht ganz ohne Selbstironie an die okkulten Zirkel zu Beginn des 20. Jahrhunderts erinnert. Schwerpunkt der „Ordensarbeit“ ist die Untersuchung der Verbindung von Kunst und Okkultismus und die Konzeptionalisierung einer Synthese aus beiden Praxisfeldern.
Zur Geschichte und Ästhetik dieser Synthese ist jüngst im Bohmeier Verlag Leipzig das Buch „ARS OCCULTA. Überlegungen zur Okkulten Kunst“ erschienen. Der Autor Alexander Graeff, selbst Mitglied im O.T.R.D., präsentiert mit „ARS OCCULTA“ seine „Erfahrungstheorie“ der Okkulten Kunst, eine Auseinandersetzung mit gängigen Kunstpositionen und der Frage, inwieweit die Moderne Kunst Spuren „okkulter Denkweisen“ aufweist. „ARS OCCULTA“ ist das Nachfolgewerk des 2005 im gleichen Verlag erschienenen „Manifest der Okkulten Kunst“, das auch einige Positionen des O.T.R.D. präsentierte.
Man darf auf weitere Entwicklungen auf diesem Gebiet gespannt sein. Neben der kulturwissenschaftlichen Fragestellung wird in Zukunft auf die soziale Rolle des „modernen Okkultismus“ eingegangen werden müssen, denn bei aller Öffentlichkeitspräsenz dieses Themas zurzeit darf und kann das Phänomen des Okkultismus hinsichtlich seiner Ideengeschichte nicht unkritisch betrachtet werden.
O.T.R.D. – Orden für okkulte Kunst
Schönhauser Allee 133
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