(openPR) "Die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes bei der Organspende, wie sie vom Ethikrat jetzt vertreten wird, schadet dem Anliegen eher, als dass sie ihm nützt. Entscheidend ist, dass der Mensch auch über den Tod hinaus nicht zum Objekt gemacht wird…"
"Die Einschränkung des Selbstbestimmungsrechtes bei der Organspende, wie sie vom Ethikrat jetzt vertreten wird, schadet dem Anliegen eher, als dass sie ihm nützt. Entscheidend ist, dass der Mensch auch über den Tod hinaus nicht zum Objekt gemacht wird. Wer sich nicht ausdrücklich erklärt hat, dessen Zustimmung zur Organspende darf nicht einfach vorausgesetzt werden. Auch darf niemand zur Entscheidung gezwungen werden.
Wer bei ethischen Fragen die Freiheit des Menschen als oberstes Gebot der Menschenwürde zugrunde legt, muss im Zweifel auch damit leben können, dass jemand sich ausdrücklich nicht entscheidet. Das sage ich gerade auch als Christ, dem das Gebot der Nächstenliebe natürlich eine Entscheidung zugunsten der Organspende nahe legt. Als wertkonservative Christen sollten wir für die Organspende werben und nicht die Menschen in Geiselhaft nehmen."
Quelle: CareLounge >>> Statement v. Kauder >>>
http://www.carelounge.de/pflegeberufe/news/news_ansehen.php?meldungID=1902
mit weiteren News zum Thema Organspende.
Kurze Anmerkung (Lutz Barth):
Die Aussagen mancher Politiker zur aktuellen Stellungnahme des Ethikrats zur Organspende lassen in der Tat den Schluss zu, dass manche, die den Vorschlag rigoros ablehnen, die Stellungnahme nicht gelesen haben. Diese Einschätzung von der Vorsitzenden des Ethikrats, Kristiane Weber-Hassemer, dürfte durchaus zutreffend sein, zumal der Ethikrat keine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts fordert und der Hinweis von Kauder, dass wertkonservative Christen eher für die Organspende werben und nicht die Menschen in Geiselhaft nehmen sollten, in diesem Kontext stehend schlicht unverschämt und unqualifiziert ist. Es scheint derzeit in Mode zu kommen, dass diejenigen, die nicht dem Mainstream und dem alltagsphilosophischen Räsonnieren der Politiker erliegen, als Geiselnehmer tituliert werden, anstatt mit verfassungsfesten Argumenten aufzuwarten. Sofern sich die politisch Verantwortlichen etwas intensiver mit der Stellungnahme des Ethikrats auseinandersetzen sollten – was freilich zu hoffen ansteht - dürfte schnell die Spreu vom Weizen getrennt werden. Der Vorschlag des Ethikrats nimmt die Bürgerinnen und Bürger insofern in die „Pflicht“, in dem in erster Linie aus guten verfassungsrechtlichen Gründen daran zu erinnern ist, dass das Selbstbestimmungsrecht auch eine Kehrseite beinhaltet: nämlich die der hohen Selbstverantwortung. Aus der Sicht der Politiker mag dies ein wenig anrüchig erscheinen, setzen diese doch in aller Regel auf ihre repräsentative, vom Staatsvolk auf Zeit verliehene Macht, die demokratisch legitimiert ist. Das Selbstbestimmungsrecht hingegen ist durchaus einer verfassungsrechtlichen Abwägung zugänglich, mal ganz von den Ermessens- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abgesehen. Völlig zu Recht hat der Ethikrat darauf hingewiesen, dass das Recht auf Selbstbestimmung gem. Arzt. 2 I GG expressis verbis unter einem Gesetzesvorbehalt steht. Sofern also den Bürginnen und Bürger in einer ersten Stufe eine Erklärung zugemutet wird, ist dies nicht nur legitim, sondern vor allem auch wünschenswert, ringt doch der Staatsbürger weitestgehend um Autonomie im weitesten Sinne, in dem er selbst über seine Geschicke entscheiden will, ohne hierbei besonderen gattungsethischen oder sonstigen Zwängen ausgesetzt zu sein. Den Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande ist also durchaus ein Mehr an Selbstverantwortung mit Blick auf die Wahrnehmung ihrer grundrechtlichen Freiheiten nicht nur zuzutrauen, sondern gelegentlich auch zuzumuten, auch wenn dies nicht immer unbedingt im Interesse so mancher Parteipolitiker stehen dürfte. Der vom Ethikrat vorgezeichnete Weg ist verfassungsrechtlich gangbar, ringt er doch in Zeiten eines allgemeinen Wertediskurses dem Bürger eine selbst zu verantwortende Entscheidung ab, für deren Transparenz der Gesetzgeber in einem geeigneten Verfahren Sorge zu tragen hat. Nicht zuletzt die anstehende und höchst zähe Debatte um die Patientenverfügung zeigt im Übrigen die Ambivalenz eines Verfassungsverständnisses von dem Selbstbestimmungsrecht und der Würde des Menschen aus der Sicht der Politiker, wenn es darum geht, „Freiheiten“ zu gewähren oder etwa mit Blick auf den immer wieder diskutierten Abschuss eines mit Passagieren besetzten und zu Zwecken des Terroreinsatzes entführten bemannten Flugzeuges gestatten zu wollen. Der CDU, aber auch anderen Parteien, wird es wohl kaum gelingen, über einen verfassungsrechtlich bedenklichen Spagat hinweg zu täuschen, in dem das Selbstbestimmungsrecht oder die Würde des Menschen gleich einem Fähnchen im Winde nach den alltagspolitischen Erfordernissen gedreht wird. Verfassungsrechtliche Kontinuität ist gefordert, so dass das Selbstbestimmungsrecht zunehmend in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken ist, um ihnen mehr als bisher (und vielleicht gewünscht) Entscheidungsfreiheiten zuzubilligen, freilich unter der Last einer hohen Eigenverantwortung! Nach einer entsprechenden Aufklärungskampagne dürfte dann der Gesetzgeber überrascht sein, wie sehr unsere Bürgerinnen und Bürger es begrüßen werden, wenn sie in ihren bedeutsamen und höchstpersönlichen Angelegenheiten einmal selbst gehört werden würden.
Lutz Barth