(openPR) Mit dem erwarteten Wegfall des Embargos im Frühjahr 2016 bietet der Iran europäischen Unternehmen ein überaus günstiges wie interessantes Potential für den Wieder- bzw. Neueinstieg in den iranischen Markt. Welche Chancen und Risiken dieser Markt birgt, welche möglichen Markteintrittsstrategien es gibt und was bei den jeweiligen Strategien besonderer Aufmerksamkeit bedarf, erläutert Volker Klosowski, Geschäftsführer von WB & K Iran Consulting.
Der Iran – ein Land, das in den letzten Jahrzehnten immer wieder im Fokus der Weltöffentlichkeit stand. Weniger aber in wirtschaftlicher als vielmehr in außenpolitischer Hinsicht. Die islamische Revolution und die Machtergreifung durch Ajatollah Chomeini, anhaltende Anfeindungen mit den USA und Israel, der Iran als „Achse des Bösen“ (George W. Bush), radikale Reden von Mahmud Ahmadinedschad oder der Iran als atomare Gefahr für die gesamte Region? Die westliche Reaktion gipfelte in einem Embargo, das den Iran wirtschaftlich praktisch vom Westen isolierte.
Bei all der außenpolitischen Dramatik ging aber weitestgehend unter, wie erfolgreich westliche Unternehmen über Jahrzehnte hinweg Geschäftsbeziehungen mit dem Iran pflegten. Und auch, dass das Geschäftsklima zwischen westlichen und iranischen Unternehmen durch Vertrauen und Professionalität geprägt war und man auf aufgeschlossene, freundliche und gut gebildete Gesprächspartner traf.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Unternehmen, die in der Zeit vor dem Embargo sehr erfolgreiche Geschäftsbeziehungen mit dem Iran unterhielten, sich dem persischen Markt wieder zuwenden, sollte das Embargo fallen. Spätestens nach dem Wiener Abkommen vom 15. Juli 2015 sind die Anzeichen hierfür sehr konkret und ab dem Frühjahr 2016 scheint der Iran auch deutschen Unternehmen wieder offen zu stehen. Daher stellt sich vielen Unternehmern die Frage nach dem Eintritt bzw. Wiedereintritt in den 80-Millionen-Einwohner-Markt Iran.
Die Standortfaktoren sind für nahezu alle Branchen zu vielversprechend, um diese zu ignorieren. Die Berichterstattung der Erkenntnisse aus zahlreichen mehr oder weniger gut organisierten Delegationen, Messebesuchen und sonstigen Marktveranstaltungen machen Mut. Strategieaussagen internationaler Konzerne lassen viele Zulieferbetriebe erwarten, dass eine Präzenz im Iran zukünftig unverzichtbar ist.
Allein diese kurze Betrachtung sollte den zukunftsgerichteten Unternehmer zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den Chancen, aber auch Risiken eines Markteintritts in den Iran motivieren.
MARKTCHANCEN
Bei im Vergleich zu Deutschland nahezu gleicher Einwohnerzahl – 80.8 Mio. vs. 81 Mio. – liegt das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 309 Mrd. € im Vergleich zu Deutschland mit 2,7 Bill. € um einen Faktor neun auseinander. 44 Mio. Iraner sind unter dreißig: eine Gruppe, die Englisch spricht, sich für Reisen und das Leben im Westen interessiert und nach mehr Freiheit strebt. Der jährliche Anteil von Hochschuleinschreibungen in Höhe von 58 % liegt auf gleichem Niveau wie Deutschland. Damit bietet Iran neben dem bekannten Ressourcenreichtum – größte Gas- und drittgrößte Ölreserven weltweit, wertvolle Rohstoffe wie Kupfer und Zink, weltweit gefragte Agrarprodukte wie Reis, Zuckerrohr, Baumwolle oder Nüsse – beste Voraussetzungen, diese Lücke dynamisch zu verkleinern.
Zudem befinden sich die Infrastruktur und die Industrie auf einem beachtlichen Niveau. Die lokalen Geschäftspartner wissen deutsche Qualität zu schätzen und sind, als Teil der internetaffinen Gesellschaft, trotz mehr als zehnjähriger Isolation bestens über bestverfügbare Technologien und Produkte informiert.
Ausgeprägt sind eine starke Markenorientierung und ein hohes Qualitätsbewusstsein.
Mit Sicht auf die nächsten fünf Jahre wird ein Wachstum von im Durchschnitt 4- 5 % pro Jahr erwartet, ergo gute Voraussetzungen bei steigender Nachfrage Marktanteile zurückzugewinnen (Deutschland liegt trotz Embargo auf Platz 5 der wichtigsten Handelspartner). Die deutsche Industrie steht hier im Wettbewerb mit europäischen Firmen und denen, die in die Lücke gestoßen sind, die europäische Firmen hinterlassen haben. Das sind vor allem chinesische Unternehmen.
MARKTRISIKEN
Wo Licht ist, ist in der Regel auch Schatten. Neben allgemein bekannten Risiken sind speziell für den Iran folgende Fallstricke zu erwarten: Gestärkt durch die Krise, sind sowohl Politik als auch Unternehmer selbstbewusster und fordernder. Der Wettbewerbsdruck hat sich deutlich gesteigert. Dies führt im Allgemeinen zu der Erkenntnis, dass sich die Marktregeln gegenüber der Zeit vor dem Embargo deutlich verändert haben. Im Konkreten heißt das aber auch, dass insbesondere für Firmen, die einen Wiedereintritt prüfen, Geschäftsmodelle, Partner und Netzwerke auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Im Iran ist der direkte Kontakt zu der Entscheiderebene der Schlüssel zum Geschäftserfolg. Auch hier haben sich mit der neuen Regierung deutliche Veränderungen eingestellt.
Der neue wirtschaftspolitische Ansatz der iranischen Regierung besteht nicht nur aus dem Import von Produkten. Iran will, dass deutsche Unternehmen vor Ort produzieren und Arbeitsplätze schaffen. Dies soll perspektivisch die Rolle des Irans als attraktiver Handelspartner in den etwa 250 Mio. Einwohner zählenden umliegenden Regionen stärken und damit die z. Zt. hohe Abhängigkeit von der Ölpreisentwicklung relativieren.
Iran verfügt zwar mit geschätzt über 100 Mrd. USD Währungsreserven über genügend Geld, um die überfälligen Investitionen zu bezahlen, allerdings liegt der Finanzsektor durch die Sanktionen bedingt danieder und bedarf größter Anstrengungen, um weltweiten Geschäftsverkehr sicher zu gewährleisten. Die Diskussion über strategische Investitionen dominiert häufig die Projektverhandlungen.
Als Konsequenz aus diesen Betrachtungen ist die Kenntnis der komplexen lokalen rechtlichen und gelebten Rahmen- und Randbedingungen zum Aufbau und zur Steuerung einer Präsenz unabdingbare Voraussetzung für ein erfolgreiches Geschäft.
Wenn auch allgemein von dem Wegfall des Embargos mit dem so genannten „Implementation Day“ im Frühjahr 2016 gesprochen wird, so ist in Wien ein schrittweiser Austritt vereinbart worden, der für die nächsten Jahre weiterhin Iranspezifische Kenntnisse und Erfahrungen der Export- und Aussenwirtschaftsregularien erforderlich macht.
MARKTEINSTIEGS- UND MARKTBEARBEITUNGSSTRATEGIEN
Der Einstieg bzw. Wiedereinstieg in den Markt Iran macht die Planung eines individuellen, auf das Unternehmen zugeschnittenen Maßnahmenkatalogs erforderlich. Neben Timing ist insbesondere die Entscheidung der angestrebten Marktbearbeitung von besonderer Bedeutung. Folgt man dem Lehrbuch, sind „emerging markets“ dynamisch zu besetzen, um den so genannten „first mover“ Vorteil für sein Unternehmen zu sichern. Dies trifft mit Sicherheit bedingt auch auf den Iran zu. Mit Kenntnis, wie der Markt im Iran funktioniert, nämlich dass Entscheidungsprozesse sehr lange andauern, Vereinbarungen nicht immer exakt eingehalten werden und belastbare, vertrauensvolle Partnerschaften vor kurzfristiger Gewinnmaximierung stehen, wird nachfolgend der Fokus auf die Diskussion möglicher Geschäftsmodelle gelegt.
Export
Da das iranische Recht eine Vertretung vor Ort erforderlich macht, ist eine Warenlieferung in den Iran als direkter Export ausgeschlossen. So dass bei einer Festlegung auf reines Exportgeschäft, als die mit Sicherheit kostengünstigste Markteintrittsstrategie, die Suche nach einem „passendem“ Vertriebspartner ansteht. Dies ist – unter Würdigung der iranischen Geschäftskultur – die nahezu erfolgsbestimmende Herausforderung. Nehmen Sie sich Zeit und wägen Sie ab.
Bei allen Vorteilen, z. B. dass sich Export auch unproblematisch wieder einstellen lässt, keine Vorabinvestitionen in Mitarbeiteraufbau und Vor-Ort Infrastruktur erforderlich sind, sind die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß des angestrebten unternehmerischen Erfolges sicherlich entscheidungsbestimmend. Der Verzicht auf direkten Kundenkontakt, keine eigenen Erfahrungen mit dem Iran als weiche Faktoren sind neben harten Fakten wie Druck auf die Rendite durch Zölle oder zu erwartende Local-Content-Vorschriften Nachteile, die einer kritischen Betrachtung zu unterziehen sind.
Lizenzierung
Vermehrt werden insbesondere von lokalen ambitionierten Unternehmern Lizenzabkommen vorgeschlagen. Sicherlich ein reizvoller Gedanke, ressourcenschonend und ohne den Wettbewerbsnachteil „Zölle“, von der Wachstumsdynamik im Iran zu partizipieren. Hier ist der Lizenzgeber in vielerlei Hinsicht von der richtigen Partnerwahl abhängig. Nicht nur monetärer Markterfolg, sondern auch Renommee und Know-how werden durch den Lizenznehmer substanziell beeinflusst. Wenn auch durch Verträge, die kulturbedingt nicht immer exakt eingehalten werden, nur bedingt Risikominimierung betrieben werden kann, ist hier der persönliche Kontakt und Vertrauen zu dem iranischen Geschäftspartner von entscheidender Bedeutung für einen nachhaltigen Geschäftserfolg.
Franchising
Sehr speziell, aber aufgrund des hohen Lifestyles und der Markenaffinität der jungen iranischen Bevölkerung eine mögliche Option, die hier der Vollständigkeit halber erwähnt, aber nicht tiefer bewertet wird.
Kooperationen
Ein sicherlich probates Mittel, das Länderrisiko Iran in den Griff zu bekommen. Durch ein Joint Venture können zudem Importrestriktionen umgangen und Local-Content-Vorschriften eingehalten werden. Auch ist politische Unterstützung sicher zu erwarten. Es kann zudem auf die Marktkenntnisse des lokalen Partners zurückgegriffen werden. Dies hat sicherlich im Umgang mit der iranischen Kultur einen großen Vorteil.
Bei der Prüfung dieser Option ist nach sorgfältiger Partnersuche zu empfehlen, die jeweiligen Zielvorstellungen klar und offen zu definieren und abzustimmen. Ein Ausstiegsszenario sollte bereits festgelegt werden, um sich, im Falle sich erwartungsgemäß über die Zeit einstellender geänderter Zukunftsausrichtungen, professionell und fair trennen zu können. Mitarbeiteraufbau und -bindung müssen beherrscht werden, da sicherlich Markteilnehmer Know-how über Mitarbeiterabwerbung gewinnen wollen. Die zur Steuerung und Kontrolle des Joint Ventures erforderlichen Ressourcen sind nicht zu unterschätzen. Das Top Management sollte für Kontaktpflege und Geschäftstreffen mit dem Partner viel Geduld und vor allem Zeit mitbringen und unternehmerisch flexibel reagieren können.
Akquisitionen
Auch wenn Iran im Grundsatz über eine reife Industrie verfügt, stellt sich aufgrund der nur schwer nachvollziehbaren Besitzstrukturen und Eigentumsverhältnisse und der hohen staatlichen Dominanz Iran z. Zt. nicht als Markt für strategische Investitionen dar. Auch hier wird auf eine Diskussion verzichtet. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass sich, durch Regierungsprogramme motiviert, die Privatisierung dynamisch entwickelt und dies das momentane Bild deutlich verändern wird.
Tochtergesellschaft
Das iranische Recht bietet die Möglichkeit, eine 100 % Niederlassung oder Produktionsstätte zu errichten und damit strategisch unabhängig Kundennähe aufzubauen und konsequent eigene Ziele zu verfolgen. Die eigene Firmenkultur kann so bestmöglich erhalten und evolutionär an die lokalen Marktbedingungen angepasst werden. Eine ausschließliche Steuerung der Aktivitäten durch „Expats“ stellt jedoch nur die zweitbeste Lösung dar. Hier sollte besser gleich in persisch-sprachige Kollegen investiert werden. Dies ist auch dabei hilfreich, neben der Geschäftskultur das schwierige rechtliche und steuerrechtliche Umfeld aus eigener Kraft beherrschen zu lernen. Dennoch sollte der Aufwand für die Abstellung von Mitarbeitern quer durch alle Hierachieebenen nicht unterschätzt werden.
Neben dem sicherlich allein durch die Höhe der Investitionssumme bestehenden Finanzrisiko sollten die Risiken, die aus einer schwierigen staatlichen Bürokratie resultieren, gemanagt werden und der Unternehmer über den sprichwörtlich gebotenen langen Atem verfügen.
EMPFEHLUNG
2016 scheint ein überaus günstiger Zeitpunkt für einen Neu- bzw. Wiedereinstieg in den iranischen Markt zu sein. Die Rahmenbedingungen und Potentiale werden allgemein als sehr günstig bewertet.
Deshalb empfiehlt sich eine solide Vorbereitung des Eintritts bzw. Wiedereintritts unter Berücksichtigung Iran-spezifischer Besonderheiten.







