openPR Recherche & Suche
Presseinformation

Experte erklärt Whistleblowing als Kontroverse zwischen Loyalitätspflicht und Zivilcourage

11.12.201522:16 UhrWissenschaft, Forschung, Bildung
Bild: Experte erklärt Whistleblowing als Kontroverse zwischen Loyalitätspflicht und Zivilcourage
Abschlussvorlesung der GenerationenHochschule im Jahr 2015 mit Promovend Simon Gerdemann.
Abschlussvorlesung der GenerationenHochschule im Jahr 2015 mit Promovend Simon Gerdemann.

(openPR) Über 150 Gäste lockte die Dezember-Vorlesung in das AudiMax der Hochschule Harz nach Wernigerode. Der Jurist Simon Gerdemann berichtete unterhaltsam und fachkundig über das Thema „Corporate Whistleblowing – Legalitätskontrolle in Unternehmen zwischen kollektiver Ethikoffensive und unkollegialem Denunziantentum“. Whistleblower sind spätestens seit Edward Snowden auch im deutschen Sprachraum bekannt. Hinter dem englischen Begriff verbirgt sich ein Insider, der Unternehmensinterna oder Staatsgeheimnisse an die Öffentlichkeit bringt. „Ich werde Ihnen heute nicht sagen können, was Sie von Whistleblowern zu halten haben, das müssen Sie selbst entscheiden“, betonte der 29-Jährige gleich zu Beginn.

Gerdemann, Doktorand an der Georg-August-Universität Göttingen, sorgte bei der Begriffserläuterung für Aha-Erlebnisse: „Die englischen Polizisten, ‚Bobbys‘ genannt, blasen in ihre Trillerpfeife, ‚to blow a whistle‘ heißt das. Eine Übersetzungsmöglichkeit lautet ‚jemanden verpfeifen‘. Während der Whistleblower im anglo-amerikanischen Raum also positiv besetzt ist, sind wir hierzulande allein sprachlich schon im Bereich des Denunziantentums“. Damit war der internationale Rechtsexperte, der seinen Master of Laws an der renommierten University of California, Berkeley, erworben hat, auch schon bei seinem Kernthema: Den Unterschieden zwischen Deutschland und den USA, wo die Ursprünge des Whistleblowings liegen.

Während der Sezessionskriege in den 1860er Jahren grassierte Betrug gegenüber der Regierung; statt Munition wurden leere Pulverfässer und statt stolzer Kriegspferde lahme Esel verkauft. Der „False Claims Act“ förderte daher Whistleblowing finanziell: Wer einen Betrug meldete, hatte Anspruch auf 50 Prozent des Strafschadensersatzes und der jeweiligen Geldbuße. Dies war Vorbild für weitere Programme, bspw. sogenannte „Whistleblower Offices“. Diese zentralen Anlaufstellen sorgen für den Schutz des „Geheimnisverräters“; eine Notwendigkeit bei vergleichsweise lockerem Kündigungsschutz.

In Deutschland hingegen sei Whistleblowing ein expliziter Kündigungsanlass aufgrund der Loyalitätspflicht. Als kulturelle Erklärungsansätze eignen sich u.a. die Erfahrungen aus totalitären Regimen. Erst 2001 begann ein Wandel in der Rechtsprechung. Exemplarisch ist der sogenannte „Sozialarbeiterfall“; dieser wurde jedoch gegen einen Arbeitnehmer und Whistleblower entschieden. „Dieser hat nicht intern auf höherer Ebene Beschwerde eingelegt und – noch wichtiger – seine Motive erschienen fragwürdig. Es lag nahe, dass er seinem Chef ‚eins auswischen‘ wollte“, so der Dozent. Während es in den USA nicht um die Motive sondern nur um die Inhalte geht, ist dies in Deutschland anders: Strafrechtlich Relevantes kann gemeldet werden, aber die Gründe dafür dürfen nicht „sachfremd“ sein. Auch ist es schwierig einen Adressaten zu finden, da es keine „Whistleblower Offices“ gibt. Simon Gerdemann hatte weitere spannende Fälle auf Lager. „Der Berliner Internetversandhändler Zalando schrieb eine Kopfprämie aus für Mitarbeiter, welche die Minderleistung von Kollegen melden. Das wurde innerhalb kurzer Zeit wieder abgeschafft, weil die Belegschaft auf die Barrikaden ging“, so der Wissenschaftler.

Wie er versprochen hatte, gab es auch abschließend keine Antworten, nur viele Fragen: „Brauchen wir in Deutschland ein Whistleblower-Gesetz? Ja, denn diese Menschen brauchen Rechtssicherheit. Brauchen wir Reformen? Vielleicht. Aber wie aussichtsreich ist das bei der derzeitigen Macht der Konzerne? Ist ein kultureller Wandel notwendig? Werden Whistleblower als Ratten und Denunzianten gesehen? Sollte die Gesellschaft anders denken – wir sind skeptischer als die USA – und ist das gut so? Denken Sie an die Kollegialität als wichtiges gesellschaftliches Konstrukt und an das Unbehagen bei Geldflüssen für Whistleblowing“, betonte der Promovend. Das letzte Bild der Präsentation zeigte Edward Snowden; Simon Gerdemann entließ seine Hörer mit einem letzten Denkanstoß: „Die US-amerikanische Regierung hat ihn übrigens nie einen Whistleblower genannt, dort gilt er als Verräter.“

Der nächste Vortrag der GenerationenHochschule findet am Dienstag, dem 12. Januar 2016, von 17 bis 19 Uhr, im AudiMax („Papierfabrik“, Haus 9) auf dem Wernigeröder Campus statt. Der Theologe und Pädagoge Peter Lehmann spricht über das Thema „Stolpersteine – Spuren jüdischen Lebens“ und stellt ausgewählte Schicksale der während des zweiten Weltkrieges ermordeten und vertriebenen Wernigeröder Juden vor. Die Teilnahme ist wie immer kostenfrei. Die Anmeldung erfolgt unter www.generationenhochschule.de.

Diese Pressemeldung wurde auf openPR veröffentlicht.

Verantwortlich für diese Pressemeldung:

News-ID: 883602
 77

Kostenlose Online PR für alle

Jetzt Ihren Pressetext mit einem Klick auf openPR veröffentlichen

Jetzt gratis starten

Pressebericht „Experte erklärt Whistleblowing als Kontroverse zwischen Loyalitätspflicht und Zivilcourage“ bearbeiten oder mit dem "Super-PR-Sparpaket" stark hervorheben, zielgerichtet an Journalisten & Top50 Online-Portale verbreiten:

PM löschen PM ändern
Disclaimer: Für den obigen Pressetext inkl. etwaiger Bilder/ Videos ist ausschließlich der im Text angegebene Kontakt verantwortlich. Der Webseitenanbieter distanziert sich ausdrücklich von den Inhalten Dritter und macht sich diese nicht zu eigen. Wenn Sie die obigen Informationen redaktionell nutzen möchten, so wenden Sie sich bitte an den obigen Pressekontakt. Bei einer Veröffentlichung bitten wir um ein Belegexemplar oder Quellenennung der URL.

Pressemitteilungen KOSTENLOS veröffentlichen und verbreiten mit openPR

Stellen Sie Ihre Medienmitteilung jetzt hier ein!

Jetzt gratis starten

Weitere Mitteilungen von Hochschule Harz - Hochschule für angewandte Wissenschaften

Hochschule Harz öffnet ihre Türen für Informationstag und Campusfest
Hochschule Harz öffnet ihre Türen für Informationstag und Campusfest
Am Samstag, dem 4. Juni 2016, präsentiert die Hochschule Harz ihre ganze Vielfalt. Besucher, Schülerinnen und Schüler sowie Hochschulangehörige sind herzlich nach Wernigerode und Halberstadt eingeladen, wenn vier Veranstaltungen – der Tag der offenen Tür, der Bewerbertag, das Absolventen-Treffen und das alljährliche Campusfest – zu einem Event verschmelzen. Der Tag der offenen Tür wird durch den amtierenden Rektor Prof. Dr. Folker Roland um 10 Uhr (Standort Wernigerode, Hörsaal C) eröffnet; bis 16 Uhr informieren Schnuppervorlesungen, Führung…
Fachkräftegewinnung gemeinsam mit der Hochschule Harz
Fachkräftegewinnung gemeinsam mit der Hochschule Harz
Bereits zum achten Mal findet am Mittwoch, dem 12. Oktober 2016, zwischen 14 und 17 Uhr die Firmenkontaktmesse auf dem Wernigeröder Hochschulcampus (Haus 4) statt. Unter dem Motto „Entdecke Deine Möglichkeiten!“ haben angehende Akademikerinnen und Akademiker die Gelegenheit, potenzielle Arbeitgeber persönlich kennenzulernen. Unternehmen können sich und ihre Tätigkeitsbereiche mit einem Messestand präsentieren und über Einstiegsmöglichkeiten informieren. „Die Firmenkontaktmesse bietet jedes Jahr allen interessierten Besuchern – vom Studienanf…

Das könnte Sie auch interessieren:

Bild: Europa braucht mehr WhistleblowingBild: Europa braucht mehr Whistleblowing
Europa braucht mehr Whistleblowing
Europäische Whistleblower-Organisationen „Whistleblower-Netzwerk e.V“, „Freedom to care“ und „Explisit“ fordern mehr Whistleblowing für Europa. Whistleblowing findet in Europa zu selten statt - mit fatalen Folgen: Korruption bleibt unentdeckt, Lebensmittelskandale häufen sich, Umweltschäden werden vertuscht und es kommt zu vielen vermeidbaren Unfällen. …
Bild: Primat der Politik sichern und Missbrauch von Wirtschaftsmacht verhindern: mit WhistleblowingBild: Primat der Politik sichern und Missbrauch von Wirtschaftsmacht verhindern: mit Whistleblowing
Primat der Politik sichern und Missbrauch von Wirtschaftsmacht verhindern: mit Whistleblowing
… Finanzkrise anzugehen und staatliche Kontrollmechanismen auszubauen, setzen die USA jetzt verstärkt auf ein Instrument, welches diesseits des Atlantiks noch weitgehend unbekannt ist: Whistleblowing. Nach Meinung des Whistleblower-Netzwerks sollten sich Politiker in Deutschland und Europa hieran ein Beispiel nehmen. Schon beim Entstehen der Finanzkrise hatte es …
Bild: Whistleblower-Preise für 2007 sind vergeben - Altenpflege ist dabei vertretenBild: Whistleblower-Preise für 2007 sind vergeben - Altenpflege ist dabei vertreten
Whistleblower-Preise für 2007 sind vergeben - Altenpflege ist dabei vertreten
… Pflegeplätzen. Sie konnte sich mit den dortigen Bedingungen bei der Pflege und Betreuung alter und hilfebedürftiger Menschen nicht abfinden. Sie entschloss sich deshalb zum Whistleblowing, und zwar zunächst betriebsintern. Als dies fruchtlos blieb, wandte sie sich nach „außen“. Deswegen wurde sie gemaßregelt. Ihr Arbeitgeber sprach drei Entlassungen aus. …
Internationaler Rechtsexperte berichtet von Skandalaufdeckern und Denunzianten
Internationaler Rechtsexperte berichtet von Skandalaufdeckern und Denunzianten
… Fälle beschreibt in denen Mitarbeiter oder Kunden auf unternehmensbezogene Missstände mit erheblicher Tragweite hinweisen. Besonders im Zentrum steht dabei die Kontroverse zwischen Loyalitätspflicht und Zivilcourage. Der Dozent geht zudem auf die Entstehung des Whistleblowings in den USA ein, stellt beispielhafte Skandalaufdecker vor und erläutert Implikationen …
Gewalt in der Pflege
Gewalt in der Pflege
… wie ggf. die innerbetrieblichen Spannungen mit Blick auf die Interessen gerade auch der Alterspatienten gewahrt werden können. Das BAG hat mehrfach zu den Loyalitätspflichten der Arbeitnehmer Stellung bezogen und die Rechtsprechung kann durchaus für das interne und betriebliche Konfliktmanagement herangezogen werden. Dass das Thema „Gewalt in der Pflege“ …
Fünf Jahre Whistleblower-Netzwerk e.V.
Fünf Jahre Whistleblower-Netzwerk e.V.
… Akademie in Iserlohn ist der gemeinnützige Verein stetig gewachsen und hat derzeit über 70 Mitglieder, die als Fachleute oder Privatleute die Bedeutung von Whistleblowing erkannt haben und sich gemeinsam für dessen Förderung einsetzen. Im Laufe seines Bestehens konnte Whistleblower-Netzwerk e.V. bereits einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leisten, …
Neue Internet-Plattform - Keine Hilfe für Pflegekräfte
Neue Internet-Plattform - Keine Hilfe für Pflegekräfte
… Verfügung stellt, um entsprechende Pflegefehler zu sanktionieren; hierzu bedarf es nicht der Insider-Informationen einzelner Mitarbeiter, die dann den Spagat zwischen arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten und Zivilcourage zu vollziehen haben und im Zweifel sich durch einen besonderen „Verfolgungseifer“ auszeichnen. In aller Regel kann vielmehr davon …
Bild: Autor Gerhard Wisnewski für Zivilcourage und Whistleblowing ausgezeichnetBild: Autor Gerhard Wisnewski für Zivilcourage und Whistleblowing ausgezeichnet
Autor Gerhard Wisnewski für Zivilcourage und Whistleblowing ausgezeichnet
Der Journalist, Buchautor und Filmemacher Gerhard Wisnewski wird mit dem Preis der José-Lutzenberger-Initiative für Zivilcourage und Whistleblowing zur Bewahrung von Natur und sozialem Frieden ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am Dienstag, den 24.03.2009, im Lindenhof in Bonn statt. Die Initiative zur Gründung der José-Lutzenberger-Stiftung e.V. …
Bild: Pro Fehlerberichts- und Lernsystem in der AltenpflegeBild: Pro Fehlerberichts- und Lernsystem in der Altenpflege
Pro Fehlerberichts- und Lernsystem in der Altenpflege
… Fehler machen, nur muss nicht jeder „jeden Fehler machen“. Das Projekt des KDA ist frei von Ideologien und der Diskussion über die Etablierung eines scheinbar notwendigen Whistleblowing und gebotener Zivilcourage in der Altenpflege und es stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, eine allgemeinzugängliche Plattform für kritische Ereignisse in der …
Ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist überfällig
Ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern ist überfällig
… angesetzten Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages fordert Whistleblower-Netzwerk e.V. die Bundesregierung auf, die Schaffung eines Whistleblowing-Gesetzes nicht länger zu blockieren. Deutschland hatte sich bereits 2010 in einer Erklärung der G20-Staaten politisch verpflichtet den Whistleblowerschutz entsprechend internationaler …
Sie lesen gerade: Experte erklärt Whistleblowing als Kontroverse zwischen Loyalitätspflicht und Zivilcourage