(openPR) Wettbewerb der Regionen um Berufseinsteiger
Die durchschnittlichen Werte der Wohnimmobilien in Hessen gingen in den vergangenen Jahren real um ca. 17 Prozent zurück. Nur in den Kernstädten erwiesen sich die Immobilienpreise als vergleichsweise stabil. Während im ländlichen Raum die Preise seit 2002 um mehr als 30 Prozent nachgaben, sind inzwischen auch im verdichteten Umland der Kernstädte im Mittel deutliche Preisrückgänge vor allem bei Gebrauchtimmobilien zu beobachten. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse neuer Regionalstudien zu den hessischen Immobilienmärkten, die vom Verband der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft (VdW südwest) beim Institut Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt in Auftrag gegeben wurden.
Nordhessen besonders stark vom Werteverfall betroffen, deutlicher Wohnflächenanstieg pro Kopf im ländlichen Raum
Bei der Präsentation der Studie für Nordhessen am Donnerstag in Kassel unterstrich Rudolf Ridinger, Vorstand des Verbandes, dass dies vor allem Nordhessen hart treffe. Dabei sei es den älteren Menschen in dieser Region zu verdanken, dass die Entwicklung in den letzten Jahren nicht noch dramatischer ausgefallen sei. Diese würden häufig in ihren Häusern wohnen bleiben, auch wenn die Kinder ausgezogen seien und ein Ehepartner verstorben sei. Der Vergleich der durchschnittlichen Wohnfläche pro Einwohner mache dies besonders deutlich. So liege im Werra-Meißner-Kreis die durchschnittliche Pro-Kopf-Wohnfläche bei nahezu 50 m², während in Kassel der entsprechende Wert bei knapp über 40 m² liege. Der Werra-Meißner-Kreis verzeichne zudem schon seit Jahren überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten bei der Wohnfläche pro Person.
Der Negativtrend der ländlichen Regionen könnte sich künftig, so Ridinger, sogar noch deutlich verschärfen. So werde deutlich, dass sich der Preisverfall bei Immobilien mit steigenden Leerständen auf den jeweiligen regionalen Märkten rasch dynamisiere. Zudem veranlasse die infrastrukturelle Ausdünnung, so etwa bei der Gesundheitsversorgung, auch ältere Menschen verstärkt dazu, ihren Wohnort zu wechseln. Künftig sei davon auszugehen, dass auch ältere Menschen bei der Wohnortwahl mobiler werden.
Verschärfte regionale Konkurrenz um Zuzug junger Menschen, Kassel rangiert hinter anderen hessischen Zentren
Allerdings sei die Landflucht derzeit noch vor allem durch Wohnortwechsel von Studenten und Berufseinsteigern gekennzeichnet. Dies präge auch die regionale Bevölkerungsentwicklung. „Wie in der Wirtschaft, so herrscht auch im regionalen Wettbewerb inzwischen eine verschärfte Konkurrenz um den Zuzug junger Menschen“, fasste Ridinger das Ergebnis zusammen. Kassel konnte hiervon bislang jedoch, trotz der zuletzt deutlichen Zunahme der Beschäftigtenzahlen, im Vergleich zu anderen Städten, wie etwa Marburg, und weiteren mittel- sowie südhessischen Regionen bei der Bevölkerungsentwicklung kaum profitieren.
Anstieg der Angebotsmieten, Kassel wieder vor Fulda, nordhessische Neubaumieten weit unter hessischem Durchschnitt
Allerdings zeige sich in Kassel die verbesserte Konjunkturlage in steigenden Angebotsmieten. Die durchschnittlichen Angebotsmieten für alle Wohnungsaltersklassen lagen zuletzt nach der IWU-Studie leicht über 6 Euro, und haben damit seit Jahren erstmals wieder den Vergleichswert von Fulda übertroffen. Bei den Neubauwohnungen hat Nordhessen sogar gegenüber dem hessischen Durchschnitt etwas aufgeholt. Trotzdem sei der Abstand mit rund 8,50 Euro im Landesdurchschnitt zu knapp über 7 Euro in Nordhessen immer noch groß.
Mehr Baugenehmigungen aber von niedrigem Niveau, starker Rückgang bei energetischen Sanierungen
Vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf den Immobilienmärkten warnte Ridinger vor weiteren steuerlichen Belastungen, wie etwa durch die diskutierte Anhebung der Grunderwerbsteuer. Dies sei eine definitive Entwertung der Wohnimmobilie als Alterssicherung im ländlichen Raum. Auch dürfe, so Ridinger, der Anstieg der Zahl der Baugenehmigungen in Hessen von zuletzt rund 30 Prozent, nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies eine Steigerung von einem sehr niedrigen Niveau aus sei. Investiert werde im Wohnungsmarkt nach wie vor mit 70 bis 80 Prozent – und damit überwiegend – im Wohnungsbestand, und dieser sei insbesondere im energetischen Bereich im letzten Jahr stark rückläufig gewesen. „Hier hat sich die Kombination von verschärften gesetzlichen Auflagen mit unsicheren Förderbedingungen niedergeschlagen“, so Ridinger. Die geförderten energetischen Sanierungen sind nach Angaben von Ridinger 2011 in Hessen um über 60 Prozent zurückgegangen.
Kooperation statt Belastung mit zusätzlichen Abgaben gefordert
Unverständnis löst bei Ridinger auch die aktuelle Debatte im hessischen Landtag zu wiederkehrenden kommunalen Abgaben bei Straßenmodernisierungen aus. Hier werde versucht, eine „Steuer durch die Hintertür“ zu schaffen, so Ridinger. Zentraler für die Entwicklungschancen einer Region sei vielmehr die Stadt- und Dorferneuerung mit attraktiven Ortskernen. Er fordert deshalb zwischen Wohnungseigentümern und Kommunen mehr Kooperation statt einer Belastung mit zusätzlichen Abgaben.










