(openPR) Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung ist derzeit eines der aktuellen Themen der Gesundheits- und Sozialpolitik und wird es auch auf absehbare Zeit bleiben. Während die gesetzliche Krankenversicherung nach dem Sachleistungsprinzip arbeitet, der Versicherte also nur seine Karte vorlegen muss, um Leistungen zu erhalten, folgt die private Krankenversicherung dem Kostenerstattungsprinzip. Die gesetzliche Krankenversicherung ist geprägt vom Grundsatz der Solidarität und orientiert die Beiträge an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, während die private Krankenversicherung durch das Äquivalenzprinzip geprägt ist. Zugleich aber sind beide im gleichen Bereich tätig und mit Kostensteigerungen und in der Folge steigenden Beiträgen konfrontiert. Das Nebeneinander hat inzwischen zu einem immer häufigeren Miteinander geführt und auch dazu, dass man gegenseitig voneinander lernt. Es sei hier etwa an die von den gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Wahltarife und vermittelten Zusatzversicherungen sowie an die Einführung von Steuerungsmechanismen – vergleichbar denen der gesetzlichen Krankenversicherung – in der privaten Krankenversicherung erinnert.
Diese Art von Mit- und Nebeneinander war Thema der 17. Münsterischen Sozialrechtstagung, die am 11. November 2011 in Münster in den Räumen der Deutschen Rentenversicherung Westfalen stattfand. Den einführenden Vortrag hielt Frau Prof. Dr. von Koppenfels-Spies (Universität Freiburg), die die Grundprinzipien herausarbeitete und Basistarif in der privaten Krankenversicherung und Wahltarife in der gesetzlichen Krankenversicherung als eher systemfremd kritisierte.
Die Kooperationen zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung haben rechtliche Grenzen, weshalb die Sichtweise des Präsidenten des Bundesversicherungsamts für die Praxis sehr wichtig war, der die Kooperationen aus aufsichtsrechtlicher Sicht bewertete.
Erhebliche Chancen für beide Seiten sah Thomas Sleutel von der IKK Classic in der Kooperation und berichtete über die praktischen – und positiven - Erfahrungen der Zusammenarbeit mit dem privaten Versicherungsunternehmen Signal Iduna.
Aus der Sicht der privaten Krankenversicherung machte allerdings Volker Leienbach vom Verband der privaten Krankenversicherung darauf aufmerksam, dass den privaten Krankenversicherern zur verbesserten Leistungssteuerung noch zahlreiche rechtliche Hindernisse im Wege stehen. Dies gilt etwa im Bereich des Krankenhausrechts aber auch hinsichtlich der Rabattverträge mit Arzneimittelherstellern. Rechtsanwalt Stephan Hütt (Kanzlei Bach, Langheid & Dallmayr) stellte eine umfassende rechtliche Bewertung der Steuerungsmechanismen der privaten Krankenversicherung vor. Bei der ökomischen Bewertung dieser möglichen Mechanismen durch Prof. Dr. Jürgen Wasem (Universität Duisburg-Essen) brachte dieser eine gewisse Skepsis zum Ausdruck und wies auf die immanenten Grenzen hin, forderte aber auch, die Rahmenbedingungen für einen freieren Wechsle zwischen den privaten Krankenversicherern zu erleichtern, um so die Vertragsfreiheit der Versicherten besser zu gewährleisten.
Betrachtet man die derzeitige Diskussion um die Zukunft des Nebeneinanders von privater und gesetzlicher Krankenversicherung, so wird durchaus die Grundsatzfrage gestellt, ob das duale System in seiner derzeitigen Ausgestaltung noch eine Zukunft hat. Klaus Michel, Vorstand der LVM Krankenversicherung, sah unter diesem Aspekt eine Zukunft des Neben- und Miteinanders und warnte vor Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten der privaten Krankenversicherung.
Das Ergebnis dieser Tagung fügt sich gut in die aktuelle Debatte ein, in der u.a. Modelle diskutiert werden, in denen die gesetzlichen Kassen privatisiert und in Wettbewerb zu den privaten Versicherern gestellt werden sollen. Ob diese Modelle oder das bisherige System oder weder das eine noch das andere eine Zukunft haben, wird die Debatte zeigen. Dafür als Basis eine gründliche Analyse der bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede und Kooperationen und Konkurrenzsituationen zu haben, befruchtet und versachlicht die Debatte. Dazu hat die 17. Münsterische Sozialrechtstagung einen Beitrag geleistet.