(openPR) (Berlin) 08.09.2008 - Zwar gibt es keine offiziellen Zahlen über die Insolvenz von niedergelassenen Ärzten, die Insolvenzen sind aber nach den Erfassungen der Vereine Creditreform e.V. alleine im Jahr 2005 um 54,8 % gegenüber dem Vorjahr gestiegen sind. Zwar ist die absolute Zahl der Insolvenzen von Arztpraxen noch niedriger als der Durchschnitt der Unternehmensinsolvenzen, gleichwohl sehen Insolvenzverwalter und Branchenkenner eine Steigerung der Insolvenzgefahr für niedergelassene Ärzte. Es wird in Fachkreisen vermutet, dass wenn die Ärzte als Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) organisiert wären, 50 % aller Ärzte wegen der schlechten finanziellen Lage der Arztpraxen sofort Insolvenz anmelden müssten. Nach Angaben des statistischen Bundesamts erlösen ca. 25 % der Praxen nur bis zu 76.000 Euro Umsatz im Jahr. Dies ist wenig wenn man bedenkt, dass Ärzte vergleichsweise viel arbeiten und von dem Umsatz noch alle Kosten sowie die Steuern abzuziehen sind.
Diese Entwicklung ist für den unbeteiligten Beobachter zunächst einmal unverständlich, gelten Ärzte gemeinhin doch als Besserverdiener. Gleichwohl hat sich innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte das Honorar, dass die niedergelassenen Ärzte aus der Versorgung der gesetzlich versicherten Patienten erwirtschaften, verringert, während gleichzeitig der niedergelassene Arzt immer mehr Zeit für verwaltende Tätigkeiten aufwenden muss. Dies hat zur Folge, dass der Arzt einerseits weniger einnimmt, andererseits aber mehr Zeit bzw. Personalkosten aufbringen muss für die Erledigung administrativer Aufgaben zum Beispiel gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung. Hinzu tritt, dass die ärztliche Vergütung weitgehend gedeckelt ist (sog. Budget), das heißt der Arzt erhält für ein Mehr an behandelten Patienten oder für ein Mehr an dafür aufgewendeter Zeit nicht mehr ärztliches Honorar.
Darüber hinaus kann der niedergelassene Arzt nur schwerlich kalkulieren, wie viel Geld er am Ende des Jahres mit seiner Tätigkeit erwirtschaftet hat. Denn die Kassenärztlichen Vereinigungen verteilen die sich von Jahr zu Jahr ändernde Gesamtvergütung, die sie von den Krankenkassen erhalten haben, nach einem komplexen System unter den in dem jeweiligen Bereich zugelassenen Ärzten, so dass niemand vorher abschätzen kann, wie viel Einnahmen er erwirtschaften wird. Der Arzt kann daher seine Einnahmen durch die Versorgung von gesetzlich Versicherten ab einem bestimmten Punkt durch Mehrarbeit nicht erhöhen; eine in einer freien Marktwirtschaft einmalige Situation. Der Arzt kann daher nur mit Schwierigkeiten wirtschaftlich kalkulieren bzw. zielgerichtet investieren. Daher bleiben wichtige Investitionen oft liegen. Zugleich müssen Ärzte oftmals teure Kredite oder laufende Kontoüberziehungszinsen zahlen.
Ein weiterer Grund für die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Arztpraxen sind die Senkung der Punktwerte, die Ärzte für einzelne Leistung erhalten (Honorarreform EBM 2000), sowie die Einführung von Praxisgebühr (Gesundheitsreform 2004) und der Pflicht zur Zuzahlung von Medikamenten, die die Zahl der Arztbesuche deutlich verringert hat. Schließlich muß ein Arzt auch mit Rückforderungen von der Kassenärztlichen Vereinigung für zuviel verordnete Medikamente und Hilfsmittel rechnen (sog. Regress). Denn auch die vom Arzt verordneten Medikamente und Hilfsmittel sind budgetiert. Überschreitet der Arzt dieses Budget, muss er die Medikamente selbst bezahlen. Diese Regresse schlagen dann ein erhebliches und kaum kalkulierbares Loch in die Einnahmen der Ärzte.
Es bleibt abzuwarten, ob die von den Ärzten im August diesen Jahres erkämpfte Erhöhung der Gesamtvergütung um 2,5 Mrd. Euro ab 2009 (dies entspricht einer Erhöhung um 10 %) das Blatt für die bereits angeschlagenen Arztpraxen wenden kann. Sicherlich können die ab 2009 zu erwartenden Mehreinnahmen diejenigen Praxen, die bereits hohe Verluste angesammelt haben, nicht umgehend sanieren. Da diese Erhöhung die erste seit zwei Jahrzehnten ist und auch die laufende Inflation berücksichtigt werden muss, ist zu erwarten, dass die Erhöhung die wirtschaftliche Lage der Arztpraxen nicht nachhaltig verbessern wird. Hoffen läßt allerdings die Gesundheitsreform 2009, die eine Aufhebung der Budgetierung der kassenärztlichen Leistungen verspricht. Die neue ärztliche Vergütung soll sich nicht mehr an einem festen Budget, sondern am tatsächlichen Krankheitszustand der Versicherten (Morbidität) orientieren. Allerdings wird diese Neuregelung von Ärzteseite mehrheitlich als Augenwischerei abgetan, weil die frühere Budgetierung nur in einem anderen Gewande daherkomme, de facto also erhalten bleibe.
Für den einzelnen Arzt, der seit Jahren kaum noch Gewinne erwirtschaftet und die laufenden Darlehen für Geräte etc. kaum noch begleichen kann, stellt sich daher die Frage, ob er seine überschuldete oder zahlungsunfähige Arztpraxis professionell sanieren lässt oder gar aufgibt und Insolvenz beantragt. Das gerichtliche Insolvenzverfahren sollte, allein schon wegen der damit verbundenen sozialen Stigmatisierung des Arztes, nach Möglichkeit nur als letztes Mittel eingesetzt werden.
In der klassischen Arztpraxis steckt grundsätzlich einiges Einsparpotential, weshalb sie für eine interne Sanierung grundsätzlich gut geeignet ist. So können kostensparende Kooperationen mit anderen Ärzten aufgebaut werden. Auf der Einnahmenseite bietet sich die Möglichkeit, etwa die Praxisorganisation zu straffen, administrative Tätigkeiten auf nichtärztliches Personal zu verlagern oder auch lukrativere Einnahmequellen zu eröffnen, etwa indem sich der Arzt stärker auf die - derzeit noch erheblich lukrativeren - Privatpatienten zu konzentriert. Als weitere Sanierungsmaßnahmen kommen etwa eine Standortverlegung, der Erwerb von Zusatzqualifikationen oder das verstärkte Angebot individueller Gesundheitsleistungen (IGel) in Betracht.
Scheitert die interne Sanierung, kann die Arztpraxis auch nach außen saniert werden. Der Ärzteschaft sind die klassischen Mittel der externen Sanierung häufig unbekannt. Dabei wird zuerst einmal die finanzielle Notlage gegenüber den Gläubigern offenbart. Dann wird mit den Gläubigern ein gemeinsamer Weg zur Auflösung der Schuldensituation gesucht. Dazu stellt der Arzt den Gläubigern seine Schuldensituation und das Insolvenzszenario der Arztpraxis dar. Das heißt, er erklärt den Gläubigern, wie gering die Schuldentilgung im Falle eines Insolvenzverfahrens wäre und wie hoch im Falle einer außergerichtlichen Sanierung.
Erste Voraussetzung für eine Wende zum Besseren für die zahlungsunfähige oder überschuldete Arztpraxis ist die schonungslose Analyse der wirtschaftlichen Situation.










