(openPR) BDS-Präsident Hieber fordert Steuerreform
Stuttgart. Nach zwei Jahren kräftigen Wirtschaftswachstum kühlt die Konjunktur im Mittelstand in Baden-Württemberg langsam wieder ab. Besonders Einzelunternehmer und Kleinstunternehmen mit ein bis vier Mitarbeitern hinken der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung deutlich hinterher. Ebenfalls bedenklich ist die Lage des Einzelhandels, der am meisten unter den steigenden Energie- und Lebensmittel-preisen leidet. Während die aktuelle Geschäftslage vieler mittelständischer Unternehmen noch relativ gut ist, fallen die Erwartungen für das kommende 2. Halbjahr 2008 deutlich moderater aus. Die Mittelständler wollen sich daher auch mit Investitionen und Neueinstellungen zurückhalten. Lediglich von den größeren mittelständischen Betrieben sind hier noch Impulse zu erwarten. Dies sind die Kernaussagen der aktuellen Konjunkturumfrage unter 1.174 Unternehmen, die der Bund der Selbständigen Baden-Württemberg (BDS) traditionell im Sommer durchführt.
Fazit: Die Konjunktur hat sich im letzten Jahr auch im Mittelstand merklich abgekühlt. Die Lage der einzelnen Unternehmen steht dabei in einem direkten Zusammenhang mit der Betriebsgröße: Je kleiner die Unternehmen, desto größer die Probleme.
„Es ist äußert bedenklich, dass die kleineren Unternehmen zunehmend von der guten wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt sind“, kommentiert BDS-Präsident Günther Hieber die Ergebnisse. „Über 90% der Unternehmen in Deutschland haben weniger als 10 Mitarbeiter. Sie sind das Rückgrat der Wirtschaft. Die Politik muss daher dringend mehr für die kleineren Unternehmen tun.“ Nach der Unternehmenssteuerreform, von der die großen Unternehmen profitieren, müsse der Staat nun auch die Einkommensteuer baldmöglichst reformieren. „Spätestens nach der Bundestagswahl muss eine umfassende Vereinfachung des Steuersystems angepackt werden. Um die kalte Progression für Unternehmen und Bürger zu stoppen müssen dabei die Steuersätze langfristig an die Inflation gekoppelt werden“, so der Fachanwalt für Steuerrecht.
Das BDS-Mittelstandsbarometer, das die aktuelle Geschäftslage und die Geschäftserwartungen der Mittelständler zusammenfasst, ist insgesamt erneut leicht gefallen, von „6,8“ auf „4,9“ Punkte, liegt aber im sechsten Halbjahr hintereinander, im positiven Bereich (Graphik 1).
Geschäftserwartungen schlechter als die aktuelle Geschäftslage
Die aktuelle persönliche Geschäftslage wird insgesamt noch überwiegend positiv bewertet. Nach fast fünf Jahren der kontinuierlichen Aufwärtsentwicklung bis zum Jahreswechsel 2006/2007 wird sie jedoch von den Befragten nun ein weiteres Mal schlechter bewertet als in der vorangegangenen Befragung. Während 22,5 Prozent die eigene Lage als „schlecht“ bezeichneten (Winter: rund 19 Prozent), betrachten sie immerhin 29 Prozent als „gut“ (Winter: 29,2 Prozent). Die relative Mehrheit der Selbstständigen bewertet die persönliche Geschäftslage mit „befriedigend“ (48,5 Prozent). Die Erwartungen an das kommende Halbjahr haben sich auf dem niedrigen Niveau der letzten Befragung weitgehend stabilisiert. Der Barometerwert fiel nur leicht von 3,6 im Winter auf nun 3,3 Punkte. Dennoch fallen die Zukunftserwartungen erneut schlechter aus als die aktuelle Geschäftslage. Das lässt auf eine weitere Eintrübung im zweiten Halbjahr 2008 schließen (Graphik 2).
+++Ungleiche Branchenentwicklung: Handel bleibt Sorgenkind+++
In den unterschiedlichen Branchen ist die Entwicklung wie in den vergangenen Jahren uneinheitlich. Während die Industrie noch kräftig wächst und Dienstleister, freie Berufe sowie das Handwerk eine stetige Entwicklung vermelden, bleibt der Einzelhandel das konjunkturelle Sorgenkind. Auch das schlechte Abschneiden der Hotel- und Gaststättenbetriebe zeigt, dass der Aufschwung der letzten zwei Jahre den privaten Konsum nicht nachhaltig belebt hat. Gestiegene Energie- und Lebensmittelpreise sowie die Sorge vor einem neuerlichen Abschwung, schwächen die Binnennachfrage. Die Erwartungen fürs kommende Halbjahr sind daher wieder etwas schlechter als die aktuelle Lage. Während Dienstleister, freie Berufe und die Industrie noch recht optimistisch in die Zukunft blicken, rechnet der Einzelhandel mit einer weiteren Verschärfung der Lage. Mehr als ein Drittel (35,3 Prozent) hat hier negative Zukunftserwartungen. Den Handwerkern geht es saisonbedingt etwas besser als im letzten Halbjahr. Die Geschäftslage im ist hier insgesamt noch stabil. Im Vergleich zu den Vorjahren zeigt sich jedoch auch im Handwerk eine Verschlechterung. Darüber hinaus sind die Zukunftserwartungen deutlich schlechter als die aktuelle Geschäftslage (Graphik 4).
+++Unternehmensgröße entscheidet: Kleine Unternehmen haben große Probleme+++
Quer durch alle Branchen ist die Geschäftslage der kleineren Unternehmen deutlich schlechter als die der größeren mittelständischen Betriebe. Gegenüber der letzten Befragung verschärfte sich insbesondere die Geschäftslage der Einzelunternehmer drastisch: von „plus 12,1“ auf „minus 0,7“ Punkte. Bei den Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern hingegen, stieg das BDS-Mittelstandsbarometer sogar noch einmal von „plus 23,8“ auf „plus 24,5“ Punkte (Graphik 5).
Dieser besorgniserregende Trend zeigt sich bei allen Teilindikatoren. Kleine Unter-nehmen wollen weniger investieren, ihre Geschäftserwartungen sind schlechter und sie sind eher von der Betriebsschließung bedroht. Darüber hinaus haben sie zu-nehmend Schwierigkeiten, ihre Mitarbeiterzahl zu halten, während die größeren Mittelständler mehrheitlich zusätzliche Mitarbeiter einstellen wollen.
+++Beschäftigung: Mittelstand hält Arbeitsplätze stabil +++
Wie bereits in den letzten zwei Jahren wird die Beschäftigungssituation im Mittelstand auch im kommenden Halbjahr weitgehend stabil bleiben. Rund drei Viertel aller Betriebe wollen ihre Mitarbeiterzahl konstant halten. 12 Prozent wollen weiter einstellen, während rund 13 Prozent eine abnehmende Mitarbeiterzahl ankündigen. Das BDS-Beschäftigungsbarometer fällt nur minimal von „minus 1,2 Punkte“ im Winter auf „minus 1,3“ Punkte. Zusätzliche Arbeitsplätze schaffen wollen insbesondere die Unternehmen mit mindestens 10 Mitarbeitern, während die kleineren Unternehmen eher mit einer zurückgehenden Mitarbeiterzahl rechnen.
+++Investitionen steigen bei größeren Mittelständlern und in der Industrie+++
In der Vergangenheit hielten sich viele Mittelständler bei den Investitionen deutlich zurück. Das wird insgesamt auch im kommenden Halbjahr so bleiben. Nur 16 Prozent der Unternehmen wollen ihr Investitionsniveau steigern. Dem stehen 32 Prozent gegenüber, die ihre Investitionen weiter senken wollen. 52 Prozent der Unternehmen wollen weiter so investieren wie bisher. Dies führt zu einem Indexwert von „minus 16,7“, nach „minus 16,1“ zum Jahreswechsel. Ein Investitionsschub ist vom Mittelstand daher insgesamt nicht zu erwarten. Je nach Größe der Unternehmen zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede. Mit zunehmender Unternehmensgröße steigen die Investitionen. Während 36 Prozent der Unternehmen mit ein bis vier Mitarbeitern die Investitionen senken werden, planen dies nur 18,5 Prozent der größeren Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeitern. Von den großen Betrieben planen dagegen 26 Prozent mehr zu investieren als bisher. Analog sind die Investitionsplanungen der Industriebetriebe. 28 Prozent planen steigende Investitionen, 26 Prozent werden ihre Investitionen senken. Fazit: Nur die größere Mittelständler und Industrieunternehmen werden für nachhaltige Investitionsimpulse sorgen.
+++Große Mehrheit rechnet nicht mit Betriebsschließungen+++
Im kommenden zweiten Halbjahr 2008 rechnen wieder etwas mehr Unternehmen mit einer Betriebsschließung oder haben dies bereits entschieden. Betroffen ist vor allem der Einzelhandel und Betriebe aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe. Insgesamt rechnet mit 88,2 Prozent jedoch weiterhin eine große Mehrheit der Unternehmen nicht mit einer Betriebsschließung.
+++Hintergrund+++
Der BDS Baden-Württemberg führt seit 2001 halbjährlich eine Konjunkturumfrage unter seinen Mitgliedsbetrieben durch. An der Umfrage im Sommer 2008 haben sich 1.174 Unternehmen vom 27. Juni bis 14. Juli 2008 beteiligt, von denen knapp die Hälfte weniger als 5 Mitarbeiter hatte. Mit dem BDS-Mittelstandsbarometer, das je zur Hälfte aus den Daten zur aktuellen Geschäftslage und den Geschäftserwartungen besteht, können die verschiedenen Jahre verglichen werden. Die ausführliche Studie zum BDS-Mittelstandsbarometer mit zahlreichen Graphiken und den statistischen Daten finden Sie zum Download unter http://www.bds-bw.de/konjunktur