(openPR) Die prinzipielle Kontrollierbarkeit von Schmerz ist eine Illusion. Wir sollten "den Schmerz als Merkmal menschlicher Existenz anerkennen und uns bemühen, ihn nach Möglichkeit zu lindern - ohne im Falle eines Misslingens nach Schuldigen zu suchen", empfiehlt die Psychologin Ursula Frede. Die positiven Konsequenzen: "Therapeuten und Patienten werden befreit - der Therapeut vom Druck überhöhter Erwartungen, der Patient von Enttäuschungen sowie von der Last, im Umgang mit dem Schmerz versagt zu haben.
An die Stelle direkter oder indirekter Pathologisierung des Patienten könnte Achtung treten angesichts der Herausforderungen, mit denen er täglich konfrontiert wird. Therapeut und Patient könnten sich miteinander solidarisieren - bei der gemeinsamen Trauer über vorhandene Grenzen, bei der gemeinsamen Suche nach Möglichkeiten, den verbliebenen Spielraum zu nutzen.
Wenn auch nicht unbedingt der Schmerz, so wäre doch die Einsamkeit des Betroffenen gelindert - zumindest die Einsamkeit, die aus einer mangelnden Anerkennung seiner Individualität und dem impliziten Vorwurf dysfunktionalen Verhaltens erwächst", schreibt die Schmerztherapeutin und Schmerzpatientin in der aktuellen Ausgabe von "Psychologie und Gesellschaftskritik".
"Einsamkeit beruht nicht zuletzt darauf, dass Therapeuten und Patienten verschiedenen Welten angehören und die Vorstellungen von Schmerz sehr unterschiedlich sind. Entsprechend schwierig ist die Verständigung."
An verhaltenstherapeutisch orientierten Schmerzbewältigungsprogrammen kritisiert Frede: "Entindividualisierung und vorschnelle Psychopathologisierungen sind häufige Folgen, die zu Lasten der therapeutischen Beziehung gehen sowie zu Lasten der spezifischen Hilfe, die dem Einzelnen zuteil werden könnte. Einwände des Patienten gegen Vorabpathologisierungen werden meist als mangelnde Compliance und Ausdruck von Somatisierungsbedürfnissen interpretiert.
Oft bleiben dem Patienten nur zwei Möglichkeiten: Er beendet die Beziehung oder er schweigt. Die mit beiden Entscheidungen verbundene Einsamkeit ist traurig, weil sie nicht sein müsste und ein - zusätzlich zum Schmerz - völlig überflüssiges Leiden schafft."
Psychologie und Gesellschaftskritik, Nr. 3/2009, Schwerpunkt-Thema: Schmerz. Beiträge von Lars-Allolio-Näcke, Laurence Croix, Stefan Dresske, Ursula Frede, Gerd Göckenjan, Christian Grüny, Christian Mürner
Pabst, Lengerich/Berlin, 112 Seiten, ISBN 978-3-89967-537-5