(openPR) Berichte aus der Automobilwirtschaft, Fahrtests mit einigen der beliebtesten und günstigsten Klein- und Familienwagen sowie eine umfangreiche Fotogalerie von der soeben in Leipzig eröffneten Auto Mobil International (AMI) werden in dem Online-Reisemagazin „GT Worldwide“ veröffentlicht. Autoenthusiasten finden dort fast alle Modelle, die sie interessieren in Fotografien und Texten.
GT-Chefredakteur Norbert Gisder hat über den Eröffnungstag seine ganz eigene Sicht dieser ersten, deutschen Automobilmesse in der Krise aufgeschrieben. Hinweis an die Redaktionen: Nachdruck des Essays unter Beachtung der AGB auf www.gt-worldwide.com möglich.
Und hier ist der vollständige Text als Angebot für Ihr Medium
Auto Mobil International (AMI) 2009:
Licht und Schatten, Hoffen und Bangen
Small-Talk: „Geht’s gut? Was machen die Rangen?“
Mal eine andere Sicht auf das Auto – Essay von Norbert Gisder
Eine Show ist eine Show ist eine Show: „Wer hier nicht lacht, knipst am besten gleich das Licht aus.“ Jutta Sein, die Stimme von Subaru, ist nicht die einzige, die diese Weisheit nach der Krise in der Krise mit Pathos und Glaubwürdigkeit vorträgt. Sie ist aber von besonderer Sinnfälligkeit: Die Grande Dame unter den Repräsentanten der in Deutschland verkaufenden, internationalen Automobilindustrie hat nach einem schweren Schicksalsschlag ihre alte Kampfkraft nahezu wiedergefunden, ohne jemals an Liebenswürdigkeit verloren zu haben. Und Jutta Sein, Sprecherin der Subaru Deutschland GmbH, lacht wieder so authentisch und liebenswert, dass man stolz wird, wenn sie einem ein Lächeln schenkt.
Das ist nicht bei allen so, die gut lachen haben – oder das vorgeben: Denn in lachende Gesichter blickt man auf der Auto Mobil International in Leipzig (AMI), die noch bis zum 5. April 2009 als erste, große Publikumsmesse die Leistungen der großen Autofirmen der Welt in Deutschland zeigt, fast überall. Selbst bei Vertretern der Firmen, die sich eine Teilnahme an dieser Messe gleich gespart haben; entweder mangels Masse oder Klasse oder weil sie wenig Hoffnung hegen, wenigstens das Zweitere glaubhaft vertreten zu können. Dass Fiat dazu gehört, tut mir persönlich sehr leid, denn die Autos dieser großen Traditionsmarke sind weit besser als ihr leider herabgewirtschafteter Ruf. Und dass Mitsubishi hofft, man werde auch ohne Stand auf der AMI in Deutschland Bestand behalten, mag angesichts technologisch und vom Design her wirklich schöner Autos möglicherweise berechtigt sein. Als wichtiges Mitglied im AMI-Gastgeberverband VDIK ist die Absenz von Mitsubishi auf der AMI dennoch bedauerlich.
Geradezu tragisch allerdings scheint mir die persönliche Auffassung einiger Protagonisten einer gewissen Weltuntergangsstimmung, die – noch im Messezirkus präsent – schon aufgehört haben, zu kämpfen: „Alles am Boden. Es hat keinen Sinn mehr. Aus dieser Krise kommen wir Jahre, vielleicht Jahrzehnte nicht mehr heraus.“ Ich decke das Mäntelchen der Gnade über den Firmensprecher eines Weltkonzerns aus dem europäischen Ausland, der mir diese Worte mit angstverzerrtem Gesicht gesagt hat und nenne den Mann nicht beim Namen. Denn dann würde der Ärmste wohl schon nächste Woche Tütensuppen bei Aldi sortieren.
Eigentlich würden aber mehr als nur dieser Schwarzseher dort hin gehören. Angesichts nationaler Protektionismen verschiedenster Art, bis hin zur direkten Förderung des Absatzes durch Regierungen, scheint es mir nicht nur unanständig, sondern sozial geradezu unhygienisch, wenn manche der großen PR- und Marketing-Strategen die Sümmchen etwa aus der staatlichen Abwrackprämie in großen Kampagnen feiern und die daraus resultierenden Auto-Absatzzahlen als Leistung der eigenen Firma feiern, den Kunden die staatlichen Tausender dabei obendrein wie einen Werks-„Rabatt“ verkaufen, im Hintergrund aber nur noch versuchen, gemauste Schäfchen ins Trockene zu bringen. Identifikation mit und Einsatz für die eigene Firma und Branche sieht anders aus.
Die neue Modefarbe ist weiß. Noch im letzten Sommer weithin als „Proletennebel“ geschmäht, wird weiß von fast allen Automobilherstellern auf der AMI in feinsten Schattierungen gezeigt. Es scheint wie ein Sinnbild: der Unschuld? Der Unschuld an der Krise? Oder an ihren Ursachen?
Tatsächlich hängt die schwindende Kaufkraft ja nicht originär an den – wie etwa Dacia mit dem Logan und seinen Nachfolgern beweist – oft utopischen Preisvorstellungen der „Wertschöpfer“ in den Automobilvorständen.
Vielmehr sind es die einst traumhaft wirkenden, heute nur noch wie traumatisch taumelnden ehemaligen Verbal-Anreize zum Kauf auf Pump und zum Wohnen auf Kredit. Banker und Broker könnten dazu wohl einiges mehr sagen, als sie in der jetzigen Situation zugestehen. Psychologen, die die Psychopathen unter den Werbeversprechern oft beschrieben haben, werden leider allzu wenig gehört: Vielleicht, weil chinesisch in Deutschland eine relativ wenig verbreitete Sprache ist – auch wenn das Fachchinesisch nicht nur ihrer Korporationen, sondern aller Zweckverbände geradezu tuberkelgleich auf den Jargon übergreift, der uns benebelt, wenn es um Schuld an der Krise und Wege aus ihr heraus geht.
Die Farbe Weiß auf hohlraumversiegeltem Autoblech macht selbst traurige Menschen froh, sagte mir ein „Farbenpsychologe“ eines großen japanischen Autoherstellers auf der AMI. Es sei ein wenig so, als lasse der Käufer eines weißen Autos seine Schuld im Autohaus und fahre – völlig unschuldig an allem Vergangenen – in eine Hoffnung erheischende Zukunft. Vielleicht sind deshalb selbst große und wirklich luxuriöse Limousinen für die Führungsetagen und Top-Entscheider plötzlich weiß (und rein), so unschuldig, statt, wie so oft in den vergangenen Jahren, anthrazit-schwarz (und böse).
Dann wäre die neue Farbenlehre nicht nur eine wirkliche Trendwende für die Autobauer, sondern auch ein echter Grund, kindlich zu lachen: Nicht, als handele es sich um eine Show, sondern eher, als freue man sich an einer Entdeckung. Der Entdeckung etwa, dass ein neues Hemd seinem Träger ein frisches Aussehen verleiht.
Doch zurück zur AMI, die aus Leipzig in die Herzen von Millionen Autokäufern von Morgen hinein strahlt, Sehnsüchte weckt, die in der Rezession vielleicht eher unterdrückt, auf keinen Fall aber weniger werden. Von Audi über Ford, Daimler, Honda und Hyundai bis zu Mazda, Opel, Porsche, Saab und Subaru, Toyota und Volkswagen zeigen alle der großen Hersteller dieser Welt in der Stadt, die unseren Bundesverkehrsminister groß gemacht hat, unglaublich innovative Techniken und Entwicklungen, die auch für die Zukunft Optimismus verheißen: Spritsparende Motoren, neuartige Antriebe, Fuel-Cell, Wasserstoff, Elektro, Bio-Power, der CO2-Ausstoß wird demnach so deutlich reduziert, dass auch die Umwelt sich freut. Dreckschleudern sind weithin passé. Die Unschuld des Werdens wird mithin in mehr als der Farbe Weiß versinnbildlicht.
Das ist doch schön, oder? Ist somit das Lachen der Menschen ein Grund zur Freude?
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee jedenfalls war für Fotografen kaum ohne zu erwischen. Sobald eine Linse in Sichtweite war, froren die Mundwinkel irgendwo nahe der Ohrläppchen fest und alle freuten sich über die gute Laune der Politik angesichts der gezeigten Hochtechnologie. Der Elektroingenieur mit Diplom an der Seite seines Nachfolgers als Leipziger Oberbürgermeister, Burkhard Jung, sowie des Messevorstands Wolfgang Marzin, durfte die gute Botschaft einer verlängerten Abwrackprämie zwar nicht ganz taufrisch zur Autoschau mitnehmen. Dazu hatten bereits zu viele Wettbewerber auf die Vaterschaft geklagt. Trotzdem strahlte das 2.500-Euro-Geschenk vom Staat immer noch reichlich grell auf alle ab. Und eine gewisse Ungezwungenheit griff um sich im Umgang mit dem Nächsten, an dem plötzlich nicht mehr nur das Auto interessierte: „Schön, Sie so zufrieden zu sehen! Sicher geht’s gut, was machen die Rangen?“, hörte man die Politik einen aus dem Volk ganz familiär fragen, als der Ministertross beim Rundgang durch die Hallen an einem offensichtlich guten, alten Bekannten vorbeipromenierte.
Dazu blitzten wieder die weißen Zähne mit den weißen Autos um die Wette und die Botschaft von Jutta Sein stand unausgesprochen über den Gesprächen: Wer jetzt nicht lacht, sollte doch gleich das Licht ausknipsen. Denn für die AMI wie für jede Bank gilt: eine Show ist eine Show ist eine Show …
Der Autor ist seit 1977 Journalist, hat zahlreiche Bücher geschrieben und als Ressortleiter mehr als 600 Autos selbst getestet, die Berichte u.a. in WELT, Berliner Morgenpost, WELT am SONNTAG sowie Fachmagazinen veröffentlicht. Norbert Gisder ist Chefredakteur des Online-Magazins „Grand Tourisme – Worldwide“ (www.gt-worldwide.com).











