(openPR) Das Jahr 2008 ist Geschichte. Auch für die Bauwirtschaft und deren Beschäftigten. Wieder hat es viele schwere Unfälle gegeben, bei denen Bauarbeiter auf grausamste Weise ums Leben kamen.
Ein trauriges Kapitel sind die nach wie vor doppelt so vielen tödlichen Unfälle in der Bauwirtschaft wie im Durchschnitt der gewerblichen Wirtschaft. Nicht weil Bauarbeit gefährlicher ist, nein weil man in der Umsetzung von Vorschriften gegenüber anderen Branchen in einer ganz anderen Liga spielt. Ruinöser Preiswettbewerb, unerträglicher Termindruck, fehlende Überwachung von Gesetzen, beispielsweise Arbeitszeitgesetz, mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter usw. sind die Ursachen.
Die Messen sind gelesen und die tödlich verunglückten Bauarbeiter begraben.
Was zurückbleibt sind wieder viel zu viele Witwen und Waisen, von denen sich viele die Frage stellen: “Warum musste mein Mann, mein Vater oder Sohn sterben?“
Es wird nach Schuldigen gesucht. Es wird ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Manchmal wird auch jemand verurteilt. Fast immer auf Bewährung, verbunden mit einer Geldstrafe. Da ist der Fahrer einer Baumaschine, der seinen Kollegen nicht gesehen und ihn totgefahren hat. Er konnte ihn auch gar nicht sehen, weil er im toten Winkel war. Ist er nicht schon genug gestraft mit dem Bild des zerquetschten Körpers, der unter seiner Maschine lag? Den Schrei den er noch hörte hat er immer noch im Ohr. Man muss sich die Frage stellen, ob hier wirklich die Richtigen auf der Anklagebank sitzen.
Welche Verantwortung haben die Hersteller von Baumaschinen, die, wenn keine ausreichende Sicht gegeben ist, technische Hilfsmittel anbauen müssen. Viele tun es aber nicht, obwohl die Maschinenrichtlinie sie dazu verpflichtet. An ihren Maschinen klebt das Blut.
Wo sind die, welche die Einhaltung der Vorschriften überwachen müssen? Beispielsweise der staatliche Arbeitsschutz. Dessen Beamte stehen mit dem Rücken zur Wand und haben Angst um ihren Arbeitsplatz. Hinter vorgehaltener Hand wird gesagt: “Wir können nur noch die großen Betriebe und Baustellen kontrollieren, für die kleinen bleibt uns keine Zeit mehr.“ Dabei passieren gerade hier die meisten Unfälle. Bei mehr als 99 % der europäischen Baufirmen handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen (KMU) so die EU
„Wenn wir alle Betriebe aufsuchen, für die wir verantwortlich sind, kommen wir alle 14 Jahre in den Betrieb“ so ein Arbeitsschützer
Wir erinnern uns: Die Deregulierung wurde unter dem Vorwand der doppelten Kontrolle und des Bürokratieunwesens vorangetrieben, der den Betrieben angeblich die Luft zum Atmen nahm.
Heute haben sie mit der Gefährdungsbeurteilung ein nebulöses Vorschriftenwerk, mehr Arbeit, mehr Verantwortung und brauchen vor allem mehr Fachwissen. Man hat ihnen, gerade den Handwerksbetrieben, Aufgaben übertragen, zu deren Umsetzung sie allein überhaupt nicht in der Lage sind.
Bei gleichzeitigem Abbau der Aufsicht ergibt sich eine im wahrsten Sinne des Wortes tödliche Gefahr, gerade für die Bauarbeiter. Würden die Bedingungen für alle gleich sein, was eine ausreichende Überwachung der Vorschriften voraussetzt, bekäme der Beste den Auftrag und nicht derjenige, der auf Kosten von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz spart und der Billigste ist. Diese Zeche zahlen die Beschäftigten mit ihrem Leben oder mit lebenslanger Behinderung und Rente, welche dann die Allgemeinheit tragen muss.
Die Personalausstattung der Gewerbeaufsichtsämter im Verhältnis zu dem breiten Aufgabenspektrum im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Betrieben und auf Baustellen und der Baustellenverordnung wird in keinster Weise Rechnung getragen. Im Gegenteil. Bei der staatlichen Aufsicht werden die Beamten permanent abgebaut.
Hierfür tragen Politiker die Verantwortung.
Arbeitsminister Karl-Josef Laumann CDU am 12.05.2006.
„Durch die Konzentration und Modernisierung des Arbeitsschutzes bei den Bezirksregierungen werden die Aufgaben des Arbeitsschutzes künftig schlagkräftiger durchgeführt. Durch diese Bündelung werden Aufgaben in Zukunft durch Spezialisierung wesentlich effizienter ausgeführt. Hierdurch werden auch die Unternehmen entlastet, ohne die Qualität des staatlichen Arbeitsschutzes zu mindern".
Dr. Maria Siekmeyer begleitet seit dem Jahr 2005 den Bereich Arbeitsschutzverwaltung im Rahmen des in NRW eingeleiteten umfassenden Verwaltungsreformprozesses. Ihrem Referat auf der Messe „Arbeitsschutz Aktuell“ in Hamburg ist folgendes zu entnehmen:
Politische Vorgaben der Landesregierung in NRW
– Personalreduzierung bei gleich bleibenden bzw. eher vermehrten Aufgaben
z.B. 2008: Personalreduzierung um 20%
– Geringere Haushaltsmittel
Die Ämter für Arbeitsschutz in NRW wurden aufgelöst und die Beamten der Bezirksregierung zugeordnet. Diese Fachleute, zum großen Teil erfahrene Bauingenieure, stehen auch immer wieder selbst zur Disposition.
Sie sind längst nicht mehr in der Lage, ausreichend zu kontrollieren und schon gar nicht imstande präventiv tätig zu sein.
Die Beamten werden als Experten gerufen, wenn es zu Unfällen mit schweren Verletzungen oder tödlichem Ausgang kommt. Einige haben das sinkende Schiff Arbeitsschutz bereits verlassen und sich längst was anderes gesucht. Noch werden die freien Stellen teilweise mit anderen Beamten aufgefüllt, welche aus einer Auffanggesellschaft kommen. Das ihnen der Arbeitsschutz, den sie überwachen sollen, zum Teil völlig fremd ist, spielt dabei keine Rolle. Die Anzahl der Aufsichtsbeamten in NRW ging von 628 auf 477 zurück. 151 Beamte weniger. (Stand Mitte 2008)
Und was sagt der Ministerpräsident in seiner Neujahrsansprache 2009:
Die Sicherung von Arbeitsplätzen und Unternehmensstandorten steht deshalb im Mittelpunkt der Politik der Landesregierung im neuen Jahr.
Landesverfassung NRW, Art. 24:
„Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen. Der Schutz seiner Arbeitskraft hat Vorrang vor dem Schutz materiellen Besitzes“.
Da stellte sich der Ministerpräsident von NRW Jürgen Rüttgers als einer der Ersten am Unglücksort beim Kraftwerksunfall beim RWE in Neurath vor einem Jahr hin und wendet sich vor laufenden Kameras an die Angehörigen: «Ich bin mit Gedanken in dieser schweren und tragischen Stunde bei Ihnen. Den Hinterbliebenen der Opfer gilt mein Mitgefühl.»
Der Unfall mit drei Toten auf der Kraftwerks-Baustelle in Grevenbroich-Neurath bleibt übrigens juristisch ungesühnt. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hat nach gut einem Jahr das Ermittlungsverfahren eingestellt, weil keinem der Verantwortlichen ein individueller Schuldvorwurf gemacht werden könne.
Tod in Köln
Nach einem schweren Baustellenunfall in der Kölner Innenstadt, bei dem ein Arbeiter von einer herabstürzenden Marmorplatte erschlagen wurde, wird nach den Ursachen und Schuldigen gesucht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen den Polier, den Bauleiter und den Kranführer. Die Ermittler untersuchen, ob die Männer gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen haben, berichtet der Kölner Stadtanzeiger
Die verkehrsrechtliche Anordnung der Behörde kann schon nicht in Ordnung gewesen sein. Schon früher am Tag hatten sich Anwohner gewundert, warum das Gelände nicht großräumiger abgesperrt war. Fußgänger und Radfahrer verkehrten nur wenige Meter entlang eines Bauzauns neben der Fassade, die abgebrochen wurde. Immer wieder krachten Steine und Bleche auch vor die Absperrung, berichteten Augenzeugen. Und immer wieder hätten Bauarbeiter die Trümmerteile eingesammelt und ihre Arbeit fortgesetzt.
Report-k.de Kölns Internetzeitung berichtet:
Das Bauaufsichtsamt der Stadt Köln hält aufgrund der exponierten Lage des Objektes nur eine feingliedrige Abbruchmethode (z.B. mit Greifer, etc.) für geeignet und einen Abriss für nicht fachgerecht.
Die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Sicherheitsauflagen liegt ausschließlich beim Bauherrn.
Etwa 25 Minuten, bevor der Bauarbeiter von einer herabstürzenden Betonplatte tödlich getroffen wurde, hatte ein Passant über Notruf die Polizei informiert. Er schilderte, dass Teile von der Baustelle am alten Sparkassen-Hauptgebäude auf die Fahrbahn krachten und forderte, dass dringend jemand eingreifen müsse. Doch statt einen Streifenwagen oder die Feuerwehr zum Rudolfplatz zu schicken, informierte der Polizist in der Leitstelle das Ordnungsamt. Erst weitere 20 Minuten später rief die Frau die Feuerwehr. Fast zeitgleich geschah das tödliche Unglück. Wie zu erfahren war, soll der Polizist seiner städtischen Kollegin die Dramatik der Situation am Rudolfplatz nicht in der gebotenen Dringlichkeit geschildert haben. Gegen den Beamten wird weiter ermittelt. Ungeachtet dessen ist unklar, ob der tödliche Unfall hätte verhindert werden können, wenn ein Streifenwagen schneller vor Ort gewesen wäre.
Hier einem Polizisten und eine Frau vom Ordnungsamt des Verdachts der Beihilfe zur fahrlässigen Tötung vorzuwerfen, ist meiner Meinung nach absurd. Die Verantwortlichen sitzen ganz woanders.
Wer glaubt, dass sich die Arbeitssicherheit am Bau, die zum großen Teil durch das Nichtbeachten von Vorschriften besonders gefährlich ist, sich durch weniger Personal und Kontrollen verbessert, der glaubt auch, dass die Erde eine Scheibe ist.
Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz titelt auf Ihrer Homepage:
Das Baugewerbe hat die meisten Sicherheits- und Gesundheitsschutzprobleme in Europa
Arbeitnehmer in der Baubranche sind biologischen, chemischen und ergonomischen Risikofaktoren sowie Lärm und extremen Temperaturen ausgesetzt.
Etwa 45 % der Bauarbeiter halten ihre Arbeit für gesundheitsschädlich.
Das Baugewerbe gehört zu den physisch anspruchsvollsten Branchen.
Für den Einzelnen, die Arbeitgeber und den Staat fallen durch Unfälle und Gesundheitsschäden immense Kosten an.
Bei mehr als 99 % der europäischen Baufirmen handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen (KMU).