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Bürgerprotest in Sachsen-Anhalt formiert sich - Abwasser-Bürgerinitiativen wollen Netzwerk gründen

17.12.200718:54 UhrPolitik, Recht & Gesellschaft

(openPR) Konspirativ konnte man dieses Treffen nicht nennen. Schließlich war es auf den Internet-Seiten der Bürgerinitiativen öffentlich angekündigt worden. Sprengstoff bot diese erste Begegnung aber allemal.

Sechs große Bürgerinitiativen aus Sachsen-Anhalt trafen sich am 08.Dezember 2007 in Nempitz bei Bad Dürrenberg. Alle beschäftigen sich z.T. seit Jahren mit der Problematik überhöht empfundener Gebühren und Beiträge. Die weiteste Anreise musste der Vorsitzende des Vereins „Bezahlbares Abwasser“ aus dem Bereich des AZV „Bodeniederung“, Dr. Bernhard Pech, auf sich nehmen. Fast 100 km sind es von Hecklingen bis Nempitz. Ein Aufwand, der sich nach Auffassung von Dr. Pech aber gelohnt hat. „Die Bürgerinitiativen sollten Ihre Kräfte, Komptenzen und Ressourcen bündeln, um sich gegen überhöhte Abgaben wirkungsvoll wehren zu können“, erläuterte er.



Initiiert von Andreas Löhne aus Querfurt diskutierten die Vertreter der Bürgerbewegungen aus den Verbandsgebieten der Abwasserzweckverbände Bodeniederung, Bad Dürrenberg, Salza, Eisleben, Nebra und Laucha-Bad Bibra Möglichkeiten der künftigen Zusammenarbeit. Der gesamte Einzugsbereich dieser Verbände beträgt nach den Angaben von Löhne mindestens 145.000 Einwohner.

Wolf-Rüdiger Beck, Vorsitzender der IG Abwasser im AZV Salza, fasste die rechtliche Entwicklung der letzten Jahre zusammen. Beck: "Es ist deutlich zu beobachten, dass im Bereich des Abgabenrechts die Bürgerrechte in Sachsen-Anhalt immer weiter beschnitten werden." Beck erwähnte die Einführung von – teilweise erheblichen -Kostenrechnungen für abschlägige Widerspruchsbescheide, welche ganz offenkundig dazu dienen solle, die „Hemmschwelle“ zur Einlegung von „lästigen“ Rechtsbehelfen für die Bürger zu erhöhen. Weiter verwies Beck auf besonders fragwürdige Grundsatzurteile des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt. So werde jetzt nicht mehr zwingend gefordert, dass Abgabensätze nur anhand einer ordnungemäßen Kalkulation beschlossen werden dürfen. Diese Rechtsprechung führe dazu, dass der Bürger unter Umständen die Rechtmäßigkeit eines Abgabensatzes vorab nicht mehr überprüfen und gerichtlich wirksam angreifen könne. Kritisch wurde auch über ein Urteil des OVG Sachsen-Anhalt aus dem Jahre 2006 berichtet, das nachträgliche Beitragserhebungen für rechtmäßig erklärt hat. "Wer vor 10 Jahren schon einmal Beiträge gezahlt hat, kann nach diesem Urteil nicht mehr wirklich sicher sein, dass er nicht doch noch einmal zusätzlich zur Kasse gebeten wird“, so Beck.

Von allen Seiten wurde die Landespolitik scharf angegriffen. Seit Dezember 2006 plante diese z.B. negative Folgen unterlassener Bürgerbeteiligungen bei beitragspflichtigen Baumaßnahmen abzuschaffen. Die bis dahin verbindlich vorgeschriebene Kappung bei übergroßen Grundstücken soll jetzt in das Ermessen der Verbände gestellt werden. Die Rechtspositionen der Bürger würden durch all diese Veränderungen massiv verschlechtert. Es sei nicht mehr erkennbar, dass von Landespolitikern noch Bürgerinteressen vertreten würden. Die Landespolitik trägt nach Meinung aller vertretenen Bürgerinitiativen die Hauptverantwortung für die Fehlentwicklungen im Abwassersektor, die zu den überdurchschnittlichen und deutlich überhöhten Preisen verbunden mit der Verschwendung von Millionen an Fördermitteln in Sachsen-Anhalt führte. Eckhard Böttcher, Vorsitzender der Bürgerinitiative im ZWA Bad Dürrenberg dazu: "Die Entwicklungen der letzten 17 Jahre wurden stets durch die Landespolitik gesteuert, sowohl über die Behörden als auch durch zweckgebundene Fördermittelvergabe. Das Ergebnis dieser verfehlten Politik sehen wir nun in stetig steigenden Gebührensätzen." Auch der Bericht des Landesrechnungshofes zum AZV Bodeniederung zeige, dass die wahren Ursachen nie bekämpft und offensichtlich erkannte Mängel nicht nachhaltig abgestellt wurden, ergänzt Dr. Pech. Dadurch verpufften Millionen-Zuschüsse zwangsläufig.

Frank Schulz, Vorsitzender des HWG Bad Bibra, kritisierte, dass Sachsen-Anhalt bisher weiter an den Strategien der Vergangenheit und dem Vorrang der Zentralisierung festhält, anstatt auf kostengünstige dezentrale Anlagen zu setzen. Dezentrale Anlagen erhielten in Sachsen-Anhalt keine Fördermittel. Schulz: "Aus ökologischer sowie aus wirtschaftlicher Sicht stellen moderne dezentrale Anlagen im ländlichen Raum die bessere Alternative dar. Nur so kann der Schaden noch begrenzt werden." Einigkeit herrschte darüber, dass die derzeitig praktizierten Variantenvergleiche zwischen zentralen und dezentralen Anlagen zur Entscheidungsfindung nicht geeignet sind, da die einseitige Förderpolitik des Landes Sachsen-Anhalt hier zu bewusster Manipulation der Vergleiche anregt.

Der Initiator des Treffens, Dr. Andreas Löhne vom HWG Nebra, resümierte: "Der Anfang ist gemacht. Es kommt nun auch darauf an, weitere Mitstreiter zu gewinnen. Dabei sind wir offen für die Unterstützung von den demokratischen Parteien auf Kommunal- und Landesebene. Mit bloßen Willensbekundungen werden wir uns aber nicht zufrieden geben."

Bereits im Januar soll das nächste Treffen stattfinden. Es soll dann ein landesweites Netzwerk gegründet werden. Mittelfristig soll zu einer weitreichenden Änderung des Kommunalabgabengesetzes hingearbeitet werden, auch mit Blick auf das Thema Straßenausbaubeiträge. Dabei sollen Beitrags- und Gebührengerechtigkeit, die Bürgerbeteiligung an Entscheidungen sowie die Haftung von Entscheidungsträgern bei Fehlplanungen im Mittelpunkt stehen.

Gemeinsame Pressemitteilung vom 11.12.2007 von:

"Verein Bezahlbares Abwasser" (AZV Bodeniedeurung)
IG Abwasser im AZV Salza
Bürgerinitiative im ZWA Bad Dürrenberg
Bürgerinitiative im AZV Eisleben
HWG Nebra
HWG Bad Bibra

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