(openPR) Zum Tag der Pflege fordert die Wir! Stiftung pflegender Angehöriger ein grundlegendes Umdenken in der Pflegepolitik. In Deutschland wird der Großteil der Pflegearbeit von Angehörigen geleistet – meist Frauen, die damit ein hohes persönliches und finanzielles Risiko tragen. Rund 86 Prozent der pflegebedürftigen Menschen werden zu Hause betreut. Diese Form der Pflege ist eine subsidiäre Leistung, die auf Freiwilligkeit und moralischem Engagement basiert – unentgeltlich, unsichtbar und strukturell kaum abgesichert. Doch dieses Fundament ist brüchig, denn es fehlt an klaren politischen Rahmenbedingungen: Weder gibt es eine gesetzliche Definition für „pflegende Angehörige“ noch eine systematische Tätigkeitsbeschreibung, die die Anforderungen und Belastungen dieser Verantwortung abbildet.
Ein soziales Fundament ohne Anerkennung
„Pflegende Angehörige sind das Rückgrat unseres Pflegesystems. Ohne ihren oft unsichtbaren Einsatz würde dieses System kollabieren“, sagt Brigitte Bührlen, Gründerin der Wir! Stiftung. „Es ist sozialpolitisch inakzeptabel, dass diese Arbeit weiterhin kaum anerkannt und finanziell unzureichend abgesichert ist. Besonders Frauen, die den Großteil dieser Sorgearbeit leisten, tragen ein untragbar hohes Armutsrisiko. Doch wer soll in Zukunft diese immense Verantwortung übernehmen? Welche ungeborenen Kinder von ungeborenen Müttern werden künftig diese Pflegearbeit leisten? Welche gut ausgebildeten Frauen sollen ihren Beruf an den Nagel hängen, um ein unentlohntes, gesellschaftlich tabuisiertes ‚Ehrenamt‘ zu übernehmen – wobei man im Ehrenamt wenigstens eine Aufwandsentschädigung erhalten würde?“
Politische Verantwortung für ein tragfähiges Pflegesystem
Die Wir! Stiftung fordert daher eine Neuausrichtung der Pflegepolitik, die den besonderen Herausforderungen pflegender Angehöriger gerecht wird. Dazu zählen:
- Strukturelle Anerkennung: Pflegende Angehörige müssen als tragende Säule des Pflegesystems politisch anerkannt werden.
- Finanzielle Entlastung: Eine angemessene finanzielle Unterstützung, die die tatsächliche Belastung widerspiegelt, ist unabdingbar.
- Vereinbarkeit von Pflege und Beruf: Flexible Arbeitszeitmodelle und verlässliche Entlastungsangebote müssen gewährleistet sein, um familiäre Pflege nicht zur Armutsfalle werden zu lassen. Dabei muss auch die geschlechtergerechte Verteilung dieser Arbeit in den Fokus rücken.
- Digitale und niederschwellige Unterstützung: Diese müssen praxisnah und konsequent ausgebaut werden, um die Betroffenen im Alltag spürbar zu entlasten.
Ein deutliches Signal an die Politik
Angesichts des kürzlich verabschiedeten Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD fordert die Wir! Stiftung, dass die zentrale Rolle pflegender Angehöriger endlich politisch verankert wird. „Es reicht nicht, diese Menschen nur symbolisch zu erwähnen – sie müssen als unersetzlicher Bestandteil eines zukunftsfähigen Pflegesystems betrachtet werden,“ betont Bührlen. Dazu gehört auch eine umfassende politische Debatte über die Zukunft der Angehörigenpflege. Eine Enquetekommission könnte die strukturellen Herausforderungen und langfristigen Lösungen fundiert untersuchen – ein Schritt, der der gesellschaftlichen Bedeutung dieses oft tabuisierten Themas gerecht würde.