(openPR) Die Konstanzer Aktion „Individualpolitik“, die sich für freie Meinungsäußerung und Bürgerbeteiligung einsetzt, hat Aussagen der baden-württembergischen Staatsrätin für Bürgerbeteiligung und Zivilgesellschaft, Erler, kritisiert. Diese hatte im Zusammenhang mit der derzeit laufenden Suche nach Flüchtlingsunterkünften im Land geäußert, dass die Bevölkerung über mögliche Standorte zwar informiert werden müsse, aber bei der letztendlichen Entscheidung kein Mitbestimmungsrecht habe. Der Staat müsste die Unterbringung von Flüchtlingen stattdessen „hoheitlich durchsetzen“.
Der Sprecher der Aktion, Dennis Riehle, entgegnet Erler in dieser Einschätzung: „Bürgerbeteiligung darf nicht nur bei emotionslosen Themen konkret werden. Macht man Partizipation davon abhängig, ob die Politik vor dem Ergebnis eines Votums aus der Bürgerschaft Angst haben muss, degradiert man die Beteiligung zur Farce“. Riehle moniert insbesondere das pauschale Nein der Staatsrätin: „Auch ich bin der Auffassung, dass das Schweizer Modell der direkten Demokratie nicht das ideale ist, weil damit Populismus und Polemik Türen geöffnet und Verfassungsbrüchen der Weg geebnet wird“.
Riehle zeigt sich jedoch überzeugt, dass es Lösungen gäbe: „Um bei konfliktträchtigen Fragestellungen nicht in das Dilemma zu geraten, dass Stimmungsmache und Feindseligkeit obsiegt, braucht es für die Bürgerbeteiligung klare Regelungen. Dazu gehört auch, dass Grundrechte, Völkerrechte und sonstige bindende Konventionen in ihrem Kern nicht angetastet werden dürfen. Gleichzeitig können bestimmte Wahlverfahren und Abstimmungsvoraussetzungen dazu beitragen, dass fragile Themen von Minderheiten und bestimmten Lobbyistengruppen gar nicht erst vom Bürger beschieden werden müssen.
Im Zusammenhang mit der aktuellen Debatte um die Bestimmung von Flüchtlingsunterkünften entgegnet Riehle der Staatsrätin: „Es ist unbestritten, dass Deutschland, dass Baden-Württemberg durch Verträge und Vereinbarungen, aber auch aus humanitärer Sicht verpflichtet ist, Hilfe suchende Menschen bei sich aufzunehmen. Daran kann und darf nach meinem Verständnis auch nicht durch ein Votum des Volkes gerüttelt werden. Aber wozu setzen wir uns eigentlich für Bürgerbeteiligung ein, wenn wir den Einwohnern vor Ort, die sich mit sozialen und kulturellen Strukturen am besten auskennen, nicht einmal die Möglichkeit einräumen wollen, zwischen verschiedenen Standorten für ein Flüchtlingsheim zu entscheiden?“.
Riehle untermauert damit seine Kritik an der generellen Ablehnung der Staatsrätin, die Bürger bei der Suche nach passenden Örtlichkeiten für die Aufnahme von Flüchtlingen aus ihrer Mündigkeit zur Entscheidung zu entbinden: „Statt diesem prinzipiellen Nein hätte ich mir gewünscht, dass die Staatsrätin daran erinnert, wonach es mehr Tempo und vor allem Nachhaltigkeit in der Umsetzung neuer Richtlinien für geordnete Beteiligungsverfahren bedarf. Die Landesregierung hinkt ihren Vorstellungen hierbei bislang weit hinterher“. Riehle sieht dadurch auch die Chance verspielt, dass das Land bundesweiter Vorreiter und Vorzeigebeispiel für eine vernünftige Harmonisierung zwischen parlamentarischer und bürgernaher Demokratie werden kann.
„Hätte man bereits klare Grundsätze über den Geltungsbereich, Verfahrensabläufe und Bedingungen für gültige Partizipationsprozesse geschaffen, bräuchte es nun keine Debatte darüber, wo und wann die Bürger beteiligt werden können. Die Haltung Erlers enttäuscht und irritiert die Menschen in Baden-Württemberg zurecht, können sie doch in der Linie der Landesregierung zur Ausgestaltung der Zivilgesellschaft, wie sie nicht nur im Wahlkampf propagiert, sondern zum wesentlichen Teil des Koalitionsvertrages wurde, keine Konsequenz erkennen“, so Riehle abschließend.