(openPR) Eingreifen bleibe jedoch ein Balanceakt
Die neue Handlungspflicht erleichtert die Arbeit in Jugendämtern oder Kindertagesstätten erheblich: Pädagogen haben jetzt juristische Klarheit, wenn sie ein Kind auf Verdacht aus seiner Familie herausnehmen. Sollte sich später zeigen, dass doch keine Notlage besteht, behalten sie trotzdem Recht. Vorher hätten Erzieher fürchten müssen, dass das Gericht in diesem Fall ihr Eingreifen missbilligt, erklärt Cornelie Bauer, Geschäftsführerin des Bundesverbandes für Erziehungshilfe, Hannover.
Das Eingreifen bleibt dennoch ein Balanceakt: Einerseits müsse man in akuten Problemsituationen sofort einhaken, Kinder also in Obhut nehmen. Andererseits müsse man Eltern vermitteln, dass sie sich gefahrlos in Erziehungsfragen vom Jugendamt beraten lassen können – sie sollen nicht befürchten, man nehme ihr Kind weg. Viele Eltern würden sonst diese frühe Hilfe verweigern oder ihr Kind unter Druck setzen, sich „normal“ zu verhalten.
Erziehungshilfe funktioniert optimal, wenn Problemsituationen frühzeitig erkannt werden, zum Beispiel an altersuntypischem Verhalten des Kindes. Nach Erfahrung Bauers nehmen die meisten Eltern dann gern Hilfe an, denn in diesem Stadium spricht ihnen die Öffentlichkeit noch keine Schuld zu. Bei Gefahr für Leib und Leben – schwerwiegender Vernachlässigung, starker Abmagerung oder anscheinendem Missbrauch – kommt ambulante Hilfe jedoch zu spät. Die Gesellschaft solle solche Eltern auch dann nicht verdammen, betont Bauer. Viel mehr sollten Nachbarn oder Bekannte „Familien in Not“ erkennen und sie rechtzeitig bei gezielten Maßnahmen unterstützen.
Der Bundesverband für Erziehungshilfe wurde 1906 unter dem Namen AFET (Allgemeiner Fürsorge Erziehungs Tag) gegründet. Hauptaufgabe ist die Qualifizierung von Erziehungshilfe: Der AFET passt Erziehungspraxis an neue Gesetze und wissenschaftliche Erkenntnisse an. Paragraph 8a des neuen Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) legt seit dem 1. Oktober 2005 fest: Wenn Pädagogen vermuten, dass Kinder in der Familie gefährdet sind, müssen sie reagieren.
Kontakt Cornelie Bauer, Hannover
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