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„Die Herausforderungen des demografischen Wandels annehmen“

24.11.201119:05 UhrGesundheit & Medizin

(openPR) Der scheidende Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands Geriatrie e.V., Hon.-Prof. Dr. med. Dieter Lüttje, spricht sich für eine breite gesellschaftliche Diskussion über die zunehmende Alterung der Bevölkerung und die damit verbundenen Konsequenzen für die geriatrische Versorgung aus. „Die Weichen müssen heute gestellt werden“, mahnte der Kliniker, der sechs Jahre an der Spitze des Bundesverbands stand, in einem Gespräch am Rande des Jahreskongresses in Bochum-Wattenscheid.




Frage: Herr Professor, die zunehmende Alterung der Bevölkerung ist kein neues Phänomen. Trotzdem scheinen Politik und Gesellschaft zögerlich, sich dem Thema zu stellen.

Antwort: Natürlich wird der demografische Wandel als ein wichtiges Thema wahrgenommen. Das widerspiegelt sich sowohl in der Medizin, insbesondere in der Geriatrie, die sich ja ganz unmittelbar der Zunahme alterstypischer Erkrankungen und der Multimorbidität älterer Patienten stellen muss, als auch der Politik. Tatsächlich aber fehlt noch eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der wachsenden Alterung der Bevölkerung. Denn diese ist kein ausschließlich medizinisches Problem, sondern hat Konsequenzen für das gesamte Gesundheits- und Sozialwesen, für die Versicherungsträger, ja selbst für die Kommunen, die für bestimmte Transferleistungen oder die Heimunterbringung aufkommen. Im Jahr 2050 werden in Deutschland laut Berechnungen etwa 23 Prozent der Menschen über 65 Jahre alt sein. Wir müssen uns auf die steigende Zahl älterer Menschen einstellen und aktiv reagieren. Diese Weichen müssen heute gestellt werden.

Frage: Was bedeutet diese Entwicklung für die Geriatrie?

Antwort: Vor allem, dass wir eine deutliche Zunahme alterstypischer Erkrankungen erleben werden. Es gibt Analysen, wonach beispielsweise die Zahl der Diabetes mellitus-Erkrankungen von 2007 bis 2050 um etwa 20 bis 22 Prozent steigen wird. Die Zahl von Herzinfarkten, was Neuerkrankungen anbelangt, wird im selben Zeitraum von 313.000 auf 548.000 wachsen, eine Zunahme von 75 Prozent. Noch drastischer ist die Steigerung von Demenz-Erkrankungen um 104 Prozent - entsprechend 1,1 Millionen 2007 auf 2,2 Millionen im Jahr 2050.

Frage: Ist angesichts dieser Zahlen die geriatrische Versorgung auch in Zukunft gesichert?

Antwort: Diese Frage hat der Bundesverband Geriatrie unter anderem in dem im vergangenen Jahr vorgelegten „Weißbuch Geriatrie“ untersuchen lassen. Unsere Gutachter kamen zu dem Schluss, dass sich in den vergangenen Jahren in dieser Hinsicht zwar viel zum Positiven verändert hat, aber trotzdem deutlicher Nachholbedarf besteht. So müssen neben einer kontinuierlicher Qualitätsverbesserung geriatrische Kapazitäten erheblich ausgebaut und die derzeitige Situation der teilweise fachspezifisch unvollständigen bzw. Fehlversorgung geriatrischer Patienten rasch überwunden werden. Besonders brennt mir die Ausbildung von Geriatern auf den Nägeln, in nahezu allen geriatrischen Einrichtungen gibt es einen Mangel an entsprechenden Fachärzten. Dazu muss die Ausbildung stärker auf universitärer Ebene verankert werden. In Deutschland existieren gerade einmal sieben Lehrstühle an den 36 medizinischen Fakultäten, die sich
schwerpunktmäßig mit Geriatrie befassen. Daneben – und nicht zuletzt - muss die kritische Vergütungssituation in der geriatrischen Versorgung verändert werden.

Frage: Sie sprechen damit den Rehabilitationsbereich an?

Antwort: Ja, die Lage ist im Rehabereich so dramatisch, dass einige Einrichtungen bereits schließen mussten, bei anderen ist dieser Schritt in absehbarer Zeit möglich. Während die Betriebskosten der Einrichtungen beständig gestiegen sind, wurden die Vergütungssätze nicht oder nur äußerst gering erhöht. Zum Teil haben einzelne Einrichtungen bereits seit etwa acht Jahren keine Erhöhung der Vergütung erhalten. Die Reserven sind inzwischen ebenso aufgebraucht wie die Sparpotenziale.

Frage: Geriatrische Versorgung ist insbesondere wegen des hohen Personalaufwandes teuer. Da ist es doch nicht überraschend, dass die Gesundheitskosten nicht noch weiter steigen sollen.

Antwort: Das ist eine Milchmädchenrechnung, die eben nicht gesamtgesellschaftlich, aber auch nicht gesundheitspolitisch gedacht ist. Es gibt belastbare Beispielrechnung, unter anderem in unserem Weißbuch, dass durch eine fachgerechte geriatrische Versorgung erhebliche Sparpotenziale erschlossen werden können. Nimmt man beispielsweise eine Verhinderung der Pflegebedürftigkeit bei nur 10 Prozent der im Jahr 2007 in der stationären Geriatrie behandelten Patienten und gleichzeitig eine Minderung der Pflegebedürftigkeit um eine Pflegestufe bei weiteren 10 Prozent der Patienten für den Zeitraum von einem Jahr an, ergäbe sich eine geschätzte Einsparung der Pflegekosten um rund 455 Millionen Euro für diesen Zeitraum. Dem gegenüber steht eine durchschnittliche einmalige Ausgabengröße von rund 293 Millionen Euro für die stationäre geriatrische Behandlung dieser Patienten in einer Akut- oder Rehabilitationsklinik. Damit könnten in einem Jahr der verhinderten oder verminderten Pflegebedürftigkeit rund 163 Millionen Euro allein bei dieser Patientengruppe eingespart werden. Erhöht sich der Anteil verhinderter und verminderter Pflegebedürftigkeit nach einer qualifizierten geriatrischen Behandlung gar auf jeweils 25 Prozent, steigt das Einsparvolumen für die Leistungen der Pflegeversicherung auf rund 1,14 Milliarden Euro bei gleichzeitig Ausgabe von rund 732 Millionen für die stationäre geriatrische Behandlung. Die Gesamteinsparung beliefe sich in diesem Fall auf 407 Millionen Euro in einem Jahr verhinderter Pflegebedürftigkeit! Aber wie gesagt, dazu muss man über den medizinischen Rahmen hinaus blicken. Die Einsparungen, die sich aus einer geriatrisch-fachärztlichen Unterstützung im ambulanten Bereich bzw. aus einer Wahrnehmung eines „Geriatrieprofils“ bei der stationären Aufnahme jeden Krankenhauses als Grundlage eine sinnvollen Fallsteuerung ergeben, würden weit darüber hinaus gehen.

Frage: Das klingt so, als sei der ältere Mensch nur ein Objekt für Rechenexempel.

Antwort: Nein, ganz und gar nicht. Trotz der Bedeutung wirtschaftlicher Fragen geht es an allererster Stelle darum, den zumeist multimorbiden älteren Patienten eine fachgerechte geriatrische Versorgung zugutekommen zu lassen, ihre Selbstständigkeit zu erhalten oder soweit wie möglich wieder herzustellen. Damit kann auch der individuelle Teilhabeanspruch bis ins hohe Alter hinein verwirklicht werden.

Frage: Welche Rolle spielt der Bundesverband Geriatrie in diesem Zusammenhang?

Antwort: Der Bundesverband hat in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften und anderen Partnern einen wesentlichen Beitrag zu Qualitätssicherung, Ausbau und Entwicklung innovativer Konzepte in der geriatrischen Versorgung geleistet. So sind mit „Zercur Geriatrie“ und dem „Qualitätssiegel Geriatrie“ Bildungsprogramme und Zertifizierungsinstrumente vorgelegt worden, die zur Sicherung eines hohen Versorgungsstandard beitragen können. Mit Datenbanken und Kodierleitfäden haben wir zudem den Einrichtungen Hilfen zur praktischen Arbeit an die Hand gegeben. Mit der „Aktivierend-therapeutischen Pflege in der Geriatrie“ oder dem Geriatrischen Versorgungsverbund liegen Modelle und Projekte vor, mit denen auf die Anforderungen einer fachspezifischen geriatrischen Versorgung auch in der Zukunft reagiert wird.

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