(openPR) Ich war mal eine Dose. Und daneben das Bild einer Parkbank. Die Anzeigen aus den Anfangszeiten des Dualen Systems könnte Bernd Dörr mit kleinen Änderungen wieder verwenden: Einfach nur die Dose durch Autoschlauch oder Luftmatratze ersetzen – und statt der Bank eine Tasche abbilden.
„Was haben wir hier? Dänische Post. Der da? Frankreich. Und hier?“ Bernd Dörr dreht den Beutel um. „Ah, Italien.” Aus unterschiedlichsten Ländern kommen die alten Postsäcke, die in einer Duisburger Lagerhalle nicht auf ihr Ende im Müll warten, sondern als Taschenmaterial eine neue Bestimmung finden.
Bernd Dörr ist in seinem Element. Aus Pappschachteln und Regalen zieht er eine Tasche nach der anderen hervor. Jede ist ein Unikat, aber gleichwohl verbindet alle Modelle eine Idee: Jede Taschen ist aus Recycling-Material gefertigt. Dabei scheinen der Vielfalt keine Grenzen gesetzt. Wiederverwertet werden derzeit Luftmatratzen, LKW-Plane, alte Armeedecken, Reissäcke, Reifenschläuche oder Surfanzüge. Was die Zukunft an neuen „alten Materialien“ bringt, wird man sehen. Bernd Dörr ist ein Tüftler. „Ich mache nur, was mir gefällt und bin jedes Mal ganz traurig, wenn ich eine Tasche verkaufen muss.“ So spricht keiner, der nur für seinen Broterwerb arbeitet.
Seine ersten Modellen aus alten LKW-Planen fertigte Bernd Dörr 1996. Als Hobby und zum Spaß für Freunde. Zuvor arbeitete der Sohn eines Spediteurs und Neffen eines LKW-Planenschneiders selbst als LKW-Fahrer und Spediteur. Die ersten Planen habe er bei seinen Lieferanten für ein paar Mark in die Kaffeekasse praktisch umsonst bekommen, erinnert sich Dörr an die Anfänge. Seitdem ist ein harter Wettbewerb um die besten Plane entstanden. „Heute zahle ich 180 bis 200 Euro für die begehrten roten und schwarzen Planen.“
Aber auch sein Unternehmen hat sich entwickelt: vom Feierabend-Hobby zu einem Betrieb mit acht Mitarbeitern und zusätzlichen freien Designern. Dabei ist der Markenname Dörr für den Unternehmer seit zweieinhalb Jahren Vergangenheit, um einen Prozess mit dem Foto-Taschenanbieter Dörr aus Neu-Ulm zu vermeiden. „Da entschied ich mich für Kultbag mit dem Zusatz Bernd Dörr Recycling Goods. Im Internet benutzten wir von Anfang an diesen Domain-Namen.“
Heute setzt Dörr weltweit 30.000 bis 40.000 Taschen pro Jahr ab. „Ganz genau weiß ich das gar nicht. Es interessiert mich aber auch nicht.“ Spannender sind für ihn dagegen die regionalen Geschmacksunterschiede. Im Gegensatz zu den deutschen Kunden fahren z.B. die Japaner auf die Taschen mit aufgenieteten amerikanischen Autokennzeichen oder aus gebrauchten Surfsegeln ab, erläutert Dörr. Und die Schweizer kauften besonders gerne Luftmatratzen-Modelle.
Welche Materialien und Dessins beim Kunden ankommen, testet Dörr in seinem Internetshop unter www.kultbag.de. „Hier informieren sich die Leute. Daher ist der Webshop wichtig. Finanziell bringt er nur wenig. Die Kunden wollen die Taschen beim Händler anfassen.“ Dabei sind die Webshop-Funktionalitäten ausgefeilt. „What you see is what you get“, lautet das Motto. Da jede Tasche im wahrsten Sinne des Wortes einzigartig ist, werden Modelle im Warenkorb des Kunden automatisch gesperrt und nach der Bestellung sofort aus dem Angebot genommen.
Laptop-Bereich ausgebaut
Nicht nur die Material-, sondern auch die Modellpalette ist seit den Anfangstagen breiter geworden. Einen Schwerpunkt legt Bernd Dörr auf den Business-Bereich, denn: „Es gibt keine hübschen Laptop-Taschen. Alles ist nur Schwarz. Aber die Leute wollen auch ihre Technik so transportieren, wie es ihnen gefällt.“ Speziell auf die Power- und iBooks von Apple schneidet Dörr seine Laptop-Lösungen zu. Für jede Größe (12, 14, 15 und 17 Zoll) gibt es das passende Sleeve, das mit Wasser abweisendem Reißverschluss sowie innen mit schützendem Neopren ausgestattet ist. Zudem bietet man Taschen mit integriertem Laptop-Fach an.
Engpass Materialbeschaffung
Seine Spezialität hat sich inzwischen herumgesprochen. Potenzielle Kunden wenden sich an ihn – und bringen das Material gleich mit. Das kann der Zivi sein mit ein paar alten Decken oder ein großes Unternehmen. Ob Tabakanbieter Drum, die FDP, Sigma Sport oder die Agentur der Rockgruppe Garbage – alle haben bereits aus Sonnenschirmen, großflächigen Werbebannern oder Planen Taschen in Auftrag gegeben.
Doch das ist nicht der Normalfall. Als Engpass entpuppt sich daher die Materialbeschaffung. Dieser Prozess fordert ebenso viel Kreativität und Engagement wie Design und Herstellung. Die Reissäcke organisiert Dörr selbst von thailändischen Märkten, gebrauchte Cabrioverdecke liefern kleinere Sattlereien. „Bei den Gardinen habe ich fast zweieinhalb Jahre gebraucht, bis ich das Material in der notwendigen Menge gefunden habe. Und Autoschläuche bekomme ich erst in drei Monaten wieder“, bedauert Dörr. Denn wegen des Siegeszuges des schlauchlosen LKW-Reifens entwickelt sich das Ausgangsmaterial zur gesuchten Rarität.
Weggeworfen wird folglich fast nichts. Aus schlecht geschnittenen Taschendeckeln z.B., bei denen das Design nicht gefällt, entstehen Handy-Fächer. Deren Größe ist in alle Taschen gleich, und bei den kleinsten Modellen entspricht sie dem Innenfach.
Recycling in der Kommunikation
Der Recycling-Gedanke durchzieht nicht nur Produktion, sondern auch die Kommunikation. Markus Kreykenbohm, der als freier Mitarbeiter für den Außenauftritt von Kultbag verantwortlich zeichnet, arbeitet daher gerne mit alten Postkartenmotiven, die er auf Flohmärkten findet, oder Zitaten wie von der Komikerin Rita Runder: „Eine Freundin von mir steht so auf Recycling, dass für sie nur Männer für eine Ehe in Frage kommen, die schon einmal verheiratet waren“. Den Unikats-Charakter wiederum transportiert er, in dem er Schriften oder Motive, die kennzeichnend sind für die Taschenmaterialien, in seine Kommunikationsmittel integriert.
Der große Konkurrent
Bernd Dörr setzt sich mit dem Recycling-Thema kreativ auseinander. Dass die Schweizer Firma Freitag von Teilen der Öffentlichkeit als einzig authentischer und innovativer Planen-Taschen-Anbieter angesehen werde und er dagegen nur kopiere, ärgert Dörr. Allein aus pragmatischen Gründen böte man manchmal gleiche Lösungen. Beispiel Taschendeckel: Die sich nach unten verjüngende Schnittform bringe den Taschenkörper besser zur Geltung und liege folglich nahe. Beispiel Kartonpräsentation: Wenn die Taschen ohne Karton eng nebeneinander im Regal stehen, könne der Kunde den Deckel nicht sehen, der jede Tasche zu einem unverwechselbaren Original macht. Folglich müsse man irgendwo ein Foto befestigen, damit sich der Kunde ein Bild von der Tasche machen kann, so Dörr. Daher liefert er ebenso wie Freitag seine Taschen im Karton aus.
Dörr verweist zudem auf einen Prozess wegen Designschutz, den er gegen die Schweizer gewonnen hat. Und abschließend hebt er hervor: „Die erste Tasche aus Plane wurde bereits 1980 angeboten. Von der Firma Ortlieb.“
(Tobias Kurtz, Chefredaktion Lederwaren Report)
***
Kultbag | Bernd Dörr Recycling Goods
Heinrichstraße 37, 45470 Mülheim/Ruhr
Telefon/Fax/AB (02 03) 455 79 36
Webshop http://www.kultbag.com
Presse http://www.kultbag.de/presseecke