(openPR) Presseinformation zum Gutachten: Klicks, Quoten, Reizwörter - Nachrichten-Sites im Internet
Berlin, 9. Mai 2007 - Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung - Wie Bürgerjournalismus und Spaßgesellschaft die Internetauftritte der Verlage bedrohen.
Die Internetangebote vieler deutscher Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine verlieren an Niveau und Bedeutung. Das zeigt ein Gutachten der Friedrich-Ebert-Stiftung. Selbst renommierte Redaktionen unterwerfen ihre Nachrichten-angebote dem Massengeschmack und dem Primat der Einschaltquote. Im Wettbewerb um Marktanteile eifern viele Verlage den Portalen wie T-Online und Yahoo nach. Nicht Information, sondern Unterhaltung steht im Vordergrund. Im Ergebnis entstehen holzschnittartige, seichte, verwechselbare Internet-Angebote, lautet das Fazit der Studie. Die Leser werden im Web unzureichend informiert oder sogar manipuliert.
Die Autoren Steffen Range („Die Welt“) und Roland Schweins („Handelsblatt“) legen ein Gutachten vor, das Fehlentwicklungen im Online-Journalismus skizziert. Sie erklären für Außenstehende verständlich, wie Internet-Redaktionen funktionieren und welchen Zwängen sie ausgesetzt sind. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Folgen sich aus der überragenden Bedeutung der Einschaltquote für Nachrichtenportale ergeben. Das Gutachten zeigt auf, inwieweit sich durch die Fixierung auf Klickraten das Denken der Verleger, das Handeln der Journalisten, die Methoden der Anzei-genkunden verändern.
Tatsächlich erreichen Unterhaltungsportale wie „T-Online“, „Yahoo!“ und „WEB.DE“ mit ihren Nachrichten längst viel mehr Leser als „Bild“, „Süddeutsche“ oder „Frankfur-ter Allgemeine Zeitung“. Während das Internet zum Massenmedium geworden ist und die Reichweite in allen Bevölkerungsschichten erhöht, tauchen in der Liste der wichtigsten Werbeträger nur wenige redaktionelle Angebote klassischer Verlage auf. Laut einem aktuellen Report des Onlinevermarkterkreises (OVK, Stand April 2007) stehen an den ersten Positionen T-Online, WEB.DE und MSN.de, erst auf Rang 13 folgt Spiegel Online. Die Plätze 16 bis 18 nehmen Bild.T-Online, Focus Online und Chip Online ein.
Um diesen Rückstand zu verkürzen, ahmen die Verlage die Erfolgsrezepte der Un-terhaltungsportale nach und wenden deren Methoden zur Steigerung der Einschalt-quote an. Sie setzen auf seichte Themen, Klatsch und Tratsch, Bildergalerien und Gewinnspiele. Boulevard und Information sind im Netz ein Bündnis eingegangen.
Der Grund: Skandale, Peinlichkeiten und Reizworte wie „Sex“; „Blut“ und „Orgie“ erbringen stets höhere Einschaltquoten als nüchtern prä
sentierte News. Bilderstrecken und in viele Teile zum Weiterklicken filettierte Texte stechen jeden seriös betitelten Artikel aus. Online-Redakteure sind Getriebene in diesem Spiel. Den Takt geben als Marktführer die Unterhaltungsportale und mächti-gen Suchmaschinen vor. Das bringt den Qualitäts-Journalismus alter Schule in Ge-fahr.
Gemessen an den strengen Kriterien des Qualitätsjournalismus’, die Verleger und Chefredakteure selbst aufgestellt haben, versagen die meisten ihrer Nachrichtenpor-tale, lautet das Fazit der Autoren. Kennzeichen des tatsächlich vorherrschenden Nachrichtenjournalismus im Netz sind Zweitverwertung, Agenturhörigkeit, Holz-schnittartigkeit, Eindimensionalität und Einfallslosigkeit. Gegen das Trennungsgebot von Werbung und redaktioneller Berichterstattung wird systematisch verstoßen. We-der bestimmen Wichtigkeit und Relevanz allein die Nachrichtenauswahl der Websi-tes noch steht Originalität im Zentrum.
Die Verlage nehmen in Kauf, auf Dauer jene Merkmale zu verlieren, die sie von Weblogs und Unterhaltungsportalen abgrenzen: Solidität, Seriosität und Kompetenz bei der Einordnung von Themen, Glaubwürdigkeit und Relevanz der Information. Mehr noch: Am Massengeschmack ausgerichtete Medien geben die ihnen vielfach zugeschriebene Rolle als vierte Gewalt im Staat auf. „Infotainment-Journalisten, die dem Volk aufs Maul schauen, taugen nicht mehr als demokratische Aufklärer, Kon-trolleure der Regierenden und Mahner der Mächtigen“, schreiben die Autoren Steffen Range und Roland Schweins.
Zum Erscheinen der Studie starten die Autoren ein Weblog, das die Diskussion über Qualitätsjournalismus im Internet anregen soll. Das Blog „Werkkanon“ (http://werkkanon.blogspot.com) soll zudem entlarven, wo in seriösen Medien Quote die Qualität aussticht.
Die Autoren haben Auszüge der Studie vorab unter http://werkkanon.blogspot.com im Weblog veröffentlicht. Die Blogosphäre hat darauf mit spannenden und kritischen Rezensionen reagiert. Renommierte Blogger haben die Studie auf ihren Seiten auf-gegriffen:
Spiegelkritik.de:
http://spiegelkritik.de/2007/05/02/spiegel-online-ist-qualitaetsboulevard/
Zeit Blogruf:
http://blog.zeit.de/blogruf/2007/04/24/quote-ist-king_407
Medienjournalist Stefan Niggemeier:
http://www.stefan-niggemeier.de/blog/die-erosion-des-qualitaetsjournalismus/
Technology Review:
http://www.heise.de/tr/blog/artikel/89032
JakBlog:
http://www.blog-cj.de/blog/index.php?p=704
Netzjournalist:
http://netzjournalist.twoday.net/stories/3646500/
Onlinejournalismus.de: http://www.onlinejournalismus.de/2007/04/23/lange-durststrecke-bei-sueddeutschede/
Steffen Range
geb. 1972, studierte Geschichte, Politische Wissenschaft und Wirtschaftsgeschichte an der RWTH Aachen. Nach seiner Tätigkeit als Pressesprecher der Abfallwirtschaft Aachen absolvierte er ein Volontariat an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirt-schaftsjournalisten in Düsseldorf. Von 2000 bis 2005 arbeitete er in der Verlagsgrup-pe Handelsblatt als Wirtschaftsredakteur, seit 2002 war er Leiter der Online-Redaktion der Wirtschaftswoche. Seit 2006 ist er als Blattmacher in der Wirtschafts-redaktion von Welt und Welt am Sonntag in Berlin tätig.
Roland Schweins
geb. 1973, Bankkaufmann, studierte Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten Marburg und Düsseldorf und absolvierte im Anschluss ein Volontariat an der Georg von Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf. Seit 1999 arbeitet er bei der Verlagsgruppe Handelsblatt im Internetbereich, zunächst als freier Mitarbei-ter, dann als Redakteur, später als Projektmanager und seit 2006 als Objektleiter. Seit 2007 ist er zudem Geschäftsführer der styleranking media GmbH.
Einzelexemplare des Gutachtens Range/Schweins, „Klicks, Quoten, Reizwörter: Nachrichten-Sites im Internet“ können bei der Friedrich-Ebert-Stiftung kostenlos ab-gerufen werden:
Online: http:library.fes.de/cgi-bin/populo/puma.pl Stichwort: Range
per E-mail:
, Bestellnummer: Puma 6054
als PDF-Dokument: www.fes.de/medienpolitik
Kontakt:
oder
Roland Schweins, Kölner Landstr. 38, 40591 Düsseldorf,
E-Mail:
Internet: http://werkkanon.blogspot.com
Friedrich-Ebert-Stiftung, Beate Martin, Referentin der Stabsabteilung,
Hiroshimastraße17, D-10785 Berlin,
Tel. 030/26935-842, E-mail: ![]()
Die Friedrich- Ebert- Stiftung (FES) wurde 1925 als politisches Vermächtnis des ersten demokratisch gewählten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert gegründet.
Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert - vom einfachen Handwerker in das höchste Staatsamt aufgestiegen - regte vor dem Hintergrund eigener Erfahrungen in der politischen Auseinandersetzung die Gründung einer Stiftung mit folgenden Zielen an:
- die politische und gesellschaftliche Bildung von Menschen aus allen Lebensbereichen im Geiste von Demokratie und Pluralismus zu fördern,
- begabten jungen Menschen unabhängig von den materiellen Möglichkeiten der Eltern durch Stipendien den Zugang zum Hochschulstudium zu ermöglichen,
- zur internationalen Verständigung und Zusammenarbeit beizutragen.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung, von den Nationalsozialisten 1933 verboten und 1947 wiederbegründet, verfolgt mit ihren umfangreichen Aktivitäten diese Ziele bis heute. Als eine gemeinnützige, private und kulturelle Institution ist sie den Ideen und Grundwerten der sozialen Demokratie verpflichtet.











