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Hat die Steinnelke ein Rezept, um den Klimawandel zu überleben?

04.11.202517:29 UhrWissenschaft, Forschung, Bildung
Bild: Hat die Steinnelke ein Rezept, um den Klimawandel zu überleben?

(openPR) Das Klima erwärmt sich immer schneller, besonders in den Alpen. Das fordert Organismen heraus. Wenn sie sich nicht in grössere Höhen ausbreiten, müssen sie sich an ihrem bisherigen Standort sehr rasch an höhere Temperaturen anpassen, oder ihre Populationen werden geschwächt und sterben schliesslich aus.

Ein Beispiel für Klimaanpassung ist die Steinnelke (Dianthus sylvestris). Sie ist mehrjährig und in den Alpen weit verbreitet. Sie besiedelt Höhenlagen zwischen 800 bis 2400 Metern. Obwohl sich Pflanzen aus der Höhe und aus tiefen Lagen ähneln, haben sich im Laufe der Zeit Unterschiede entwickelt.

Ein zentrales Merkmal ist der Blühzeitpunkt: In hohen Lagen blühen Steinnelken unmittelbar nach der Schneeschmelze im Juni, in tiefen Lagen hingegen ab dem Monat Mai. Allerdings beginnt in tiefen Lagen die Wachstumsperiode schon viel früher. Deshalb sind Tal-Steinnelken – als Anpassung an die warmen Tieflandbedingungen - eher Spätzünder.

Vor zehn Jahren begannen Simone Fior und weitere Forschende um Professor Alex Widmer vom Institut für Integrative Biologie der ETH Zürich zu erforschen, wie sich die Steinnelke genetisch an vergangene Klimaveränderungen angepasst hat und was dies für ihre Reaktionen auf den aktuellen Klimawandel bedeuten kann. Die Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

Früh blüht, wer Samen bilden will

Für ihre Studie untersuchten die Forschenden im Kanton Wallis je drei Steinnelken-Populationen aus Tal- und aus Berglagen. Weiter analysierten sie ein spezifisches Gen von 1000 Individuen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art. Zudem führten sie Verpflanzungsexperimente durch.

«Steinnelken in alpinen Zonen blühen nicht nur so früh als möglich, sondern bilden auch möglichst rasch Samen», erklärt Widmer. «Das ist eine Anpassung an die kurze Saison in hohen Lagen. In Tallagen haben die Pflanzen dagegen mehr Zeit.»

Verpflanzten die Forschenden aber Steinnelken aus den Tälern in die Berge, änderte sich ihr Blühverhalten nicht grundlegend. Sie liessen sich wie in tiefen Lagen mehr Zeit, bauten erst Pflanzenmasse auf und bildeten viele Blüten. Auch für die Samenproduktion brauchten diese Pflanzen mehr Zeit. Kam der Schnee am Ende des kurzen Bergsommers, waren die Samen nicht reif.

Gesteuert wird dieses «Verhalten» durch ein Gen, das die ETH-Forschenden erst im Rahmen der Studie entdeckten. Es bestimmt die Blühzeitpunkte und das Wachstum der Steinnelke. Das Gen heisst DsCEN/2. Davon gibt es zwei Varianten, sogenannte Allele, die bei den beiden Populationen unterschiedlich sind. Tal-Steinnelken verfügen mehrheitlich über das «warme» Allel, Berg-Steinnelken über das «kalte» Allel.

Die warme Variante verzögert die Blüte und fördert das allgemeine Pflanzenwachstum, was in wärmeren langen Sommern von Vorteil ist. Die kalte Variante reguliert hingegen das frühe Blühen von Gebirgspflanzen. «Die beiden Allele entscheiden über das Überleben der Steinnelke in unterschiedlichen Klimazonen», sagt Widmer.

Lange vor dem Erscheinen der Steinnelke entwickelt

Mit Modellen zeigten die ETH-Forschenden auf, dass die beiden Allele sehr alt sind, «älter als die Steinnelke selbst», erklärt der Pflanzengenetiker.

Um herauszufinden, wann die Allele in der Evolution der Dianthus-Arten aufgetreten sind, untersuchten die Wissenschaftler:innen deshalb auch Gene von weiteren Arten, die mit der Steinnelke verwandt sind. Diese Analysen zeigen: Selbst bei weit entfernt verwandten Arten sind wichtige Unterschiede zwischen den warmen und kalten Allelen bereits vorhanden.

Die Forschenden schliessen daraus, dass die Genvarianten nicht durch Mutationen des Erbguts in der Steinnelke selbst entstanden sind, sondern in anderen Arten der Gattung Dianthus. Diese Nelken durchliefen vor ein bis zwei Millionen Jahren eine sogenannte Radiation: eine rapide Auffächerung einer Stammart in zahlreiche neue Arten.

In dieser Zeit wechselten sich Eiszeiten und Warmzeiten über Jahrtausende hinweg ab. Während sich die verschiedenen Dianthus-Arten herausbildeten, entstanden auch die beiden Allele als Anpassung an das sich ständig ändernde Klima.

Durch verschiedene Mechanismen, mit denen genetisches Material verteilt, neu organisiert und neu kombiniert wird, gelangten die beiden Allele schliesslich in die genetische Ausstattung der Steinnelke – und erwiesen sich auch für diese Art als Vorteil.

Durch die Rekombination während der sexuellen Fortpflanzung wird bereits vorhandene Variation neu organisiert. Dadurch sind die warmen und kalten Allele entstanden und haben es der Steinnelke ermöglicht, sich schneller genetisch an neue Umweltbedingungen anzupassen als nur durch neue Mutationen. Dieser Prozess dürfte insbesondere bei einer schnellen Radiation in viele neuen Arten, wie bei den Dianthus-Arten, von Bedeutung sein. Solche evolutiv neue Kombinationen von alten Genvarianten bieten eine breite Basis für Anpassungen an viele verschiedene ökologische Bedingungen.

Zwar kommen bei den Steinnelken über die Zeit Mutationen hinzu, aber die beiden Allele, welche die Blühzeitpunkt bestimmen, sind seit mehreren 100'000 Jahren vorhanden.

Zukünftige Klimaanpassung ist möglich

Die beiden Genvarianten dürften in der Zukunft einen Teil der Reaktion der Steinnelke auf die Klimaerwärmung mitbestimmen: Das «warme» Allel ist bereits jetzt in Populationen in höheren Lagen vorhanden, wie die Forschenden zeigten. Bei weiter steigenden Temperaturen könnte sich diese Genvariante dort weiter ausbreiten und künftig vorherrschen.

«Die Steinnelke hat aus der Vergangenheit das Rüstzeug, um sich an den aktuellen Klimawandel anzupassen. Ob andere Alpenpflanzen ebenfalls diese Fähigkeit haben, wissen wir nicht. Dazu gibt es keine anderen Studien, die sich derart vertieft mit diesen Fragen befassen», betont Widmer.

Er betont jedoch, dass keine Warmphase der Vergangenheit ein solches Tempo hatte wie die derzeitige. Ob sich die Steinnelken (und andere Alpenpflanzen) rasch genug darauf einstellen können, ist daher eine offene Frage und muss künftig erforscht werden.

«Nur wenn es genügend grosse zusammenhängende Populationen gibt, können die Arten das vorhandene genetische Potenzial nutzen, das die Anpassung an den Klimawandel ermöglicht», sagt Widmer. Kleine, isolierte Populationen drohen hingegen schneller auszusterben.

Originalpublikation:
Fior S, Luqman H, Scharmann M, Pålsson A, de Jonge J, Zoller S, Zemp N, Gargano D, Wegmann D, Widmer A: Ancient alleles drive contemporary climate adaptation in an alpine plant. Science 390: 59, 2025, doi: 10.1126/science.adp5717 [https://doi.org/10.1126/science.adp5717]

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