(openPR) Wie haben sich die Wohnstile im Laufe der Epochen verändert? Welche Räume erfüllten zu welchem Zeitpunkt welche Funktion? Wer nutzte sie? Diese und weitere spannende Fragen der Möbelkultur wurden beim Design-Seminar der Österreichischen Möbelindustrie, das am 3. Dezember 2014 im Wiener Hofmobiliendepot stattfand, aufgegriffen.
Drei Experten aus den Bereichen Design, Kultur und Wissenschaft nahmen die Besucher mit auf eine Reise durch verschiedene historische Epochen und ihre Wohnstile – vom Wohnen im Bürgertum des 19. Jahrhunderts bis hin zur modernen Einrichtung heute. Bei einer Führung durch die Ausstellung des Hofmobiliendepots konnten die Teilnehmer kulturhistorische Schätze und Wohnkultur hautnah erleben.
Kunsthistoriker Professor Robert Stalla von der TU Wien beleuchtete im Rahmen seines Vortrags die Zeit des Biedermeier, die durch einen Rückzug ins Privatleben gekennzeichnet war. Das Mobiliar bewegte sich weg vom Repräsentativen hin zu einer schlichten Eleganz und Behaglichkeit. Die Räume waren multifunktional angelegt, das Wohnzimmer zeigte arrangierte Wohninseln, die sich von der Strenge und Symmetrie des Empire-Stils abhoben. Sitzgruppen und Tischchen mit Accessoires waren die vorherrschenden Möbelstücke. Diskutiert wurde hier über die Frage, ob es heute ein neues Biedermeier gäbe. Denn auch heute sei ein Rückzug ins Private zu beobachten. Außerdem gäbe es ein gestiegenes Bewusstsein für die Wertigkeit von Möbeln. Konsumenten seien mehr und mehr bereit, in hochwertiges, langlebiges Mobiliar zu investieren.
Mag. Eva Maria Orosz vom Museum Wien schloss an die Zeit des Biedermeier an und referierte über den Historismus und die Einrichtung der Häuser der Wiener Ringstraße. Das privilegierte Großbürgertum bewohnte zu dieser Zeit Räume mit bis zu zwanzig Zimmern. Überladen mit Antiquitäten und Sammelstücken waren sie Ausdruck einer „Ästhetischen Behaglichkeit“, die einen Gegenpol zur Schnelllebigkeit des Industriezeitalters bot. Das Kunsthandwerk erlebte in dieser Zeit einen Aufschwung. Auch Textilien gewannen an Bedeutung: Sitzmöbel in der Mitte des Raumes gehörten zur typischen Einrichtung.
Dr. Georg Emprechtinger, Vorsitzender der Österreichischen Möbelindustrie, schlug anschließend die Brücke zum Wohnen heute. Nach einem kurzen Abriss der Einrichtung im 20. Jahrhundert ging er auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen ein, die sich im Mobiliar widerspiegeln. Durch die zunehmende Urbanisierung wohnen Menschen heute vermehrt in kleinen Räumen, die mit flexiblen, modularen Möbeln mit Ausziehfunktionen ausgestattet sind, so Emprechtinger. Die Entwicklung der Bevölkerungsstruktur mache altersgerechte Möbellösungen erforderlich. Beispielsweise boomten heute sogenannte Relaxsessel, die mit verschiedensten Funktionen ausgestattet seien. Steigende Mobilisierung verlange nach umzugstauglichen, stabilen Möbeln, die einfach auf- und abgebaut werden können. Auch Gesundheit und Wellbeing spielten heute im Möbelbereich eine wichtige Rolle: wohngesund und ergonomisch – das seien zentrale Ansprüche an heutiges Mobiliar.
Im Anschluss an die Vorträge hatten die Gäste die Möglichkeit, den Fachexperten in einer offenen Gesprächsrunde Fragen zu stellen. Ein gemeinsamer Lunch bot anschließend Gelegenheit, sich in entspannter Atmosphäre auszutauschen.